OGH 15Os186/94

OGH15Os186/942.1.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 2.Jänner 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Strieder und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Kahofer als Schriftführerin, in der beim Landesgericht für Strafsachen Wien zum AZ 5 a Vr 16.430/93 anhängigen Strafsache gegen Rudolf N***** und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 und Abs 2 StGB über die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten Manfred M***** gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 24. November 1994, AZ 25 Bs 511/94, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Durch den angefochtenen Beschluß wurde Manfred M***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 25.April 1994, GZ 5 a Vr 16430/93-151, wurde Manfred M*****, der sich nach seiner Auslieferung aus Brasilien seit 5. Dezember 1993 (nach Wegfall der Verdunkelungsgefahr nur mehr) aus dem Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 180 Abs 2 Z 1 StPO) in Untersuchungshaft befindet, des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 und Abs 2 StGB als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB schuldig erkannt und nach § 302 Abs 2 StGB sowie unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil eines brasilianischen Amtsgerichtes vom 7.August 1992 (mit dem über M***** wegen Rauschgiftbesitzes eine einjährige Freiheitsstrafe verhängt wurde) zu einer zusätzlichen Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, auf die eine vom 1.Juni 1992 bis 12.Februar 1993 in Brasilien (offenbar nur teilweise) verbüßte Freiheitsstrafe sowie die vom 12.März 1993 bis 25.April 1994 in Auslieferungs- und Untersuchungshaft zugebrachte Zeit angerechnet wurde.

Inhaltlich des (zusammengefaßt wiedergegebenen) erstgerichtlichen Urteilsspruchs hat Manfred M***** Anfang Jänner 1992 in Wien und Hamburg zum Verbrechen des Mißbrauchs der Amtsgewalt des Rudolf N*****, der am 13.Jänner 1992 in Wien als Offizial der Post- und Telegraphenverwaltung mit dem Vorsatz, den Staat und die Absender sowie die Empfänger in ihrem Recht auf Zustellung von Postsendungen zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich mißbrauchte, daß er sich die von ihm zuzustellenden Postsendungen mit einem Gesamtinhalt von 14,677.027 S in verschiedenen Fremdwährungen zueignete und die ordnungsgemäße Zustellung unterließ, beigetragen, indem er ihn intellektuell unterstützte, die Tat gemeinsam mit ihm plante und die Flucht organisierte.

Die dagegen vom Angeklagten erhobene Nichtigkeitsbeschwerde wurde vom Obersten Gerichtshof bereits mit Beschluß vom 17.November 1994, GZ 15 Os 140/94-9, zurückgewiesen und die Akten zur Entscheidung über die Berufung dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet, das darüber voraussichtlich am 12.Jänner 1995 zu 26 Bs 586/94 entscheiden wird.

Mit dem angefochtenen Beschluß, AZ 25 Bs 511/94, gab es einer Beschwerde des Manfred M***** gegen den einen Enthaftungsantrag in der Haftverhandlung am 4.Oktober 1994 durch den Vorsitzenden des Schöffengerichtes abweisenden und die Fortsetzung der Untersuchungshaft wegen Fluchtgefahr anordnenden Beschluß nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

In der dagegen (fristgerecht) erhobenen Grundrechtsbeschwerde macht der Beschwerdeführer als Verletzung des Grundrechtes auf persönliche Freiheit geltend (§ 3 Abs 1 GRBG), daß der Gerichtshof zweiter Instanz bei Prüfung der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Haft keine ausreichenden Erhebungen hinsichtlich des Vorliegens des § 46 StGB (insbesondere über die Führung und die persönliche Entwicklung des Beschwerdeführers während der Haft) vorgenommen und die Voraussetzungen des § 46 StGB falsch beurteilt, demzufolge die Untersuchungshaft aufrecht erhalten habe, obwohl die Dauer der Haft unverhältnismäßig geworden sei.

Die Beschwerde ist nicht im Recht.

Im vorliegenden Fall übersteigt die bisherige Dauer der Untersuchungshaft - bezogen auf den Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung - bereits die Hälfte der vom Erstgericht (unbedingt) verhängten Freiheitsstrafe, weshalb das Oberlandesgericht bei Fortsetzung der Untersuchungshaft während des anhängigen Rechtsmittelverfahrens im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch die Möglichkeit einer bedingten Entlassung des Beschwerdeführers gemäß § 265 Abs 1 StPO in Verbindung mit § 46 StGB miteinbezog. Zutreffend gelangte es aber auch unter diesem Blickwinkel zum Ergebnis, daß fallbezogen sowohl spezialpräventive (durch Rauschgift beschwertes Vorleben, präzise Planung des urteilsgegenständlichen Verbrechens, manifestierte intesive kriminelle Neigung) als auch (der Beschwerde zuwider den spezialpräventiven Erwägungen gleichrangige - vgl Leukauf/Steininger Komm3 § 46 RN 8; 13 Os 85,86/92 -) generalpräventive Belange (Schadenshöhe) der bedingten Entlassung des Manfred M***** zum frühestmöglichen Termin entgegenstehen, weil die hiefür erforderliche positive Verhaltensprognose (noch) nicht erstellt werden konnte.

Im übrigen scheint der Beschwerdeführer zu verkennen, daß der Gerichtshof zweiter Instanz als Beschwerdegericht (ebenso wie als Berufungsgericht - vgl Mayerhofer/Rieder StPO3 § 265 E 3 -) nicht verhalten ist, Erhebungen (der vom Beschwerdeführer angestrebten Art) über das tatsächliche Vorliegen der Voraussetzungen des § 46 StGB zu pflegen und seine bedingte Entlassung zu beschließen. Vielmehr hat es, soferne es der Ansicht ist, daß die Untersuchungshaft unter diesem Aspekt unverhältnismäßig geworden ist, bloß der Beschwerde Folge zu geben und den angefochtenen (Fortsetzungs-)Beschluß aufzuheben. Die Prüfung und Entscheidung über eine allfällige bedingte Entlassung obliegt nicht dem Rechtsmittelgericht, sondern auch in diesem Fall nach Rechtskraft des Urteiles und sobald der Verurteilte die Strafe angetreten hat, gemäß § 16 Abs 2 Z 12 StVG ausschließlich dem Vollzugsgericht (vgl Mayerhofer/Rieder aaO E 1 a).

Da sohin Manfred M***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt ist, war seine Beschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.

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