OGH 11Os167/94

OGH11Os167/9413.12.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Dezember 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Hager, Dr. Schindler, Dr. Mayrhofer und Dr. Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Hobel als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ismet K* wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 1. September 1994, GZ 6 b Vr 6196/94‑36, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1994:0110OS00167.9400000.1213.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

 

Gründe:

 

 

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ismet K* des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG schuldig erkannt, weil er in der Zeit zwischen Ende April 1994 und Ende Mai 1994 in Wien den bestehenden Vorschriften zuwider durch Verkauf von Heroin in einer Größenordnung von ca 100 Gramm an die abgesondert verfolgten Jugendlichen Tufan I*, Burhan T* und zumindest einen Unbekannten, Suchtgift in einer großen Menge in Verkehr gesetzt hat.

Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die auf die Z 3, 5 und 5 a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der jedoch keine Berechtigung zukommt.

Im Rahmen der Verfahrensrüge (Z 3) vermißt der Beschwerdeführer zunächst zu Unrecht eine den Zeugen I* und T* zuteil gewordene Belehrung gemäß § 152 StPO. Nach dem Inhalt des mit Beschluß vom 17. November 1994 ergänzten Hauptverhandlungsprotokolles (ON 35 iVm ON 42) wurde nämlich beiden Zeugen eine entsprechende Belehrung erteilt. Es trifft zwar zu, daß diese Belehrung zunächst in das Hauptverhandlungsprotokoll ON 35 nicht aufgenommen wurde, der Vorsitzende des Schöffensenates hat aber mit dem bezeichneten Beschluß das Hauptverhandlungsprotokoll in diesem Punkt ergänzt (§ 270 Abs 3 StPO), wodurch dem Beschwerdevorbringen insoweit der Boden entzogen ist.

Aber auch in sachlicher Hinsicht ist das Beschwerdevorbringen, der Zeuge T* habe sich im Zuge seiner Aussage mehr belastet als im Rahmen seines Geständnisses, ebensowenig im Recht wie das Argument, auch die Aussage des Zeugen I*, er sei in seinem Verfahren geständig gewesen, mache eine genauere Untersuchung der Selbstbelastungsmöglichkeit notwendig.

Bei einem Zeugen, der sich nach Belehrung iS des § 152 Abs 1 Z 1 StPO unter Hinweis auf sein uneingeschränktes Schuldbekenntnis gar nicht darauf beruft, daß er durch seine Aussage Gefahr liefe, sich im Zusammenhang mit einem gegen ihn geführten Strafverfahren selbst zu belasten, bedarf es nach der besonderen Struktur dieses ausschließlich dem Schutz des Zeugen dienenden Entschlagungsgrundes keiner weiteren Untersuchung, ob eine solche Selbstbelastungsgefahr allenfalls dennoch besteht. Das Gericht ist nicht verpflichtet, die Beweisaussage des Zeugen, der eine solche Gefahr selbst nicht behauptet, mit seiner Einlassung im eigenen Strafverfahren an Hand der Akten insoweit noch einer vergleichenden Überprüfung zu unterziehen. Es kann vielmehr davon ausgehen, daß dem Zeugen der Befreiungsgrund nach dieser Gesetzesstelle nicht zukommt, weswegen ein ausdrücklicher Verzicht (§ 152 Abs 5 StPO) auf das solcherart gar nicht begründete Entschlagungsrecht nicht erforderlich ist. Diese Auffassung entspricht auch dem vom Obersten Gerichtshof bereits in 14 Os 82/94 (NRsp 1994/239, 240) vertretenen Standpunkt, wonach von einem Zeugen, der einen gegen ihn erhobenen Vorwurf als zu Recht bestehend anerkennt, im allgemeinen nicht angenommen werden kann, daß er sich im Umfang seines Geständnisses durch eine wahrheitsgemäße Aussage belasten könnte. Nur bei einem Zeugen, der sich auf sein Entschlagungsrecht beruft, wäre die weitere Plausibilitätsprüfung hinsichtlich dieser seiner Erklärung vorzunehmen. Dies gilt aber nicht für den vorliegenden Fall, in welchem beide in ein Strafverfahren involvierten Zeugen ungeachtet der ihnen erteilten Belehrung ihr Entschlagungsrecht nicht in Anspruch genommen haben.

Demgemäß kann mit der Behauptung, der Zeuge habe über den Umfang seines Geständnisses hinausgehende Angaben gemacht und sich damit möglicherweise doch selbst belastet, in der vorliegenden Situation der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 3 (§ 152 Abs 5) StPO nicht dargetan werden.

Aber auch die undifferenzierten Ausführungen der Mängel- (Z 5) und Tatsachenrüge (Z 5a) sind unbegründet. Mit den Ungenauigkeiten in den Aussagen der Belastungszeugen hat sich das erkennende Gericht ohnedies auseinandergesetzt, im Wege der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) daraus seine Schlüsse gezogen und darauf aufbauend die dem Schuldspruch zugrunde liegenden Tatsachenfeststellungen getroffen, wobei die von der Beschwerde aufgezeigte mögliche Variationsbreite hinsichtlich der Suchtgiftmenge zudem weder eine entscheidungswesentliche Tatsache (Z 5) betrifft noch sich in Wahrheit aus den Akten erhebliche Bedenken gegen die auf der Basis der Zeugenaussagen getroffenen Feststellungen und damit gegen die dem Schuldspruch zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen ergeben.

Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285 d StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Über die Berufung wird der hiefür zuständige Gerichtshof zweiter Instanz zu entscheiden haben (§ 285 i StPO).

Die Kostenentscheidung basiert auf § 390 a StPO.

 

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