OGH 5Ob564/94

OGH5Ob564/9413.1.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Herbert T*****, vertreten durch Dr.Erich Heiger, Dr.Helmut Heiger, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Franz H*****, vertreten durch Dr.Rainer Cuscoleca, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 3.November 1992, GZ 48 R 847/92-18, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Hernals vom 29.Mai 1992, GZ 6 C 2203/90i-14, abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen. Der Antrag der beklagten Partei auf Zuspruch von Kosten des Revisionsverfahrens wird abgewiesen.

Text

Begründung

Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung aus dem Grunde des § 30 Abs 2 Z 6 MRG für rechtswirksam und verhielt den Beklagten zur Räumung der aufgekündigten Wohnung.

Das Berufungsgericht hob die Aufkündigung auf und wies das Klagebegehren ab. Die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt, weil von der Rechtsprechung, die ein schutzwürdiges Interesse nur in einem konkreten (dann ständigen) Bedarf in naher Zukunft erblicke, abgegangen worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diese Berufungsentscheidung vom 3.11.1992 (die Akten langten beim Obersten Gerichtshof erst am 14.12.1994 ein) richtet sich die Revision des Klägers, die unzulässig ist.

Die Zulässigkeit der Revision hängt vom Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO ab. Bei Prüfung der Zulässigkeit der Revision ist das Revisionsgericht an den diesbezüglichen Ausspruch des Berufungsgerichtes nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Ist eine ordentliche Revision - wie hier - wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig und daher zurückzuweisen, so kann sich der Oberste Gerichtshof auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 6 MRG setzt einerseits das Fehlen einer regelmäßigen Verwendung zu Wohnzwecken, andererseits den Mangel eines dringenden Wohnbedürfnisses voraus (Würth in Rummel2 § 30 MRG Rz 31 mwN). Im vorliegenden Fall ist unstrittig, daß die aufgekündigte Wohnung nicht regelmäßig zu Wohnzwecken verwendet wird, strittig ist das dringende Wohnbedürfnis des Beklagten. Nach Lehre und Rechtsprechung ist ein dringendes Wohnbedürfnis ("schutzwürdiges Interesse") des Mieters anzunehmen, wenn sein Wohnbedürfnis nicht anderweitig angemessen befriedigt wird oder wenn dies in naher Zukunft mit Sicherheit zu erwarten ist (WoBl 1991, 193/117 ua; Würth aaO Rz 33). Das Vorhandensein eines eigenen Hauses schließt regelmäßig das Wohnbedürfnis für eine zusätzliche Mietwohnung aus (WoBl 1994, 27/3).

Der Beklagte, ein Pensionist, bewohnt allerdings - wenn auch ganz überwiegend - eine nur mit Propangas beschränkt beheizbare "Badehütte" (ein auf Pfählen im Hochwasserabflußgebiet der Donau stehendes Haus mit 36 m2 Wohnfläche und Küche), die im Winter über kein Fließwasser verfügt und bei Hochwasser oder starker Schneelage von der Umwelt abgeschnitten ist.

Das Berufungsgericht hat hiezu die Ansicht vertreten, mangels Winterfestigkeit stelle das Haus keine zur Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses ausreichende Unterkunft dar. Es sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß extrem schlechte Wetterlage, sei es Hochwasser, Schnee oder extreme Kälte, den Beklagten zwingen werde, wenn auch nur an einigen Tagen im Jahr, anderswo als in seiner Badehütte Aufenthalt zu nehmen. Es sei zwar gewiß, daß solche Umstände eintreten würden, es könne aber nicht abgeschätzt werden, wann sie eintreten und wie lange sie anhalten würden. Es komme zwar selten zu wochenlang andauernden Hochwasserperioden; daß es in Hinkunft aber nicht doch zu länger anhaltenden starken Kältewellen oder zu einem schneereichen Winter komme, liege keineswegs außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit. Derartige Schlechtwetterperioden könnten ohne weiteres einige Wochen lang anhalten. Dem Beklagten ein schutzwürdiges Interesse abzusprechen, hieße nun, ihm nahezulegen, während der nächsten Schlechtwetterperiode ins Hotel zu ziehen. Eine solche Argumentation stelle aber eine ungerechtfertigte Härte dar. Daß es der Beklagte, trotz all der damit verbundenen Unbequemlichkeiten, wie Wasser aus Wien mitzubringen (oder vom Wirt zu holen) etc, vorziehe, auch die kalte Jahreszeit überwiegend in seiner Badehütte zu verbringen, solle ihm nicht soweit zum Nachteil gereichen, daß ihm das schutzwürdige Interesse gänzlich abgesprochen werde.

Die Auffassung des Berufungsgerichtes läuft somit auf die Verneinung der anderweitigen angemessenen Befriedigung des Wohnbedürfnisses hinaus. Ob dies zutrifft, ist von den besonderen Umständen des Einzelfalles abhängig. Betrachtet man die hier gegebenen Umstände (unter anderem auch das fortgeschrittene Alter des Beklagten), so hat das Berufungsgericht mit seiner Ansicht den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum nicht überschritten. Ein Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung, in der ebenfalls schon unter anderem darauf abgestellt wurde, ob das Wohnbedürfnis anderweitig angemessen befriedigt wird, liegt nicht vor. Vielmehr handelt es sich um eine Frage des Einzelfalles, der eine über den Rechtsstreit hinausgehende Bedeutung nicht zukommt.

Die Revision des Klägers war daher - ungeachtet des Zulässigkeitsausspruches des Berufungsgerichtes - mangels Vorliegens der in § 502 Abs 1 ZPO normierten Voraussetzungen als unzulässig zurückzuweisen.

Der Antrag des Beklagten auf Zuspruch von Kosten des Revisionsverfahrens war abzuweisen, weil in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen wurde.

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