OGH 6Ob666/94

OGH6Ob666/9412.1.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Redl, Dr.Schwarz, Dr.Schiemer und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) Gertrude H*****; 2) Prof.Dr.Fritz S*****; 3) Dr.Margit B*****; 4) Prof.Mag.Irmgard S*****; 5) Hilke Z*****; 6) Ing.Olaf N*****; 7) Mag.Elisabeth S*****; 8) Friederike M***** und 9) Werner M*****; 10) Fritz F*****, alle vertreten durch Dr.Peter Schnabl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Anna K*****, vertreten durch Rechtsanwaltspartnerschaft Waneck & Kunze in Wien, wegen Beseitigung einer baulichen Veränderung im Mietgegenstand (Reststreitwert: 25.000 S), infolge Rekurses der klagenden Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 3.August 1993, AZ 48 R 639/93 (ON 14), womit aus Anlaß des Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 27.Mai 1993, GZ 6 C 1371/92m-12, das Verfahren als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben; die Rechtssache wird zur Durchführung des gesetzmäßigen Verfahrens über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluß ON 12 und zur Entscheidung unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund an das Rekursgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Kläger sind Miteigentümer des Hauses in W*****.

Die Beklagte ist aufgrund des Mietvertrages vom 26.11.1981 die Mieterin des im Erdgeschoß dieses Hauses gelegenen Geschäftslokals samt zugehörigem Gang-WC. Sie hat im Geschäftslokal eine Zwischenwand errichten und im WC ein zweites Loch zur Kanalanlage öffnen lassen.

Der erste Satz des § 5 Z 2 des Mietvertrages lautet wie folgt:

"Bauliche Veränderungen innerhalb des Bestandgegenstandes oder an der Außenseite dürfen nur mit Bewilligung des Vermieters erfolgen".

Unter Berufung auf diese vertraglich übernommene Verpflichtung der Beklagten, welcher sie zuwidergehandelt habe (ON 1 und 3 S 13) begehrten die Kläger zunächst, die Beklagte schuldig zu erkennen, a) die errichtete Zwischenwand durch Abtragung bis auf das Bodenniveau zu entfernen, und b) das zweite, geöffnete WC-Loch zur Kanalanlage zu schließen.

Die Beklagte verwies demgegenüber (ua) darauf, daß sie bei der Schlichtungsstelle ein Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 6 MRG anhängig gemacht habe und stellte den Antrag, den Rechtsstreit gemäß § 41 MRG zu unterbrechen (ON 2).

Mit Beschluß vom 10.9.1992 sprach das Erstgericht im Hinblick auf das zu SL 4822/92 der Schlichtungsstelle MBA 12 von der Beklagten anhängig gemachte Verfahren die Unterbrechung des Rechtsstreites aus (ON 8).

Am 21.1.1993 beantragten die Kläger die Fortsetzung des Verfahrens über den Rechtsstreit, weil die Beklagte den Antrag betreffend die Zwischenwand im Verfahren vor der Schlichtungsstelle zurückgezogen habe und in Ansehung des zweiten WC-Loches eine Bestätigung gemäß § 40 Abs 3 MRG ausgestellt worden sei. Da die Mauer inzwischen bereits abgetragen worden sei, schränkten die Kläger zugleich das Beseitigungsbegehren zu lit a) auf Kostenersatz ein (ON 11 S 29).

Mit Beschluß vom 27.5.1993 erklärte das Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens in Ansehung des auf Kostenersatz eingeschränkten Begehrens zu lit a) und wies den Fortsetzungsantrag hinsichtlich des zu lit b) gestellten Beseitigungsbegehrens ab (ON 12).

Aus Anlaß des Rekurses der Beklagten hob das Rekursgericht den Beschluß des Erstgerichtes sowie das gesamte erstgerichtliche Verfahren als nichtig auf und wies die Klage zurück. Die Kläger hätten sich nur allgemein auf die mietvertragliche Rechtsbeziehung zwischen ihnen und der Beklagten berufen, aber keine besondere vertragliche Vereinbarung dargetan, aufgrund deren der Beklagten die in Rede stehenden baulichen Veränderungen untersagt wären. Deren Zulässigkeit sei daher ausschließlich nach § 9 MRG zu beurteilen, wofür aber nicht der streitige Rechtsweg offen stehe, seien doch diese Angelegenheiten gemäß § 37 Abs 1 Z 6 MRG dem außerstreitigen Verfahren zugewiesen.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene, vom Rekursgericht dem Obersten Gerichtshof erst am 6.12.1994 vorgelegte Rekurs der Kläger ist in Analogie zu § 519 Abs 1 Z 1 ZPO ohne Rücksicht auf die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 528 ZPO zulässig, weil das Rekursgericht die Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen hat (Fasching, Zivilprozeßrecht2 Rz 2015/1; Kodek in Rechberger, ZPO Rz 3 letzter Absatz zu § 519 und die dort angeführte Rechtsprechung; WoBl 1991/113); er ist auch berechtigt.

Zunächst muß geprüft werden ob das Rekursgericht aus Anlaß des Rekurses gegen die Fortsetzung des Verfahrens in Ansehung des auf Kostenersatz eingeschränkten Beseitigungsbegehrens zu lit a) zur amtswegigen Zurückweisung der Klage überhaupt befugt war. Die Beseitigung einer Nichtigkeit von Amts wegen hat zur Voraussetzung, daß das Rechtsmittelgericht aus Anlaß eines formell zulässigen Rechtsmittels überhaupt in die Lage kommt, in die Überprüfung der Sache selbst einzutreten (SZ 57/13; WoBl 1991/113); dies trifft aber zumindest im vorliegenden Rekursverfahren über einen die Fortsetzung des Verfahrens anordnenden, also insoweit die Unterbrechung verweigernden Beschluß zu, obwohl letztere - anders als nach § 190 ZPO - gemäß § 41 MRG zwingend vorgesehen ist (Fucik in Rechberger, ZPO Rz 2 zu § 192; RZ 1987/33 = MietSlg 38.577/33), hängt doch hier die Entscheidung über beide Beseitigungsbegehren der Kläger - jedenfalls seit der Einschränkung des einen Begehrens auf Kosten - untrennbar von einer Vorfrage ab, über die - noch immer - ein Verfahren nach § 37 MRG bei der Schlichtungsstelle anhängig ist. Im Hinblick auf den zulässigen Rekurs unterlag daher auch das bisherige Klagebegehren zu lit a) und das unterbrochene Verfahren selbst einer sachlichen Prüfung des Rekursgerichtes (WoBl 1991/113). Das gilt allerdings nicht für das Klagebegehren zu lit b) und das diesbezügliche Verfahren, standen diese doch zufolge der Rechtskraft des die Fortsetzung des Verfahrens verweigernden Beschlusses des Erstgerichtes gar nicht mehr zur Disposition des Rekursgerichtes. Im übrigen beruht auch die sachliche Prüfung des Rekursgerichtes auf einer aktenwidrigen Annahme:

Auszugehen ist davon, daß die für "Veränderung (Verbesserung) des Mietgegenstandes (§ 9)" normierte Verweisung in das außerstreitige Verfahren (§ 37 Abs 1 Z 6 MRG) auch für Ansprüche des Vermieters auf Unterlassung oder Wiederherstellung des bisherigen Zustandes (Beseitigung) gilt, wenn der Mieter Veränderungen (Verbesserungen), die nach § 9 MRG der Zustimmung des Vermieters bedürfen, ohne dessen Zustimmung in Angriff nimmt, durchführt oder bereits vorgenommen hat (Würth in Rummel, ABGB2 Rz 1 zu § 9 MRG; Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht19 Rz 3 zu § 9 MRG; MietSlg 38.520, 38.521/13; WoBl 1991/67 = RZ 1991/42 = MietSlg 42.210). Diesbezügliche, auf Vereinbarungen gestützte Ansprüche sind hingegen im Rechtsweg durchzusetzen (Würth aaO; Würth/Zingher aaO; WoBl 1991/67; WoBl 1992/25 jeweils mwN). Für die Beurteilung, ob über die konkret geltend gemachten Ansprüche im außerstreitigen Verfahren oder im Rechtsweg zu entscheiden ist, sind ausschließlich der Inhalt des Entscheidungsbegehrens und das Sachvorbringen des Klägers (Antragstellers) maßgeblich (Würth/Zingher aaO Rz 3 zu § 37 MRG und die dort angeführte Rechtsprechung; zuletzt etwa 8 Ob 615/91; 7 Ob 613/93).

Danach haben aber die Kläger im vorliegenden Fall entgegen der Meinung des Rekursgerichtes ihre Ansprüche auf Beseitigung der von der Beklagten am Mietgegenstand bereits vorgenommenen baulichen Veränderungen nicht auf das Gesetz (§ 9 MRG) gestützt, sondern auf ein Zuwiderhandeln der Beklagten gegen eine konkrete Klausel des Mietvertrages, welche dem Mieter bauliche Veränderungen des Mietgegenstandes ohne Rücksicht darauf, ob sie dessen Erhaltung oder Verbesserung dienen und wesentlich sind, nur dann gestattet, wenn sie der Vermieter bewilligt hat.

Über das vorliegende Klagebegehren ist demnach im streitigen Rechtsweg zu entscheiden.

Bei dieser Sachlage war der angefochtene Beschluß aufzuheben und dem Rekursgericht eine Sachentscheidung aufzutragen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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