OGH 14Os168/94

OGH14Os168/9413.12.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 13.Dezember 1994 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer, Dr.Ebner, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Mandl als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Robert S***** wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 erster Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 19.Mai 1994, GZ 8 a Vr 1.039/94-12, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Dr.Bierlein, des Angeklagten und des Verteidigers Dr.Heufler zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Robert S***** des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 (erster Fall) StGB (1.) und des Vergehens des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 (erster Fall) StGB (2.) schuldig erkannt.

Darnach hat er ab Jahresbeginn 1993 bis spätestens 11.Oktober 1993 in Wien in zumindest vier Angriffen seine am 12.Oktober 1979 geborene unmündige (leibliche) Tochter Angela K***** auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht, indem er ihr jeweils auf den Geschlechtsteil griff.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer nominell auf die Z 4, 5, 5 a, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gegründeten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Durch die - dem Beschwerdevorbringen zuwider ohnehin mit formellem Zwischenerkenntnis ausgesprochene (S 56, 57) - Abweisung der Anträge auf zeugenschaftliche Vernehmung der Selma S***** und der Jana K***** zum Beweis dafür, daß die Anschuldigungen der tatbetroffenen Angela K***** gegen ihren Vater auf einen "Retorsionsakt" zurückzuführen seien (S 56 iVm ON 7), sowie der Gertraude K*****, daß diese die "zugegebenermaßen etwas ungewöhnlichen Züchtigungsmaßnahmen" des Angeklagten kannte und billigte (S 56), wurden Verteidigungsrechte des Angeklagten (Z 4) nicht verletzt. Denn die allein maßgebliche Frage, ob er bei den (von ihm zugestandenen - S 19 f, 54, 55) Körperkontakten mit einem auf Mißbrauch zur Unzucht gerichteten Vorsatz gehandelt hat, wird vom Beweggrund des Tatopfers zur Offenbarung derselben ebensowenig berührt, wie vom Umstand, ob die Kindesmutter darüber informiert war und das Verhalten möglicherweise sogar gebilligt hat.

Soweit der Beschwerdeführer aber das Unterbleiben einer Einvernahme der Angela K***** rügt, fehlt ihm mangels eines darauf abzielenden eigenen Antrages in der Hauptverhandlung dazu schon die formelle Beschwerdelegitimation; der diesbezüglich allein vom Staatsanwalt gestellte Beweisantrag (S 56 iVm S 25) könnte für den Angeklagten nur im (hier nicht gegebenen) Fall einer Anschlußerklärung in der Hauptverhandlung wirksam sein (Mayerhofer-Rieder StPO3 § 281 Abs 1 Z 4 E 34 f).

Eine Verfahrensrüge hat nämlich - der vom Beschwerdeführer offenbar vertretenen Ansicht zuwider - auch nach der Neufassung des § 281 Abs 1 Z 4 StPO durch das StPÄG 1993 zur Voraussetzung, daß über einen Antrag des Beschwerdeführers nicht erkannt worden oder gegen seinen Antrag oder Widerspruch ein Zwischenerkenntnis gefällt worden ist. Mit der bloßen Behauptung, daß durch die Nichtaufnahme von bestimmten Beweisen Grundsätze des Verfahrens, deren Beobachtung durch grundrechtliche Vorschriften, insbesondere durch Art 6 EMRK oder sonst durch das Wesen eines die Verteidigung sichernden, fairen Verfahrens geboten ist, unrichtig angewendet worden seien, ohne daß dabei konkret auf einen Verfahrensantrag des Beschwerdeführers oder ein darüber ergangenes Zwischenerkenntnis des Gerichtshofes Bezug genommen wird, kann daher dieser Nichtigkeitsgrund nicht dargetan werden (14 Os 86/94).

Das auf Angela K***** bezogene Beschwerdevorbringen geht aber auch unter dem Aspekt des Nichtigkeitsgrundes der Z 5 a des § 281 Abs 1 StPO ins Leere. Davon, daß der Angeklagte den Geschlechtsteil des Mädchens jeweils oberhalb der Kleidung berührte, ist das Erstgericht ohnedies ausgegangen, während der von ihm behauptete (bloße) Züchtigungswillen mit der Annahme eines dabei (auch) auf Mißbrauch zur Unzucht gerichteten Vorsatzes keineswegs unvereinbar ist, denn die Verwirklichung der jeweils ersten Deliktsfälle der Tatbestände der §§ 207 Abs 1 und 212 Abs 1 StGB setzt nach ständiger Rechtsprechung (Leukauf-Steininger Komm3 § 207 RN 12, § 212 RN 21) eine sexuelle Motivation des Täters nicht voraus.

In der Mängelrüge (Z 5) wiederholt der Beschwerdeführer lediglich seine einen Unzuchtsvorsatz leugnende Verantwortung, ohne auf die vom Erstgericht aus dem festgestellten äußeren Geschehen und dessen jeweiliger zeitlicher Distanz zum behaupteten Züchtigungsanlaß denklogisch abgeleiteten Schlußfolgerungen für den subjektiven Bereich einzugehen. Solcherart wird kein formaler Begründungsmangel dargetan, sondern in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung des Schöffengerichtes kritisiert.

Gegen die entscheidende Tatsache eines auf Mißbrauch zur Unzucht gerichteten Vorsatzes des Angeklagten ergeben sich nach Prüfung des - im wesentlichen gleichlautenden - Vorbringens zur Tatsachenrüge (Z 5 a) anhand der Akten für den Obersten Gerichtshof auch keine (erheblichen) Bedenken.

Soweit die Beschwerde weiters mit der Begründung, daß die inkriminierten Vorgänge in der Wohnung des Angeklagten stattgefunden haben und nur von seiner Gattin beobachtet worden seien, die objektive Tatbestandsmäßigkeit der §§ 207 und 212 StGB verneint (sachlich Z 9 lit a), verkennt sie, daß der Begriff der Unzucht als solcher nicht auf deren Wahrnehmbarkeit für dritte Personen abstellt, diese vielmehr nur zur Strafbarkeit nach §§ 208, 218 StGB vorausgesetzt wird.

Auch die (nominell auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a und 10, der Sache nach allein Z 9 lit a StPO) gestützte Rechtsrüge, wonach in Anbetracht der Geringfügigkeit und Flüchtigkeit der jeweiligen Berührungen kein strafrechtlich relevanter Unzuchtsakt vorliege, versagt.

Der geschlechtliche Mißbrauch im Sinne des § 207 Abs 1 StGB (wie auch des § 212 Abs 1 StGB) erfordert einen nicht bloß oberflächlichen sexualbezogenen Kontakt zwischen den zur unmittelbaren Geschlechtsphäre gehörigen Körperpartien des Opfers oder des Täters mit dem Körper des anderen, wobei es nicht nur auf die zeitliche Dauer der Berührung, sondern auch auf deren Intensität, Präzision und Zielsicherheit ankommt (vgl Leukauf-Steininger aaO RN 5; Mayerhofer-Rieder StGB4 E 2 a, jeweils zu § 207; Foregger-Kodek StGB5 § 202 Erl III). Der nach den Urteilsfeststellungen wiederholte - wenngleich jeweils nur kurze und über der Kleidung erfolgte - gezielte körperliche Kontakt mit dem primären Geschlechtsbereich eines (zur Tatzeit) 13-jährigen Mädchens durch "Zwicken" entspricht auch unter dem Blickpunkt des vom Angeklagten ins Treffen geführten "gesellschaftlichen Wandels" in Fragen der Sexualität diesem rechtlichen Erfordernis durchaus (vgl Mayerhofer-Rieder aaO E 6 a, 7 a f).

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach §§ 28 Abs 1, 207 Abs 1 StGB eine für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von sechs Monaten.

Dabei wertete es die Wiederholung der strafbaren Handlungen und das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen als erschwerend; das Tatsachengeständnis und den ordentlichen Lebenswandel hingegen als mildernd.

Dagegen richten sich die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten.

Die Anklagebehörde beantragt die Erhöhung der Freiheitsstrafe und die Ausschaltung des Ausspruches nach § 43 Abs 1 StGB. Der Angeklagte führte seine am 19.Mai 1994 angemeldete Berufung (S 58) in der Folge nicht aus.

Keine der Berufungen ist berechtigt.

Durch das während des gesamten Verfahrens aufrechterhaltene Eingeständnis der dem Urteil zugrundeliegenden Körperkontakte mit seiner unmündigen Tochter hat der Angeklagte nach Lage des Falles - dem Berufungsstandpunkt der Staatsanwaltschaft zuwider - wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen, sodaß der Milderungsgrund nach § 34 Z 17 StGB - im Ergebnis - zu Recht angenommen wurde.

Das Erstgericht würdigte die somit im wesentlichen richtig festgestellten Strafzumessungsgründe - auf der Basis des maßgebenden Urteilssachverhaltes (US 4) - aber auch ihrem tatsächlichen Gewicht nach und fand ein tatschuldadäquates Strafausmaß, das in keiner Richtung hin zu einer Abänderung Anlaß bietet.

Der Heranziehung des § 43 Abs 1 StGB stehen - entgegen den nicht näher konkretisierten Berufungsausführungen der Staatsanwaltschaft - weder Erwägungen der Spezial- noch der Generalprävention entgegen.

Mithin war insgesamt wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen.

Die Kostenentscheidung ist in § 390 a StPO begründet.

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