OGH 8ObA320/94

OGH8ObA320/9416.3.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Rohrer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Karlhein Kux und Dipl.Ing.Dr.Peter Israiloff als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Othmar M*****, vertreten durch Dr.Walter Holme, Rechtsanwalt in Wels, wider die beklagte Partei Dr.Hubert Köllensperger, Rechtsanwalt, 4600 Wels, Alois-Auer-Straße 9, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der C*****gesellschaft mbH, ***** wegen S 77.222,90 sA, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 5.August 1994, GZ 12 Ra 5/94-29, womit das Urteil des Landesgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 8.Oktober 1993, GZ 26 Cga 105/92-20, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß das erstgerichtliche Urteil mit der Maßgabe wiederhergestellt wird, daß es zu lauten hat:

"Die von der klagenden Partei im Konkurs der Gemeinschuldnerin C*****gesellschaft mbH, ***** angemeldete Forderung besteht mit einem Betrag von S 77.222,90 samt 4 % Zinsen seit 7.4.1992 sowie mit S 36.834,24 (darin S 5.699,04 USt und S 2.640,-- Barauslagen) als Konkursforderung zu Recht."

Der Antrag der klagenden Partei auf Ersatz der Kosten des Berufungsverfahrens wird

zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 11.706,-- (darin S 951,-- USt und S 6.000,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom November 1989 bis 16.3.1992 bei der Gemeinschuldnerin als Fernfahrer tätig. Das Dienstverhältnis endete durch Arbeitgeberkündigung. Der Kläger legte regelmäßig monatlich, gelegentlich auch nach zwei Monaten, Spesenabrechnungen vor, die bis einschließlich Februar 1991 vom Dienstgeber immer akzeptiert wurden. Mit diesen Abrechnungen machte der Kläger, der Schwer- bzw Sondertransporte lenkte, unter anderem Barauslagen geltend, die ihm durch im Interesse der reibungslosen Abwicklung von Fahrten aufgewendete Trink- und Bestechungsgelder entstanden. So hatte er Hilfskräfte für das Be- und Entladen oder aufgrund der Bestimmungen in einzelnen Ländern erforderliche, kurzfristig angeheuerte Begleitpersonen zu honorieren. Polizisten, die Sondertransporte eskortierten, wurden von ihm üblicherweise zum Essen eingeladen oder erhielten Trinkgelder. Die Beklagte vermied in Jugoslawien die Zahlung höherer Straßensteuern dadurch, daß ein zu geringes Ladegewicht in den Papieren angegeben wurde. Wurde ein Fahrer von der Polizei ertappt, so hatte er Bestechungsgelder zu zahlen. Dies war üblich, wurde durch die Beklagte stets akzeptiert und war für diese günstiger als das richtige Ladegewicht zu deklarieren. Bei Transporten aus Jugoslawien in Nicht-Nachbarländer bedurfte es einer sogenannten "Drittlandgenehmigung", die nur fallweise durch die Beklagte zur Verfügung gestellt wurde. Hatte der Kläger keine derartige Genehmigung, mußte er bei der Ausreise aus Jugoslawien die Zöllner bestechen, da er anderenfalls das Ladegut hätte zurücklassen müssen. Obwohl die Beklagte derartige Spesen sowohl in der Zeit davor als auch danach immer anstandslos vergütete, wurden derartige, nicht durch Belege nachweisbare Beträge in den Monaten März bis einschließlich August 1991 von einem Urlaubsvertreter des sonst zuständigen Disponenten gestrichen, sodaß der Kläger statt des für diesen Zeitraum verrechneten Spesenbetrages von S 223.029,52 lediglich S 139.316,90 vom Dienstgeber ersetzt erhielt. Der Kläger reklamierte diese Streichungen, nachdem er von diesen erstmalig im Oktober 1991 erfahren hatte, bei dem aus dem Urlaub zurückgekehrten Disponenten sowie bei der Gattin des Geschäftsführers. Schriftlich urgierte der Kläger die Abrechnungsdifferenz am 7.4.1992.

Mit seiner am 3.9.1992 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Kläger, die nunmehrige Gemeinschuldnerin zur Zahlung der in den Monaten März bis August 1991 ungerechtfertigt nicht ersetzten Spesen im Gesamtbetrag von S 83.712,62 sA schuldig zu erkennen. Der Kläger habe ordnungsgemäß Reisekostenabrechnung gelegt, aufgrund seiner mündlichen Urgenz sei die Bezahlung immer wieder zugesagt worden. Der Kläger habe erst anläßlich der Schlußabrechnung erkennen können, daß diese Zusagen nicht eingehalten worden seien. Die Geltendmachung des Ersatzanspruches sei daher fristgerecht, der Einwand der Verfristung durch die Beklagte stelle sich als schikanös und sittenwidrig dar.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren und beantragte dessen Abweisung. Sie wendete Verjährung, Verfristung und Verfall der Klagsforderung ein, da der Kläger nicht im Sinne des Kollektivvertrages für das Güterbeförderungsgewerbe seine Ansprüche innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht habe. Der Kläger habe bis zu seiner schriftlichen Aufforderung die Reisekostenabrechnung der Gemeinschuldnerin nie bemängelt. Die bloße Übergabe der Spesenabrechnung sei keine fristgerechte Geltendmachung der offenen Forderungen im Sinne der kollektivvertraglichen Bestimmungen. Der Kläger habe die Ausgaben auch nicht im Interesse bzw im Auftrag der Beklagten gemacht und habe überdies entgegen dem Kollektivvertrag nur zum Teil Belege vorgelegt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit S 77.222,90 sA statt und wies das Mehrbegehren von S 6.489,72 (rechtskräftig) ab. Es traf die eingangs zusammengefaßt wiedergegebenen Feststellungen, die es rechtlich dahin würdigte, daß die Vorlage der Spesenabrechnung unter Verwendung des vom Dienstgeber zur Verfügung gestellten Formulars dem Erfordernis der schriftlichen Geltendmachung gemäß Art.XI Z 5 des Kollektivvertrages für das Güterbeförderungsgewerbe entspreche. Die Ansprüche seien daher dem Regelungszweck dieser Bestimmung folgend nicht verfristet. Eine neuerliche Geltendmachung nach teilweiser Streichung durch den Dienstgeber sei nicht erforderlich. Ein stillschweigender Verzicht des Klägers auf die Abrechnungsdifferenz könne nicht angenommen werden. Da die Vorgangsweise des Klägers der gängigen und jahrelang geübten Unternehmenspraxis entsprochen habe, habe er darauf vertrauen dürfen, daß auch im klagsgegenständlichen Zeitraum die Spesen vergütet würden, zumal sie im Interesse des Dienstgebers aufgewendet worden seien. Dem Kläger stehe daher die Klagsforderung abzüglich eines offenen Reisekostenvorschusses zu.

Das Gericht zweiter Instanz hob das erstgerichtliche Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Es erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig und führte aus: Einer schriftlichen Geltendmachung der Abrechnungsdifferenz durch den Dienstnehmer bedürfe es nicht, wie das Erstgericht bereits zutreffend begründet habe. Der Kläger habe gegenüber Personen, hinsichtlich welcher er auf die Weitergabe seiner Reklamation vertrauen durfte, die Nachzahlung der Differenzbeträge gefordert, sodaß kein Anlaß bestehe, einen stillschweigenden Verzicht anzunehmen. Allerdings sei der Berufung insoweit beizupflichten, als den Arbeitgeber grundsätzlich keine Erstattungspflicht für Kosten, die dem Dienstnehmer durch eine strafbare Handlung entstehen, treffe. Darüber im vorhinein abgeschlossene Vereinbarungen seien sittenwidrig und nichtig. Eine derartige Verpflichtung könne daher auch nicht schlüssig durch Ersatz dieses Aufwandes des Dienstnehmers in der Vergangenheit übernommen werden. Die vom Kläger aufgewendeten Bestechungsgelder seien daher nicht ersatzfähig. Da es an einer Aufschlüsselung des geltend gemachten Gesamtbetrages auf die einzelnen Spesenarten mangle, sei das erstgerichtliche Urteil aufzuheben.

Der gegen diesen Aufhebungsbeschluß erhobene Rekurs des Klägers ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 879 Abs.1 ABGB ist ein Vertrag, der gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nichtig. Bei Verstößen gegen Gesetze, die dem Schutz der öffentlichen Ordnung dienen, ist die Rechtsfolge der Nichtigkeit eine absolute. Sie ist von Amts wegen wahrzunehmen und hat die Nichtigkeit des gesamten Geschäftes zur Folge (JBl 1988, 250; SZ 63/72; Krejci in Rummel2 Rz 248 zu § 879; Apathy in Schwimann ABGB Rz 23 zu § 879). Der Verstoß gegen ausländische Verbotsgesetze ist jenen gegen inländische Verbote nicht gleichzuhalten. Das Geschäft kann jedoch auch in einem derartigen Falle sittenwidrig sein, wenn ein entsprechender Inlandsbezug vorliegt oder gegen oberste Rechtsgrundsätze des einheimischen Rechtes verstoßen wird (Arb 10.376; Gschnitzer in Klang2 IV/1, 178). Diese Ansicht wird im wesentlichen auch für den deutschen Rechtsbereich vertreten (BGHZ 59, 85; Palandt BGB54 Rdz 2 zu § 134). Die festgestellte Bestechung jugoslawischer Zöllner und Polizisten kann zwar (auch ohne daß diesbezüglich Feststellungen getroffen wurden) als ein Verstoß gegen ausländische Verbotsgesetze und damit grundsätzlich als sittenwidrig gewertet werden (SZ 13/76; EvBl 1960/2; vgl auch BGHZ 94, 271), stellt sich jedoch nicht als im Inland strafbare Handlung dar. Gemäß § 74 Z 4 StGB ist nämlich Beamter und damit Subjekt oder Objekt der Amtsdelikte gemäß den §§ 302 ff StGB grundsätzlich nur ein österreichischer Beamter (LSK 1978/289). Es fehlt daher an der für die Strafbarkeit von Auslandstaten erforderlichen Normenidentität im Sinne des § 65 StGB (vgl Leukauf-Steininger, StGB3 Rdz 11 f zu Vorbem. §§ 62 ff, Rdz 11 zu § 65; Wr. Kommentar Rdz 1 zu § 65). Die Tat stellt sich hier auch nicht als eine im § 64 StGB genannte strafbare, im Ausland begangene Handlung dar, die ohne Rücksicht auf die Gesetze des Tatortes in Österreich zu bestrafen wäre.

Es entspricht ständiger Rechtsprechung, daß die Sittenwidrigkeit einer Vereinbarung nur dann vom Gericht beachtet und geprüft werden darf, wenn sie geltend gemacht wurde (SZ 23/372; MietSlg 34.122; SZ 60/35; Arb 10.624; WBl 1990, 55). Die qualifiziert vertretene Beklagte hat aber einen derartigen Einwand erstmals im Berufungsverfahren erhoben, der gemäß § 63 Abs.1 ASGG, § 482 Abs.1 ZPO als unzulässige Neuerung unbeachtlich ist.

Insoweit die Beklagte in der Rekursbeantwortung weiter darauf beharrt, daß die Ansprüche verfristet und entgegen den kollektivvertraglichen Bestimmungen nicht durch Belege nachgewiesen seien, kann gemäß § 48 ASGG, § 510 Abs.3 ZPO auf die zutreffende Begründung der Vorinstanzen verwiesen werden. Aus Art.XI Z 5 des Kollektivvertrages für das Güterbeförderungsgewerbe kann lediglich entnommen werden, daß der Dienstnehmer innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit seine Ansprüche bei sonstigem Verfall beim Dienstgeber schriftlich geltend machen muß. Dies hat der Kläger durch Übermittlung seiner Spesenabrechnung getan. Eine Pflicht, nach teilweiser Aberkennung dieser Ansprüche neuerlich schriftlich um die Auszahlung einkommen zu müssen, kann dem Kollektivvertrag nicht entnommen werden. Auch kann aus dem festgestellten Verhalten des Klägers nach Zukommen der Spesenabrechnung des Dienstgebers kein Anhaltspunkt für einen stillschweigenden Verzicht gemäß § 863 ABGB genommen werden. Auch Tatsachen, die die Geltendmachung der Ansprüche im konkreten Fall mit Rücksicht auf besondere Umstände als gegen Treu und Glauben verstoßend erscheinen ließen (vgl ArbSlg 10.451), sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Zwar sieht Art.XIII Z 1 des Kollektivvertrages vor, daß Ansprüche auf Barauslagen vom Dienstnehmer mittels Rechnungen zu belegen sind, nach den Feststellungen wurde jedoch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer durch langjährige Übung eine im Sinne des § 3 Abs.1 ArbVG zulässige Vereinbarung über die im Kollektivvertrag nicht geregelte Abrechnung solcher Barauslagen getroffen, für welche schon ihrer Natur nach Rechnungen nicht erstellt werden können.

Es war daher in Stattgebung des Rekurses des Klägers das erstgerichtliche Urteil wiederherzustellen, wobei aufgrund der nach Ergehen des erstgerichtlichen Urteils erfolgten Konkurseröffnung entsprechend dem Antrag des Klägers (ON 28) das Leistungs- in ein Feststellungsbegehren umzuformulieren war (SZ 51/178), ohne daß dadurch die arbeitsgerichtliche Zuständigkeit berührt worden wäre.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf § 41 ZPO. Über das Vermögen der ehedem Beklagten wurde - wie sich aus dem Beschluß ON 26 ergibt - am 2.2.1994 der Konkurs eröffnet. In diesem Zeitpunkt hatten die Parteien die Berufung vom 13.12.1993 und die Berufungsbeantwortung vom 10.1.1994 bereits eingebracht. Lediglich der angefochtene Beschluß des Berufungsgerichtes erging nach Konkurseröffnung. Bei Obsiegen des Konkursgläubigers in dem als Prüfungsprozeß fortgesetzten Verfahren ist lediglich über die seit Konkurseröffnung entstandenen Prozeßkosten zu entscheiden, die gemäß § 46 KO Masseforderungen sind und zu deren Erfüllung der Masseverwalter binnen 14 Tagen bei Exekution zu verurteilen ist (JBl 1981, 439; EvBl 1988/146; EvBl 1990/10). Die früher entstandenen Kosten haben die Natur einer Konkursforderung. Sie entstehen im Sinne des § 54 Abs.1 KO nicht erst mit dem Zuspruch durch das Gericht, sondern - bedingt durch den Prozeßerfolg - mit der Vornahme der einzelnen Prozeßhandlungen (SZ 16/16; SZ 61/31). Da Anmeldung und Bestreitung der Kosten des Berufungsverfahrens im Konkurs im Verfahren nicht behauptet wurde, kann über den Kostenersatzanspruch des Klägers für diesen Verfahrensabschnitt derzeit im streitigen Rechtsweg nicht entschieden werden (§§ 7 Abs.3, 102 KO).

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