OGH 14Os86/94

OGH14Os86/9428.7.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 28.Juli 1994 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer, Dr.Ebner, Dr.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Krumholz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Peter K* wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 und § 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 8.April 1994, GZ 39 Vr 3.569/93‑236, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1994:0140OS00086.9400000.0728.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

I. Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch laut Punkt 1 des Urteilssatzes und demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung) aufgehoben und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

II. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

III. Mit ihren Berufungen wegen des Ausspruchs über die Strafe werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die zu I getroffene Entscheidung verwiesen.

IV. Zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche ist das Oberlandesgericht Innsbruck berufen.

V. Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Verfahrens über den erfolglos gebliebenen Teil seiner Nichtigkeitsbeschwerde zur Last.

 

 

Gründe:

 

 

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Peter K* des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 und § 15 StGB schuldig erkannt und zu zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, wovon ein Teil von 16 Monaten für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde (§ 43 a Abs 3 StGB). Der Privatbeteiligten L* GmbH wurde ein Teilbetrag von 1,797.000 S zugesprochen.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat Peter K* mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, nachangeführte Personen durch Täuschung über Tatsachen zu einer Handlung verleitet, die diese oder einen anderen am Vermögen schädigte, und zwar:

1. zusammen mit dem abgesondert verfolgten Klaus H* im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter am 7.Juni 1988 in Salzburg den Gerhard P* und Verantwortliche des R* und am 25.Oktober 1988 in Buch den Martin E* durch Täuschung über die alleinige und unumschränkte Verfügungsgewalt über das Pistengerät der Marke "Bombardier Yeti BR 400" mit der Fahrgestellnummer 21 KH 023 jeweils zum Kauf dieses Pistengerätes verleitet, wobei der Schaden zum Nachteil des R* 1 Million S und zum Nachteil des Martin E* ebenfalls 1 Million S beträgt;

2. in der Zeit vom 3.November 1987 bis 10.November 1987 in Innsbruck und Sellrain Verantwortliche der L* Leasing‑Anlagen‑Vermietungs GmbH durch Vortäuschen der Zahlungswilligkeit und ‑fähigkeit als Zeichnungsberechtigter der R* Bergbahnen GmbH & Co KG, obwohl er dies nie war, zu nachfolgenden Handlungen verleitet bzw zu verleiten versucht, welche die L* an ihrem Vermögen in einem 500.000 S übersteigenden Betrag schädigte, und zwar:

a) zum Abschluß des Leasingvertrages Nr. 60.268.010 über die Vermietung von Leski‑System‑Kartenkontrollen und daraus resultierend zu einer Akontozahlung in Höhe von 950.000 S (Schadensbetrag),

b) zum Abschluß des Leasingvertrages Nr. 60.268.020 über die Vermietung eines Pistengerätes und Ausfolgung eines Pistengerätes im Wert von 2,292.000 S (Schadensbetrag),

c) zum Abschluß des Leasingvertrages Nr. 60.268.030 über die Vermietung von ADS‑System‑Kassen im Wert von 947.910 S, wobei diese Tat beim Versuch blieb,

d) zum Abschluß des Leasingvertrages Nr. 60.268.040 über die Vermietung von Büromaschinen im Wert von 609.900 S (Schadensbetrag).

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde (nominell) aus den Gründen der Z 4, 5, 5 a, 9 lit a, 9 lit b und 10 des § 281 Abs 1 StPO. Den Strafausspruch und den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche ficht er mit Berufung an. Gegen den Strafausspruch hat auch die Staatsanwaltschaft berufen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde ist nur teilweise begründet.

Eine Verfahrensrüge hat auch nach der Neufassung des § 281 Abs 1 Z 4 StPO durch das StPÄG 1993 zur Voraussetzung, daß über den Antrag des Beschwerdeführers nicht erkannt worden oder gegen seinen Antrag oder Widerspruch ein Zwischenerkenntnis gefällt worden ist. Mit der bloßen Behauptung, daß Grundsätze des Verfahrens, deren Beobachtung durch grundrechtliche Vorschriften, insbesondere durch Art 6 EMRK oder sonst durch das Wesen eines die Verteidigung sichernden, fairen Verfahrens geboten ist, unrichtig angewendet worden seien, ohne daß dabei konkret auf einen Verfahrensantrag des Beschwerdeführers oder ein darüber ergangenes Zwischenerkenntnis des Gerichtshofes Bezug genommen wird, kann daher dieser Nichtigkeitsgrund nicht dargetan werden.

In der gemäß § 276 a StPO wegen Zeitablaufes neu durchgeführten Hauptverhandlung vom 8.April 1994 hat der Angeklagte Beweisanträge weder gestellt noch solche wiederholt, die auf die nähere Aufklärung des Scheiterns des Konzessionsverfahrens betreffend das Seilbahnprojekt der S* GmbH, deren Geschäftsführer der Angeklagte war, abgezielt hätten. Er hat auch die gemäß § 252 Abs 2 StPO vorgenommene Verlesung der bezüglichen Akten der Obersten Seilbahnbehörde (S 7/VI) nicht zum Anlaß genommen, weitere Beweisanträge zu stellen (S 9/VI). In der Hauptverhandlung vom 1.Oktober 1991 hatte der Angeklagte auch ausreichend Gelegenheit gehabt, die Gründe für das Scheitern dieses Seilbahnprojekts aus seiner Sicht darzustellen (S 37 ff/IV). Schon die Beschwerdebehauptung als solche, er hätte zu dem Fragenkreis nicht Stellung nehmen und keine Beweise anbieten können, entspricht daher nicht der Aktenlage.

Die Verfahrensrüge versagt somit.

Unbegründet ist auch die Mängelrüge (Z 5) in Ansehung des Faktums 2/b (betrügerische Anmietung eines Pistengerätes von der L* GmbH). Im Zusammenhang mit den Feststellungen über das Vorbehaltseigentum der L* GmbH war eine nähere Erörterung des Umstandes, daß der Angeklagte am 25.April 1988 zugunsten dieser GmbH einen Wechsel über einen Betrag von 2,440.465 S akzeptiert hat (US 12), nicht erforderlich. Da der Wechsel nicht eingelöst wurde (US 13), das Eigentum am Pistengerät aber erst bei vollständiger Bezahlung des Kaufpreises auf den Angeklagten übergehen sollte (US 12), bestand kein Anlaß zu solchen Erörterungen, deren Notwendigkeit auch den Beschwerdeausführungen (Z 5) nicht mit der gebotenen Deutlichkeit und Bestimmtheit (§ 285 a Z 2 StPO) entnommen werden kann.

Das hiemit erledigte Vorbringen im Rahmen der Mängelrüge wiederholt der Beschwerdeführer wörtlich auch unter dem Gesichtspunkt des § 281 Abs 1 Z 5 a StPO, vermag aber damit ‑ soweit dies das Faktum 2/b betrifft ‑ keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen zu erwecken.

Die Rechtsrüge, die sich entgegen der Beschwerdeeinleitung nur auf die "Z 9" stützt und sich ihrerseits auf die "zu § 281 Abs 1 Z 5 und 5 a StPO angeführten Gründe" beruft, verfehlt ihre prozeßordnungsgemäße Darstellung, denn sie geht solcherart nicht von den getroffenen Feststellungen des Ersturteils aus und nimmt somit nicht den erforderlichen rechtlichen Vergleich des Urteilssachverhalts mit dem darauf angewendeten Gesetz vor.

Im Recht ist der Beschwerdeführer allerdings, soweit er mit seiner Mängelrüge (Z 5) und gleichlautend auch mit seiner Tatsachenrüge (Z 5 a) in Ansehung des Betruges zum Nachteil des Martin E* (Faktum 1 zweiter Teil) geltend macht, daß das Erstgericht bei der Beurteilung der Verlässlichkeit der Aussage dieses Zeugen jene Verfahrensergebnisse mit Stillschweigen übergangen hat, die in dem mit der vorliegenden Strafsache in engem Zusammenhang stehenden Rechtssache R* GenmbH gegen Martin E* GmbH (AZ 15 Cg 2/89 des Landesgerichtes Innsbruck) in Bezug auf den tataktuellen, für die Frage einer betrügerischen Täuschung maßgeblichen Informationsstand des genannten Zeugen zu einem anderen Ergebnis geführt haben. Schon aus diesem Grund erweist sich das Verfahren als ergänzungsbedürftig.

Dazu kommt, daß das Schöffengericht auch in Ansehung des Betruges zum Nachteil des Gerhard P* bzw der R* GenmbH (Faktum 1 erster Teil) der rechtlichen Problematik des gutgläubigen Eigentumserwerbs nach § 366 Abs 1 HGB keine Beachtung geschenkt hat. Da der Angeklagte das verfahrensgegenständliche Pistengerät ‑ nach der derzeitigen Aktenlage ‑ jeweils als Kaufmann (nämlich als geschäftsführender Gesellschafter der S* GmbH) im Betrieb seines Handelsgewerbes veräußert haben dürfte, wäre die subjektive und objektive Tatseite des Betruges auch unter diesem rechtlichen Aspekt zu untersuchen gewesen. Insoweit liegen daher materiell-rechtliche Feststellungsmängel vor, die die Sache in Ansehung des gesamten Faktenkomplexes 1 noch nicht spruchreif erscheinen lassen (§ 290 Abs 1 StPO).

In diesem Zusammenhang ist ua auch darauf zu verweisen, daß ein Betrug zum Nachteil des R* zudem zur Voraussetzung hätte, daß der Angeklagte zumindest bedingt vorsätzlich davon ausgegangen wäre, Gerhard P* als Kreditnehmer würde seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem den Kauf finanzierenden R* nicht nachkommen. Auch dazu enthält das Urteil keine Feststellungen.

Der Schuldspruch wegen der Faktengruppe 1, damit aber auch der Strafausspruch waren daher aufzuheben und insoweit ein zweiter Rechtsgang anzuordnen (§ 285 e StPO).

Damit sind die beiderseitigen Berufungen wegen des Ausspruchs über die Strafe gegenstandslos.

Über die Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche (die aus dem nunmehr rechtskräftigen Schuldspruch wegen Betruges zum Nachteil der L* GmbH resultieren ‑ Faktum 2/b) wird das Oberlandesgericht Innsbruck zu entscheiden haben, dem die Akten ‑ zweckmäßigerweise erst nach rechtskräftigem Abschluß des zweiten Rechtsganges ‑ vorzulegen sein werden.

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten ist in § 390 a StPO begründet.

 

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte