OGH 6Ob526/95

OGH6Ob526/9523.2.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Redl, Dr.Schiemer, Dr.Pimmer und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** Rt., ***** Ungarn, vertreten durch Dr.Arnold Rechtsanwalts-Kommandit-Partnerschaft in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Josef (auch Jozef) B*****, wegen 490.334,80 S sA, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 11. November 1994, AZ 13 R 197/94 (ON 5), womit der Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 28.September 1994, GZ 17 Cg 276/94x-2, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden ersatzlos behoben. Dem Erstgericht wird die Einleitung des gesetzmäßigen Verfahrens über die Klage unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Nach dem maßgeblichen Klagsvorbringen (§ 41 Abs 2 JN) begehrt die klagende ungarische Bank vom Beklagten - der im Rubrum als Geschäftsführer bezeichnet wird - 490.334,80 S sA mit dem Vorbringen, sie habe der T***** Kft. in Györ (im folgenden Darlehensnehmerin) ein Darlehen in USD gewährt, das später in öS konvertiert worden sei. Der Beklagte habe als "65 %-iger Eigentümer" dieser Gesellschaft die "selbstschuldnerische Bürgschaft" übernommen.

Die Vorinstanzen wiesen die nicht beim Kausalgericht eingebrachte Klage nach § 51 Abs 1 Z 6 JN wegen sachlicher Unzuständigkeit zurück. Die zweite Instanz ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu und vertrat in rechtlicher Hinsicht im wesentlichen die Auffassung, das Erstgericht habe im Ergebnis zu Recht seine Zuständigkeit für die Geltendmachung von Ansprüchen der klagenden Partei gegen den Beklagten als Organ einer Gesellschaft mbH, welche auf seine gesellschaftsbezogene Verantwortung gestützt werde, verneint.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der klagenden Partei ist zulässig und berechtigt.

Im vorliegenden Fall kommt entgegen der Auffassung der Vorinstanzen die Zuständigkeit der Kausalgerichte nicht in Betracht.

Nach § 51 Abs 1 JN gehören vor die selbständigen Handelsgerichte,

falls der Streitgegenstand an Geld oder Geldeswert den Betrag von

100.000 S übersteigt, unter anderem (Z 6) Streitigkeiten aus dem

Rechtsverhältnis zwischen den Mitgliedern einer Handelsgesellschaft

oder zwischen dieser und ihren Mitgliedern, zwischen den Mitgliedern

der Verwaltung und den Liquidatoren der Gesellschaft und der

Gesellschaft oder deren Mitgliedern, ... sowie Streitigkeiten aus

Rechtsverhältnissen aller dieser Personen zu Dritten, denen sie sich

in dieser Eigenschaft verantwortlich gemacht haben, ... sofern es

sich nicht um eine Arbeitsrechtssache (§ 50 Abs 1 ASGG) handelt. Die

Worte "... sowie Streitigkeiten aus Rechtsverhältnissen aller dieser

Personen zu Dritten, denen sie sich in dieser Eigenschaft verantwortlich gemacht haben", wurden durch die Zivilverfahrens-Novelle 1983 eingefügt. In den Erläuterungen (1337 BlgNR 15.GP, 4) wird dazu ausgeführt, daß Angestellte einer Gesellschaft, die sich deren Vertragspartnern, also Dritten, durch rechtswidriges Verhalten im Rahmen ihrer Tätigkeit für die Gesellschaft verantwortlich gemacht haben, nach § 51 Abs 1 Z 3 (JN) - so wie die Gesellschaft selbst - vor dem Handelsgericht geklagt werden können. Für die Vorstandsmitglieder, die Geschäftsführer und sonstigen Funktionäre oder die Mitglieder einer Gesellschaft, die sich im Rahmen ihrer Tätigkeit Dritten gegenüber verantwortlich gemacht haben, fehle nach herrschender Rechtsprechung eine solche Bestimmung, sie könnten wegen dieser deliktischen Schädigung nur vor dem allgemeinen Gericht geklagt werden. Es solle daher in der Z 6 des § 51 nach dem Vorbild der Z 3 auch das Rechtsverhältnis der hier genannten Personen zu Dritten in die Handelsgerichtsbarkeit einbezogen werden. Es trifft zu, daß damit - soferne es sich nicht um Arbeitsrechtssachen handelt - , ganz offensichtlich eine gewisse Konzentration solcher Streitigkeiten vor den Kausalgerichten herbeigeführt werden sollte.

Gleichwohl fallen aber Kontraktansprüche nicht "schlechthin" unter diese Bestimmung (7 Ob 592/93 = RdW 1994, 177 = NRsp 1994/97; EvBl 1992/146; Fasching Lehrbuch2 Rz 254), wie sich ja aus den EB (aaO) gerade durch die Bezugnahme auf ein "rechtswidriges Verhalten" von Angestellten und "deliktische Schädigung" ergibt. Der Oberste Gerichtshof hat unter Billigung von Mayr (in Rechberger, Rz 7 zu § 51 JN) in diesem Zusammenhang die Klagen der Sozialversicherungsträger

gegen Prokuristen (7 Ob 527/92) bzw Geschäftsführer (EvBl 1992/146 =

RdW 1992, 374 = WBl 1992, 263 = ecolex 1992, 635 = NRsp 1992/173)

einer Gesellschaft mbH, die Bürgschaften für Beitragsrückstände ihrer Gesellschaft übernommen hatten, als vor die selbständigen Handelsgerichte gehörend beurteilt. Hingewiesen wurde daher aber auf den spezifischen Anspruch, der mit solchen Klagen geltend gemacht werde: Die für die Gesellschaft tätigen Prokuristen und Geschäftsführer hafteten nämlich dem Sozialversicherungsträger gegenüber deliktisch, falls sie sich einer Konkursverschleppung schuldig gemacht hätten; ebenso seien sie bei Einbehaltung und Vorenthaltung der Dienstnehmeranteile für den strafbaren Tatbestand des § 114 Abs 1 ASVG verantwortlich. Der enge Konnex zwischen deliktischer Haftung und vertraglicher Verpflichtung sowie die möglichen Auswirkungen der vertraglichen Verpflichtung auf einen deliktischen Haftungsgrund gebiete es, derartige Streitigkeiten vor den Handelsgerichten auszutragen. In der Entscheidung 7 Ob 592/93 wurde dagegen das Versprechen des Prokuristen einer mit der Vermittlung des Verkaufs von Gesellschaftsanteilen beauftragten Immobilienfirma, privat eine zur Verbesserung und somit zur leichteren Vermittlung beitragende Leistung zu erbringen, nicht unter § 51 Abs 1 Z 6 JN fallend beurteilt.

Bei der amtswegigen Zuständigkeitsprüfung nach § 41 Abs 1 JN ist von den für wahr zuhaltenden Angaben in der Klage auszugehen (JBl 1980, 430; Fasching I 260 f und Lehrbuch2 Rz 1033). Als Geschäftsführer ist der Beklagte grundsätzlich nicht Kaufmann. Im vorliegenden Fall ist ein Kontraktsanspruch der klagenden Partei ohne jeden erkennbaren Bezug zu einem deliktischen Verhalten des Beklagten zu beurteilen. Für die Abgabe der "selbstschuldnerischen Bürgschaftserklärung" des Beklagten für eine ungarische Gesellschaft als Darlehensnehmerin mag die Tatsache, daß er "65 %-iger Eigentümer" (gemeint offenbar Gesellschafter) derselben war, allenfalls Motiv gewesen sein. Daß der Beklagte auch Organ der Darlehensnehmerin gewesen wäre, ergibt sich aber aus der Klagserzählung nicht, wird der Beklagte doch nur im Rubrum als Geschäftsführer bezeichnet. Die Klagserzählung läßt lediglich erkennen, daß sich der Beklagte im eigenen Namen für eine fremde Schuld verpflichtete. Diese Verpflichtung mag möglicherweise im Interesse der Darlehensnehmerin gelegen sein, doch fehlt dabei der in den vom Rekursgericht zitierten Entscheidungen hervorgehobene enge Konnex zwischen der privatrechtlichen gesellschaftsbezogenen Verpflichtung für Verbindlichkeiten der Gesellschaft und seiner zumindest allfälligen deliktischen Haftung.

Demgemäß ist dem außerordentlichen Revisionsrekurs Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt fußt auf § 52 Abs 1 ZPO.

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