OGH 1Ob626/94

OGH1Ob626/9427.1.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** Aktiengesellschaft *****, vertreten durch Dr. Helmut Neudorfer, Dr. Klaus Griensteidl, Dr. Wolfgang Hahnkamper und Dr. Christof Stapf, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Herwig H*****, wegen S 230.000,-- sA infolge Revision der beklagten Partei (Revisionsstreitwert S 172.500,- -) gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 13. Juli 1994, GZ 14 R 54/94-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Krems an der Donau vom 25. November 1993, GZ 4 Cg 120/93d-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit S 9.135,-- (darin enthalten S 1.522,50 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Auf der Auguste K***** gehörigen Liegenschaft EZ 37 KG O***** war unter anderem zugunsten der klagenden Partei ein Höchstbetragspfandrecht bis zum Betrag von S 625.000,-- einverleibt. Am 11. Dezember 1990 stellte die Rechtsvorgängerin der klagenden Partei eine Löschungsquittung aus, mit der sie die ausdrückliche Zustimmung erteilte, daß aufgrund dieser Urkunde die Löschung des genannten Höchstbetragspfandrechtes für den Teilbetrag von S 280.000,-- einverleibt werde. Die Liegenschaftseigentümerin übergab die Löschungserklärung dem Beklagten mit dem Auftrag, im Sinne dieser Urkunde die Löschung des Pfandrechtes, also nur für den Teilbetrag von S 280.000,-- zu erwirken. Er ließ das Grundbuchsgesuch von einer Kanzleiangestellten verfassen und unterschrieb es, ohne eine Überprüfung mit dem Inhalt der Löschungserklärung vorzunehmen. Im Grundbuchsgesuch wurde (irrtümlich) die Einverleibung der Löschung des Höchstbetragspfandrechtes von S 625.000,-- begehrt. Das Grundbuchsgericht bewilligte (irrtümlich) diesen Antrag. Die klagende Partei unterließ mangels entsprechender Überprüfung des ihr zugestellten Grundbuchsbeschlusses die Erhebung eines Rekurses. Ein in der Folge vom Grundbuchsgericht gefaßter Berichtigungsbeschluß, nach dem das Höchstbetragspfandrecht nur für den Teilbetrag von S 280.000,-- gelöscht werden sollte, wurde infolge von Rekursen der Grundeigentümerin bzw einer Pfandgläubigerin aufgehoben. Sämtliche zum Gutsbestand der Liegenschaft EZ 37 KG O***** gehörigen Grundstücke wurden von Auguste K***** verkauft. Auguste K***** wurde mit Urteil des Landes-(Kreis-)gerichtes Krems an der Donau vom 5.5.1992 schuldig erkannt, bei sonstiger Exekution in die verpfändete Liegenschaft EZ 37 KG O***** den Betrag von S 275.507,02 sA an die Rechtsvorgängerin der klagenden Partei zu bezahlen. Per 6.11.1992 haftete die Forderung der klagenden Partei, zu deren Gunsten das Höchstbetragspfandrecht einverleibt gewesen war, gegen Auguste K***** mit S 389.303,14 unberichtigt aus. Ein Zugriff auf die verpfändet gewesene Liegenschaft war im Hinblick auf die vollständige Löschung des Höchstbetragspfandrechts nicht möglich. Fahrnisexekution und Lohnpfändung gegen Auguste K***** blieben ergebnislos. Sie ist nicht mehr unter ihrer ursprünglichen Anschrift anzutreffen. Auch der Beklagte, der in Kenntnis der schlechten Vermögenslage von Auguste K***** ist, weiß nicht, wo sie sich aufhält.

Die klagende Partei begehrte den Zuspruch von S 230.000,-- vom Beklagten aus dem Titel des Schadenersatzes, weil er trotz Vorliegens lediglich einer Teillöschungserklärung die Löschung des gesamten Höchstbetragspfandrechtes beantragt habe. Die fahrlässige Handlungsweise des Beklagten habe dazu geführt, daß die klagende Partei ihre rechtskräftig zuerkannte Forderung gegen Auguste K***** im Betrage von S 275.507,02 sA und die Verfahrenskosten nicht aus dem von der Rechtsvorgängerin der klagenden Partei begründeten Höchstbetragspfandrecht habe befriedigen können, weil das Pfandrecht zur Gänze gelöscht worden sei. Der Gesamtschaden betrage S 345.000,- -. Unter Berücksichtigung eines allfälligen, der klagenden Partei anzulastenden Mitverschuldens von einem Drittel ergebe sich der Klagsbetrag. Die Forderung der klagenden Partei gegen Auguste K***** sei uneinbringlich.

Der Beklagte gestand zu, die Grundbuchseingabe unkontrolliert unterfertigt zu haben. Inhaltlich stelle das Grundbuchsgesuch um Löschung des Höchstbetragspfandrechtes eine der Auguste K***** zuzurechnende Willenserklärung dar. Sämtliche Ansprüche aus Anlaß der Löschung des Pfandrechtes könnten nur gegen diese geltend gemacht werden.

Das Erstgericht erkannte den Beklagten schuldig, der klagenden Partei S 172.500,-- sA zu bezahlen. Das Mehrbegehren im Betrage von S 57.500,-- sA wies es ab. Es ging davon aus, daß der Beklagte das von einer Kanzleiangestellten verfaßte und von ihm unterfertigte Grundbuchsgesuch auf dessen Übereinstimmung mit der für die Eintragung wesentlichen Urkunde hätte überprüfen müssen. Dabei hätte ihm auffallen müssen, daß die Löschungserklärung der klagenden Partei nur die teilweise Löschung der Höchstbetragshypothek decke, weshalb die Erwirkung der von ihm namens Auguste K***** letztlich beantragten Löschung nicht berechtigt sei. Es sei davon auszugehen, daß die Grundstückseigentümerin dem Beklagten nicht den Auftrag gegeben habe, entgegen dem Wortlaut der Löschungserklärung die Löschung des gesamten Höchstbetragspfandrechtes zu begehren. Demnach sei das vom Beklagten unterfertigte Grundbuchsgesuch - was den nicht von der Löschungserklärung umfaßten Teil des Höchstbetragspfandrechtes betrifft - nicht vom Willen der Auguste K***** umfaßt gewesen. Die Forderung der klagenden Partei gegen Auguste K***** sei beträchtlich höher als der zu Unrecht aus dem Verschulden des Beklagten gelöschte Betrag von S 345.000,- -. Demnach erleide die klagende Partei einen Ausfall in dieser Höhe. Aufgrund des Umstands, daß die klagende Partei die Erhebung eines Rekurses gegen den unrichtigen Grundbuchsbeschluß unterließ, sei eine Verschuldensteilung im Verhältnis 1 : 1 angemessen.

Das Berufungsgericht gab der vom Beklagten erhobenen Berufung nicht Folge und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Mit Übernahme der Löschungsquittung habe die Grundstückseigentümerin die Nebenpflicht übernommen, sie nur im Sinne ihres Inhaltes zu verwenden. Diese Nebenpflicht sei durch die Erteilung einer Vollmacht seitens der Grundstückseigentümerin an den Beklagten und Übergabe der Löschungserklärung samt Auftrag, die Löschung im Grundbuch zu veranlassen, dem Beklagten überbunden worden. Durch das Begehren auf Löschung der gesamten Hypothek habe der Beklagte gegen diese der klagenden Partei gegenüber bestehende Verpflichtung verstoßen, sodaß sein im Sinne des § 1299 ABGB schuldhaftes Handeln auch rechtswidrig sei. Das schuldhafte Handeln ergebe sich aus der ungenügenden Kontrolle des Grundbuchsgesuches. Sein Verhalten werde dadurch, daß es die klagende Partei verabsäumte, gegen den Löschungsbeschluß des Grundbuchsgerichtes ein Rechtsmittel zu erheben, nicht rechtmäßig. Gegen die Verschuldensteilung im Verhältnis 1 : 1 bestünden keine Bedenken, weil das unrichtige Grundbuchsgesuch die primäre Ursache der Löschung des gesamten Höchstbetragspfandrechtes gewesen sei und dieser Umstand nicht geringer wiege als die Tatsache, daß die klagende Partei die Erhebung eines Rekurses gegen den Grundbuchsbeschluß unterließ.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Liegenschaftseigentümerin stand materiellrechtlich nie der Anspruch auf Löschung des Höchstbetragspfandrechtes im Betrage von S 625.000,- -, sondern lediglich im Teilbetrag von S 280.000,-- zu. Weder sie noch der von ihr bevollmächtigte Beklagte machten daher von einem Recht der Grundstückseigentümerin Gebrauch, wenn die Löschung der gesamten Höchstbetragshypothek begehrt wurde. Es kommt nicht darauf an, ob die Liegenschaftseigentümerin aufgrund der oben wiedergegebenen Vorgangsweise (Antrag auf Löschung, in Rechtskraft erwachsener Grundbuchsbeschluß) Vorteile (Rechte) erlangt hat, sondern ob sie bzw der Beklagte zum Zeitpunkt der Antragstellung berechtigt waren, den Antrag auf Löschung der gesamten Höchstbetragshypothek zu begehren. § 1305 ABGB gilt nämlich nur für materiellrechtliche Ansprüche, die Inanspruchnahme verfahrensrechtlicher Möglichkeiten ist nicht schlechthin ein Rechtfertigungsgrund (JBl 1987, 102).

Richtig ist, daß der Beklagte zur klagenden Partei in keinem Vertragsverhältnis stand. § 1295 ABGB berechtigt aber jedermann, von dem Beschädiger Ersatz des Schadens zu verlangen, welchen dieser ihm aus Verschulden zugefügt hat, wobei es gleichgültig ist, ob der Schädiger im eigenen Namen oder im Namen und als Bevollmächtigter eines anderen gehandelt hat. Auch ein Vertreter oder Bevollmächtigter wird dann, wenn er die Widerrechtlichkeit seines Handelns einsehen konnte, dem Beschädigten unmittelbar schadenersatzpflichtig. Ob der Beklagte als Bevollmächtigter der Grundstückseigentümerin gehandelt hat, ist für die rechtliche Beurteilung des geltend gemachten Schadenersatzanspruches daher ohne Bedeutung. Die Ansicht des Revisionswerbers, ein Bevollmächtigungsverhältnis schließe die Haftung des Machthabers aus seinem schuldhaft rechtswidrigen Verhalten dem geschädigten Dritten gegenüber aus, ist rechtsirrig (SZ 56/135; SZ 28/23). Rechtswidrig war das Verhalten des Beklagten deshalb, weil er in ein absolutes Recht der klagenden Partei (deren Pfandrecht an der Liegenschaft) eingegriffen hat, und ist der Schädiger, der in absolute Rechte eingreift, auch für die weiteren darauf zurückzuführenden Vermögensnachteile ersatzpflichtig (JBl 1992, 323).

Der Revisionswerber ist darauf zu verweisen, daß Rechtsanwälte dann, wenn und insoweit sie bei der Errichtung und Abwicklung von Verträgen für zwei Vertragsparteien tätig werden (dem ist der Fall der Verbücherung einer Löschungserklärung gleichzuhalten), auch die Interessen beider Teile wahrzunehmen haben, selbst wenn sie nur Bevollmächtigte eines Teiles sind. Die Haftung gründet sich dabei auf § 1299 ABGB. Auch der die Löschungserklärung abgebende Teil muß darauf vertrauen können, daß der von seinem Vertragspartner beauftragte Rechtsanwalt im besonderen Maße darauf bedacht sein werde, ihn vor Nachteilen zu schützen und für seine rechtliche und tatsächliche Sicherheit zu sorgen. Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß die Unterfertigung einer Grundbuchseingabe, ohne deren Inhalt zu überprüfen, einen Mangel an der von einem Rechtsanwalt anzuwendenden Aufmerksamkeit darstellt, den der Beklagte nach § 1299 ABGB zu vertreten hat (SZ 43/221; JBl 1970, 621; AnwBl 1973, 35; 4 Ob 543/87; 3 Ob 595/79; AnwBl 1990, 455; vgl RZ 1992/52). Die Übergabe der Löschungserklärung an die Liegenschaftseigentümerin enthielt auch ohne ausdrückliche Vereinbarung die Nebenverpflichtung, die klagende Partei bei der Löschung des Pfandrechtes vor jedem Schaden zu bewahren (SZ 51/97), begründet doch jedes Schuldverhältnis neben den Hauptleistungspflichten auch Pflichten zur wechselseitigen Rücksichtnahme, kurz die Verpflichtung zu einem Verhalten, wie es unter redlich und loyal denkenden Geschäftspartnern erwartet werden kann (JBl 1987, 102). Demgemäß hatte die Liegenschaftseigentümerin zweifelsohne die Verpflichtung, die Löschung des Höchstbetragspfandrechtes nur im Sinne der Löschungserklärung der Rechtsvorgängerin der klagenden Partei vorzunehmen bzw vornehmen zu lassen. Sie selbst hat den Feststellungen nach dem Beklagten auch keinen darüber hinausgehenden Auftrag erteilt. Wenn nun der Beklagte - wenn auch irrtümlich - die Löschung des gesamten Höchstbetragspfandrechtes erwirkte, hat er im Widerspruch zu der die Liegenschaftseigentümerin treffenden Verpflichtung (Bedachtnahme auf die Rechte der Rechtsvorgängerin der klagenden Partei) fahrlässig - also schuldhaft - eine Handlung gesetzt, die ihn schadenersatzpflichtig macht. Als Bevollmächtigter der Liegenschaftseigentümerin hatte er die diese treffende Verpflichtung zu beachten; schließlich ist er auch über den ihn erteilten Auftrag hinausgegangen.

Mit dem Verlust der der klagenden Partei ursprünglich zugestandenen pfandrechtlichen Sicherheit ist ihr ein von den Vorinstanzen der Höhe nach festgestellter Schaden entstanden (vgl. JBl 1994, 753). Dieser Schaden wurde vom Beklagten rechtswidrig und schuldhaft herbeigeführt. Die von den Vorinstanzen vorgenommene Verschuldensaufteilung ist unbedenklich, weil das den Schaden einleitende Verhalten des Beklagten keineswegs geringer wiegt als der Umstand, daß die klagende Partei aus Unachtsamkeit die Erhebung eines Rekurses gegen den Beschluß, mit dem die Löschung ihres Höchstbetragspfandrechtes zur Gänze verfügt wurde, unterlassen hat.

Der Revision ist nicht Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Stichworte