OGH 7Ob613/93

OGH7Ob613/9310.11.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.Ing.Günther K*****, vertreten durch Dr.Wolfgang Lenneis, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Zbigniew K*****, vertreten durch Dr.Hans Wagner, Rechtsanwalt in Wien wegen Wiederherstellung (Streitwert S 60.000,-- s.A.), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 20. Juli 1993, GZ 48 R 516/93-13, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Favoriten vom 20.Februar 1993, GZ 7 C 4019/92z-9, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.623,04 (darin S 603,84 Umsatzsteuer) bestimmten Rekurskosten und die mit S 4.348,40 (darin S 724,80 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der klagende Eigentümer des Hauses Zur Spinnerin 50 in Wien 10 begehrt vom beklagten Mieter der Wohnungen top.7 und 8, ihm das (in einem beigelegten Plan grün eingezeichnete) an dessen Wohnung angrenzende Gang-WC innerhalb eines Monates zurückzugeben (d.h. dessen Benützung zu unterlassen) und im Zusammenhang damit an der im Plan rot bezeichneten Stelle die vermauerte Türöffnung wiederherzustellen, dort wieder eine WC-Tür einzubauen und weiters den Mauerdurchbruch vom WC zur Küche des Bestandobjektes des Beklagten auf eine näher bezeichnete Weise rückgängig zu machen. Der Kläger brachte vor, der Beklagte habe ein nicht zu seinem Bestandobjekt gehörendes Gang-WC eigenmächtig seinem Wohnungsverband dadurch einverleibt, daß er die Tür vom Gang zum WC vermauert und vom WC zu seiner Wohnung einen neuen Mauerdurchbruch geschaffen habe. Dafür habe der Beklagte auch keinerlei Baugenehmigung eingeholt. Dem Beklagten sei bei der Anmietung seiner Wohnung ein ganz anderes Gang-WC in Bestand gegeben worden. Der Beklagte habe das gegenständliche Gang-WC, zu dem er keine Schlüssel besessen habe, aufgebrochen.

Der Beklagte beantragte die Abbweisung der Klage. Bei dem gegenständlichen WC handle es sich um jenes, das der Beklagte stets allein benützt habe. Die frühere Hauseigentümerin habe ihm zu den nunmehr inkriminierten Baumaßnahmen die Zustimmung erteilt. Bei den vom Beklagten durchgeführten Maßnahmen handle es sich um Veränderungen im Sinne des § 9 MRG, diesbezüglich sei bereits ein Schlichtungsstellenverfahren anhängig. Er beantrage daher die Unterbrechung des gegenständlichen Verfahrens gemäß § 41 MRG. Das streitige Verfahren sei unzulässig.

Das Erstgericht sprach aus (§ 40a JN), daß die gegenständliche Rechtssache gemäß § 37 MRG iVm § 9 MRG im außerstreitigen Verfahren zu erledigen sei; es erklärte das bisherige Verfahren für nichtig und wies die Klage wegen Unzulässigkeit des streitigen Rechtsweges zurück. Das Klagebegehren werde darauf gestützt, daß der Beklagte eine wesentliche Veränderung seines Mietgegenstandes durch Einbeziehung eines Gang-WCs in seinen Wohnungsverband vorgenommen habe, ohne diese Veränderung dem Vermieter anzuzeigen. Wiederherstellungsansprüche dieser Art könnten gemäß § 9 MRG nur im außerstreitigen Rechtsweg durchgesetzt werden.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß. Der Wert des Streitgegenstandes übersteige S 50.000,--; der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig. Sowohl aus dem Vorbringen als auch aus dem Urteilsbegehren des Klägers ergebe sich, daß der Beklagte einen Durchbruch von seiner Wohnung zu einem angrenzenden Gang-WC geschaffen habe und durch dessen Einbeziehung eine Erweiterung und unter Umständen eine Standardanhebung seines Bestandobjektes anstrebe. Daß diese Veränderung auch "andere" Teile des Hauses betreffe, ändere nichts an der Einordnung dieser Veränderung unter den Sachverhalt des § 9 MRG.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Klägers ist berechtigt.

Für die Beurteilung, ob das streitige oder außerstreitige Verfahren anzuwenden ist, ist der Inhalt des Entscheidungsbegehrens und das Sachvorbringen des Klägers maßgeblich (zuletzt 8 Ob 615/91). Der Kläger stützt sein Begehren ausdrücklich darauf, daß der Beklagte ein nicht zu seinem Bestandobjekt gehörendes Gang-WC eigenmächtig seinem Wohnungsverband einverleibt habe. Dies hat der Beklagte zwar bestritten, ein Beweisverfahren wurde darüber bislang nicht durchgeführt. Dementsprechend fehlen auch Feststellungen.

§ 9 MRG darf nicht so verstanden werden, daß er auch Veränderungen des Umfangs des Mietgegenstandes abdeckt. Nur in Einzelfällen sind dem Hauptmieter auch Änderungen außerhalb des "eigentlichen" Mietgegenstandes erlaubt, etwa im Fall des § 9 Abs.2 Z 5 MRG; weder im Wortlaut des MRG noch in den Materialien findet sich ein Anhaltspunkt dafür, daß § 9 MRG generell mehr als Veränderungen innerhalb des Mietgegenstandes betreffen sollte. Eine Ausdehnung der dem Hauptmieter zustehenden Rechte auf ein anderes Objekt fällt daher nicht mehr unter § 9 MRG und wäre bei fehlender Zustimmung des Vermieters nur unter den (hier nicht vorliegenden) Voraussetzungen des § 5 MRG durchzusetzen (EvBl 1992/133). Die Beschlüsse der Vorinstanzen entsprechen daher nach der bisherigen Prozeßlage nicht dem Gesetz; sie waren daher aufzuheben, und es war dem Erstgericht die Fortsetzung des gesetzlichen Verfahrens aufzutragen.

Im fortgesetzten Verfahren wird zu klären sein, ob der Beklagte tatsächlich das von ihm gemietete Bestandobjekt durch eigenmächtige Einverleibung eines Gang-WC vergrößert hat. Erst wenn dies geklärt ist, wird beurteilt werden können, ob der Beklagte eine Veränderung seines Mietgegenstandes anstrebt und unzulässigerweise eine Erweiterung seiner Bestandrechte durchzusetzen versucht (EvBl. 1992/133; SZ 63/14). Bemerkt sei, daß auch vertraglich zugesicherte Ansprüche vom Mieter im Rechtsweg durchzusetzen sind (MietSlg XXXVIII/13, RZ 1991/42).

Dem Revisionsrekurs war daher Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO. Der Beklagte ist gegenüber dem Kläger in einem um die Zuständigkeit geführten Zwischenstreit unterlegen.

Stichworte