OGH 1Ob643/94

OGH1Ob643/9427.2.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Oliver R*****, geboren am *****, und der mj. Sarah R*****, geboren am *****, beide vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Perg als Unterhaltssachwalterin wegen Unterhaltsvorschusses infolge Revisionsrekurses der Minderjährigen gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 3. November 1994, GZ 18 R 745, 746/94-164, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Perg vom 19. September 1994, GZ P 33/92-155 und 156, abgeändert wurden, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Mit Beschlüssen vom 17.10.1990 gewährte das Erstgericht auf der Grundlage bestehender Titel gegen den Vater als Unterhaltsschuldner gemäß § 3 und § 4 Z 1 UVG für den Zeitraum 1.10.1990 bis 30.9.1993 dem mj. Oliver einen Unterhaltsvorschuß von S 1.250,-- (ON 46), der mj. Sarah dagegen einen solchen von S 1.000,-- (ON 47).

Am 30.10.1992 beantragte die Unterhaltssachwalterin eine Erhöhung des vom Vater der Kinder zu leistenden Geldunterhaltes auf S 2.000,-- für den mj. Oliver und auf S 1.800,-- für die mj. Sarah je ab 1.11.1992. Gleichzeitig wurde eine Erhöhung der gewährten Unterhaltsvorschüsse ab 1.11.1992, nämlich auf S 2.000,-- für den mj. Oliver und auf S 1.800,-- für die mj. Sarah, begehrt (ON 91, 92).

Mit Beschlüssen vom 15.11.1993 gewährte das Erstgericht den beiden Mj. die oben angeführten Unterhaltsvorschüsse gemäß § 3 und § 4 Z 1 und § 18 UVG bis 30.9.1996 weiter (ON 124, 125).

Am 1.8.1994 zog die Unterhaltsachwalterin die Unterhaltserhöhungsanträge - nach einem bis zu diesem Zeitpunkt langwierigen und ergebnislosen Verfahren - zurück und beantragte für beide Mj. die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen gemäß § 4 Z 2 UVG in der sich aus § 6 Abs 2 UVG ergebenden Höhe ab 1.11.1992 (ON 153).

Mit seinen Beschlüssen vom 19.9.1994 stellte das Erstgericht die zuvor gewährten Titelvorschüsse für die mj. Oliver und Sarah jeweils mit Ablauf des 31.7.1993 ein, gewährte den genannten Mj. monatliche Unterhaltsvorschüsse gemäß § 4 Z 2 UVG in der sich aus § 6 Abs 2 UVG ergebenden jeweiligen Höhe für den Zeitraum vom 1.8.1993 bis 31.7.1996 und wies das darüber hinausgehende Mehrbegehren ab. Es vertrat im wesentlichen die Ansicht, der gemäß § 4 Z 2 UVG beantragte Unterhaltsvorschuß sei den beiden Mj. ab 1.8.1993 - nämlich seit Ablauf der in der bezeichneten Gesetzesstelle genannten dreijährigen Frist ab Erlassung der bestehenden Exekutionstitel - zu gewähren. Die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners werde bei einer Vorschußgewährung gemäß § 4 Z 2 UVG bis zum nicht erbrachten Beweis des Gegenteils vermutet.

Das Rekursgericht gab dem gegen diese Beschlüsse insoweit erhobenen Rekurs, als Unterhaltsvorschüsse gemäß § 4 Z 2 UVG für einen Zeitraum vor dem 1.7.1994 gewährt wurden, Folge. Es änderte die angefochtenen Beschlüsse dahin ab, daß die vom Erstgericht weiter gewährten Unterhaltsvorschüsse mit Ablauf des 30.6.1994 eingestellt und für den Zeitraum vom 1.7.1994 bis 31.7.1996 gemäß § 4 Z 2 UVG beiden Mj. monatliche Unterhaltsvorschüsse in der sich aus § 6 Abs 2 UVG ergebenden jeweiligen Höhe gewährt wurden. In Ergänzung der bereits vom Erstgericht vorgenommenen und unbekämpft gebliebenen Teilabweisung wies es auch das für den Zeitraum vom 1.8.1993 bis 30.6.1994 gestellte Mehrbegehren ab. Den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte es für zulässig und vertrat im wesentlichen folgende Ansicht:

Gemäß § 8 erster Satz UVG seien Vorschüsse vom Beginn des Antragsmonates für die Dauer des voraussichtlichen Vorliegens der Voraussetzungen, jedoch jeweils längstens für drei Jahre zu gewähren. Vorschüsse könnten somit frühestens ab Beginn jenes Monates zuerkannt werden, in dem der Antrag gestellt worden sei. Im vorliegenden Fall seien die Anträge auf Vorschußgewährung gemäß § 4 Z 2 UVG „im Juli 1994“ (richtig: am 1.8.1994) eingebracht worden. Dabei stelle sich allerdings die Frage, ob es sich hiebei nicht bloß um eine Modifizierung der schon im Oktober 1992 gestellten Anträge auf Erhöhung der Titelvorschüsse handle und dies zur Folge habe, daß auch die Vorschüsse gemäß § 4 Z 2 UVG insoweit rückwirkend und unter Wahrung der in der zitierten Gesetzesstelle normierten Frist von drei Jahren zuzuerkennen seien. Das Rekursgericht könne sich der von einem Senat des Landesgerichtes für ZRS Wien vertretenen Ansicht, bei einem Wechsel des Vorschußgrundes vor der Entscheidung sei der Vorschuß ab Geltendmachung des dann fallen gelassenen Vorschußgrundes zu gewähren (EFSlg 43.850), nicht anschließen. Nicht zu überzeugen vermöge die Auffassung, der Schutz des Wohles der Pflegebefohlenen iS des § 21 ABGB verbiete es, einen Minderjährigen an den für eine Forderung angeführten Rechtsgrund zu binden, falls daraus ein Nachteil bei der Gewährung eines Unterhaltsvorschusses entstehen könne. Dem sei entgegenzuhalten, daß es nicht um den Vorschußgrund, sondern um die Vorschußart, die gemäß §§ 5, 8 und § 11 Abs 1 UVG dem Antragsprinzip unterliege, gehe. Einen Unterhaltsvorschuß „an sich“ gebe es nicht. Verschiedene Vorschußgründe schlössen einander auch im allgemeinen für denselben Zeitraum aus. Aus divergierenden Anspruchsvoraussetzungen ergäben sich die Unterschiede der beiden Vorschußarten (Titelvorschuß und Vorschuß gemäß § 4 Z 2 UVG). Eine Vorschußerhöhung gemäß § 4 Z 2 UVG könne auch während eines laufenden Verfahrens auf Unterhaltsfestsetzung und -erhöhung beantragt und bewilligt werden. Im vorliegenden Fall wäre es daher den beiden Minderjährigen freigestanden, anstelle einer Weitergewährung der Titelvorschüsse die Zuerkennung von Richtsatzvorschüssen zu begehren. Ein Vorbringen für die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen gemäß § 4 Z 2 UVG sei den Anträgen vom 30.10.1992 nicht zu entnehmen, weshalb die schließlich begehrten Richtsatzvorschüsse gemäß § 8 UVG ab 1.7.1994 zu gewähren gewesen seien. Infolge zu beachtender Teilrechtskraft sei über den vom Erstgericht festgelegten Zeitraum (bis 31.7.1996) nicht hinauszugehen gewesen. Dagegen sei die Einstellung der Titelvorschüsse in Abänderung der angefochtenen Beschlüsse erst mit Ablauf des 30.6.1994 anzuordnen gewesen, weil zwischen der rückwirkenden Einstellung von Titelvorschüssen wegen der Gewährung von Richtsatzvorschüssen ein untrennbarer Zusammenhang mit letzterer bestehe.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Antragsteller ist aus den vom Rekursgericht dargelegten Gründen zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Die §§ 3 und 4 UVG normieren im einzelnen jene Tatbestände, welche Grundlage für die Gewährung eines Unterhaltsvorschusses sein können. Dabei findet der das Gesetz ganz allgemein beherrschende Grundsatz auch im § 4 Z 2 UVG seinen Ausdruck, Vorschußleistungen aus öffentlichen Mitteln nur an die Stelle der vom Unterhaltsschuldner konkret zu erbringenden, wenn auch betraglich noch nicht feststehenden Leistungen - im vorliegenden Fall also durch Erhöhung bereits titulierter Unterhaltsbeiträge - treten zu lassen (SZ 63/89).

Anwendungsvoraussetzung des im § 4 Z 2 UVG geregelten Tatbestandes ist es, daß der Unterhaltsberechtigte das für eine Unterhaltsfestsetzung oder -erhöhung Erforderliche und Zumutbare zu unternehmen hat (SZ 63/89). Die im vorliegenden Fall interessierende Erhöhung des Unterhaltsbeitrages ist iS der zitierten Norm dann als mißlungen anzusehen, wenn der darauf gerichtete Antrag aus in der Person des Unterhaltsschuldners gelegenen Gründen trotz Vorliegens der materiellen Erfolgsvoraussetzungen nicht in einer dem Unterhaltszweck angemessenen Zeit zum Erfolg führt oder ein entsprechender Antrag bloß deshalb unterbleibt, weil er aus in der Person des Unterhaltsschuldners gelegenen Gründen nach objektiver Vorausschau zu keinem Erfolg führen kann (SZ 63/80; 63/89; 63/95).

Unterhaltsvorschüsse sind gemäß § 11 Abs 1 UVG nur auf Antrag zu gewähren. Dieses Antragsprinzip steht in einem systematischen und teleologischen Zusammenhang mit den in den §§ 3 und 4 UVG normierten einzelnen Vorschußarten. Erst der Antrag individualisiert die Art des begehrten Vorschusses. Wurde daher - wie im vorliegenden Fall - zunächst nur ein „Titelvorschuß“ beantragt, so läßt sich ein solcher Antrag nicht in ein Begehren gemäß § 4 Z 2 UVG umdeuten, weil die einzelnen Vorschußarten durch verschiedene Anspruchsvoraussetzungen charakterisiert sind. Es ist somit der in der angefochtenen Entscheidung vertretenen und auf Knoll (in: Kommentar zum UVG Rz 6 zu § 8) gestützten Ansicht zu folgen, es unterliege die einzelne Vorschußart dem Antragsprinzip, weil es einen Unterhaltsvorschuß „an sich“ nicht gebe.

Die von Knoll (aaO) abgelehnte, jedoch im Revisionsrekurs zur Begründung des gegenteiligen Standpunktes herangezogene Entscheidung eines Senates des LG für ZRS Wien (EFSlg 43.850) läßt den oben dargelegten spezifischen Individualisierungszusammenhang zwischen dem im Unterhaltsvorschußrecht geltenden Antragsprinzip und den im einzelnen normierten Vorschußarten außer acht.

Im übrigen hätte auch im vorliegenden Fall kein Hindernis bestanden, eine Vorschußgewährung gemäß § 4 Z 2 UVG noch während des laufenden Unterhaltserhöhungsverfahrens gegenüber dem Titelschuldner als Voraussetzung für eine entsprechende Bewilligung zu beantragen (Knoll aaO Rz 11 zu § 4 Z 2 und 3). Wie bereits dargelegt wurde, ist nämlich eine Erhöhung des Unterhaltsbeitrages im Verhältnis zum Unterhaltsschuldner iS des § 4 Z 2 UVG auch schon dann als nicht gelungen anzusehen, wenn der Erhöhungsantrag nicht in einer dem Unterhaltszweck angemessenen Zeit zum Erfolg führt (in diesem Sinne auch: Knoll aaO Rz 11 f zu § 4 Z 2 und 3).

Es trifft daher das im Revisionsrekurs vorgetragene Argument nicht zu, ein Antrag auf Vorschußgewährung gemäß § 4 Z 2 UVG habe deshalb nicht vorher gestellt werden können, weil die Unterhaltssachwalterin erst im Juli 1994 Kenntnis davon erlangt habe, daß eine Unterhaltserhöhung im Verhältnis zum Titelschuldner nicht gelingen werde. Nach den hier zu beurteilenden Umständen des Einzelfalles wäre vielmehr schon wesentlich früher, nämlich jedenfalls zumindest ab dem 1.8.1993 als dem vom Erstgericht der Vorschußgewährung gemäß § 4 Z 2 UVG - durch die Antragsteller unbekämpft - zugrundegelegten Anfangstermin davon auszugehen gewesen, daß die Erhöhung in einer dem Unterhaltszweck angemessenen Zeit nicht gelingen werde.

Das Antragsprinzip erfordert zwar, daß das Gericht im Rahmen der allgemeinen Fürsorgepflicht nach § 2 Abs 1 AußStrG den gesetzlichen Vertreter des Kindes zu entsprechender Antragstellung anzuleiten hat. Dazu gehört nicht nur die Antragstellung als solche, sondern auch die in sinngemäßer Anwendung des § 182 Abs 1 ZPO dem Gericht auferlegte Pflicht, die Verbesserung eines ungenügenden Sachantrages zu veranlassen (9 Ob 506/94; Knoll aaO Rz 1 zu § 11). Der zunächst gestellte Antrag auf Gewährung eines Titelvorschusses war jedoch vorerst nicht als ungenügender Sachantrag anzusehen, sodaß keine Notwendigkeit zur entsprechenden Anleitung bestand. Ob im Laufe des schließlich erfolglos gebliebenen Erhöhungsverfahrens eine richterliche Anleitung erforderlich geworden wäre, der Antrag auf Gewährung eines „Titelvorschusses“ rechtzeitig in einen solchen auf die Zuerkennung eines Vorschusses gemäß § 4 Z 2 UVG zu ändern, bedarf keiner Erörterung, weil dem Revisionsrekurs keine darauf bezogene Verfahrensrüge zu entnehmen ist.

Dem Revisionsrekurs ist somit ein Erfolg zu versagen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte