Spruch:
Auch der Vertreter oder Bevollmächtigte, der durch sein Handeln im Auftrag des Vertretenen einem Dritten schuldhafterweise einen Schaden zufügt, ist dem Beschädigten gegenüber schadenersatzpflichtig.
Entscheidung vom 26. Jänner 1955, 3 Ob 40/55.
I. Instanz: Bezirksgericht Hermagor; II. Instanz: Landesgericht Klagenfurt.
Text
Der Kläger, der Eigentümer der Liegenschaft EZ. 249 Katastralgemeinde W. ist, zu der die Waldgrundstücke Nr. 1216 und 1217 gehören, begehrt die Verurteilung des Beklagten zur Bezahlung eines Betrages von 2800 S aus dem Titel des Schadenersatzes mit der Begründung, daß der Beklagte auf den dem Kläger gehörigen Waldgrundstücken fünf Fichtenstämme im Gesamtumfange von 8 m3 geschlägert habe, deren Wert 2800 S betrage, obwohl er vorher bei anderen Schlägerungen auf den dem Kläger gehörigen Waldgrundstücken von letzterem beanständet worden war.
Das Prozeßgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, daß der Beklagte lediglich Bevollmächtigter seines Vaters Jakob S. gewesen sei und daß den dem Kläger erwachsenen Schaden nur der Vollmachtgeber, nicht aber der Bevollmächtigte zu vertreten habe, zumal der Erlös der Stämme vom Beklagten nur namens des Jakob S. von den Käufern der Stämme einkassiert worden sei. Im übrigen sei ein Verschulden des Beklagten nicht behauptet und bewiesen worden.
Das Berufungsgericht hob das Urteil des Prozeßgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Prozeßgericht zurück. Es verwies darauf, daß der Kläger seinen Anspruch auf ein schuldhaftes rechtswidriges Verhalten des Beklagten stütze, der sich anläßlich der Holzschlägerung bei Auszeichnung der Besitzgrenze derart unachtsam verhalten habe, daß es zu Überschlägerungen wegen unrichtiger Grenzauszeichnungen gekommen sei. In diesem Vorbringen liege die Behauptung, daß der Beklagte bei der Ausübung von Verwaltungsmaßnahmen auf dem Besitz des Jakob S. jenes Maß von Aufmerksamkeit habe vermissen lassen, das zur unrichtigen Angabe der Grenzen und zu Überschlägerungen geführt habe (gemeint offenbar "welches notwendig gewesen wäre, um unrichtige Angaben der Grenzen und Überschlägerungen zu verhindern"). Das Berufungsgericht war auch der Ansicht, daß es nicht darauf ankomme, ob der Machtgeber zum Schadenersatz verpflichtet sei, sondern lediglich darauf, ob ein schuldhaftes Verhalten des Beklagten gegenüber dem Kläger vorliege, da nach § 1295 ABGB. der Beschädiger für den durch sein Verschulden entstandenen Schaden jedem Dritten ersatzpflichtig sei. Da der geltend gemachte Schadenersatzanspruch vom Erstgericht nicht geprüft worden sei, sei das Verfahren mangelhaft geblieben.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Rekurs macht geltend, der Kläger habe die Klage gegen den Beklagten als den Besitzer vulgo Z. eingebracht und in der Klage behauptet, daß der Beklagte Eigentümer einer landwirtschaftlichen Liegenschaft sei, zu der die Waldgrundstücke 1216 und 1217 der Katastralgemeinde W. gehören. Der Beklagte sei aber im Zeitpunkt der Schlägerung nur Vollmachtträger seines Vaters Jakob S., des Besitzers vulgo Z. und Eigentümers der erwähnten Waldgrundstücke, gewesen, weshalb der Kläger die Klage gegen den Vollmachtgeber hätte richten müssen. Da der Beklagte nur im Vollmachtsnamen seines Vaters gehandelt habe, sei nur letzterer schadenersatzpflichtig.
Zunächst ist die Behauptung des Rekurses unrichtig, die Klage sei gegen den Eigentümer der Grundstücke 1216 und 1217 gerichtet und es werde in der Klage das Verschulden des Eigentümers dieser Grundstücke behauptet. Die Klage richtet sich gegen den Beklagten Friedrich S., und es wird in dieser behauptet - und dies wurde auch vom Erstgericht als erwiesen angenommen -, daß der Beklagte die Bäume, die zu fällen und den Käufern derselben zu übergeben waren, beziehungsweise die Grenze der Waldgrundstücke ausgezeigt habe; daraus ergibt sich, daß der dem Kläger entstandene Schaden vom Beklagten verursacht wurde; durch die Klagsbehauptung, daß der Beklagte schon bei einer früheren Schlägerung vom Kläger auf die Unzulässigkeit der Schlägerung von Stämmen in den Waldgrundstücken des Klägers aufmerksam gemacht wurde, ist auch ein Verschulden des Beklagten, der vom Kläger auf die Grenzen seines Besitzes aufmerksam gemacht wurde und dennoch die Fällung von Bäumen innerhalb der Grundstücke des Klägers veranlaßt habe, behauptet worden. Es ist also gar nicht richtig, daß der Kläger den Eigentümer der Grundstücke 1216 und 1217 in Anspruch nimmt; vielmehr begehrt der Kläger Schadenersatz vom Beklagten als demjenigen, der durch die unrichtige Auszeichnung der Grenzen den entstandenen Schaden fahrlässig veranlaßt hat. Ob der Beklagte als Bevollmächtigter seines Vaters gehandelt hat, ist für die rechtliche Beurteilung des geltend gemachten Schadenersatzanspruches ohne Bedeutung; denn § 1295 ABGB. berechtigt jedermann, von dem Beschädiger Ersatz des Schadens zu verlangen, welchen dieser ihm aus Verschulden zugefügt hat, wobei es gleichgültig ist, ob der Schädiger im eigenen Namen oder im Namen und als Bevollmächtigter eines anderen gehandelt hat. Auch ein Vertreter oder Bevollmächtigter wird dann, wenn er die Widerrechtlichkeit seines Handelns einsehen konnte, dem Beschädigten unmittelbar schadenersatzpflichtig (1 Ob 624/52). Die Ansicht des Rekurswerbers, daß ein Bevollmächtigungsverhältnis die Haftung des Machthabers aus seinem schuldhaft rechtswidrigen Verhalten dem geschädigten Dritten gegenüber ausschließe, ist völlig rechtsirrig und entbehrt jeder gesetzlichen Grundlage, desgleichen auch die Annahme, daß der Bevollmächtigte, der einem Dritten einen Schaden zufügt, nur bei Arglist diesem Dritten gegenüber hafte. Es handelt sich nicht um eine Haftung aus einem Vertrag, sondern um eine solche aus einem deliktischen Verhalten des Schädigers, also des Beklagten.
Was schließlich die Ausführungen des Rekurses anlangt, die Meinung des Berufungsgerichtes, § 1409 ABGB. gelte auch für Schadenersatzforderungen, sei unrichtig, so gehen diese Ausführungen ins Leere, da das Berufungsgericht in seinem Aufhebungsbeschluß, der allein vom Beklagten bekämpft wurde, eine solche Rechtsansicht überhaupt nicht ausgesprochen hat. Soweit sich aber die bezüglichen Ausführungen des Rekurses auf die Entscheidung über die Zulassung der vom Kläger vorgenommenen Klagsänderung (Klagserweiterung) beziehen sollten, sind sie unbeachtlich, weil dieser Beschluß gar nicht bekämpft wurde und im Hinblick auf die Bestimmungen des § 528 ZPO. auch gar nicht bekämpft werden konnte.
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