Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden ersatzlos aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine neuerliche Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 18.711 S bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin 3.118,50 USt) und die mit 22.482 S bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin 3.747 S USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Unbestritten ist: Der Kläger betreibt in P***** eine Schlächterei und schloß am 15.September 1992 für den Zeitraum 15.September 1992 bis 2. Jänner 1994 den "Einlagerungsvertrag 1992/93 gemäß § 12 ViehwirtschaftsG" über Tiefkühlfleisch mit der jetzt nicht mehr bestehendern - an ihre Stelle trat infolge einer Änderung des Marktordnungsrechtes die "Agrarmarkt Austria" (AMA-G, BGBl 1992/376; § 2 Abs 3 ViehwirtschaftsG idF der Novelle BGBl 1992/374) - Vieh- und Fleischkommission beim BMLF (im folgenden Kommission) ab, wonach. ua von dazu berechtigten Unternehmern inländische Tiefkühlfleischwaren zur Entlastung des Marktes entsprechend §§ 2, 12 ViehwirtschaftsG in sogenannten Sperrlagern eingelagert werden. Nach Punkt 8. des Einlagerungsvertrages konnte die Einlagerung der Vertragsware nur in durch die Kommission anerkannten Kühlhäusern erfolgen. Einlagerungen im Rahmen des Vertrages in "Privatkühlhäusern" waren ua von folgenden
Voraussetzungen abhängig: "8.3.1. Es ist eine Bestätigung des zuständigen Amtstierarztes über die Eignung der Tiefkühlräume für die Lagerung von Fleisch bei mindestens -180 C vorzulegen. 8.3.2. Der Rauminhalt aller Tiefkühlräume muß mindestens 100 m3 betragen. Die Größe der Tiefkühlräume ist vom Amtstierarzt zu bestätigen. ..." Der Kläger nimmt Einlagerungen in einem öffentlichen Tiefkühlhaus vor und errichtete auf seiner Liegenschaft einen Tiefkühlraum. Der Beklagte ist örtlich zuständiger Amtstierarzt der Bezirkshauptmannschaft B***** und verweigerte nach Fertigstellung des klägerischen Tiefkühlraumes im Frühjahr 1990 die Ausstellung der in Punkt 8. des vom Kläger abgeschlossenen Einlagerungsvertrages erforderlichen Bestätigungen aus in der Klagebeantwortung näher genannten, vom Kläger nicht als gerechtfertigt erachteten Gründen.
Der Kläger begehrt vom Beklagten die Bezahlung von 901.457,71 S sA aus dem Titel des Schadenersatzes mit dem wesentlichen Vorbringen, der Beklagte habe sich grundlos geweigert, die obgenannten Bestätigungen auszustellen, sodaß der Kläger den von ihm errichteten, ordnungsgemäßen Tiefkühlraum bisher nicht als Sperrlager habe nützen können und von September 1990 bis April 1993 in einem öffentlichen Tiefkühlhaus Sperrlager-Mieten von 901.457,71 S habe bezahlen müssen. Die Tätigkeit des Beklagten als Amtstierarzt basiere auf den Einlagerungsverträgen der Kommission, der Beklagte habe nicht hoheitlich tätig werden sollen.
Der Beklagte wendet ua Unzulässigkeit des Rechtsweges ein, weil der Klagsanspruch aus der Tätigkeit des Beklagten als Amtstierarzt einer Bezirkshauptmannschaft abgeleitet werde. Derartige Ansprüche könnten nur im Amtshaftungsverfahren gegen den Rechtsträger geltend gemacht werden.
Die Vorinstanzen wiesen die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück. Das Rekursgericht ging rechtlich im wesentlichen davon aus, es sei bedeutungslos, daß die Einlagerungsverträge privatwirtschaftlich geschlossen würden, denn die begehrten Bestätigungen könne der Amtstierarzt nur im Rahmen seiner Funktion als Aufsichtsorgan bei der Überwachung der veterinär- und lebensmittelpolizeilichen Vorschriften nach einer Kontrolle des vom Kläger errichteten Tiefkühlraumes ausstellen; diese Tätigkeit sei der Hoheitsverwaltung zuzuordnen, der Klagsanspruch könne nur durch Amtshaftung geltend gemacht werden. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Frage, ob die Verweigerung einer amtstierärztlichen Bestätigung über die Einhaltung lebensmittel- und veterinärpolizeilicher Vorschriften in Tiefkühlräumen "in Vollziehung der Gesetze" iS des § 1 Abs 1 AHG erfolge, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes - soweit ersichtlich - fehle.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Klägers ist zulässig und im Ergebnis berechtigt.
Für die Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges ist nach herrschender Auffassung in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens und darüber hinaus der Klagssachverhalt (die Klagsbehauptungen) maßgebend. Es kommt auf die Natur, das Wesen des geltend gemachten Anspruchs an. Ist er privatrechtlicher Natur, haben darüber die Zivilgerichte - hier im streitigen Verfahren - zu entscheiden (SZ 64/57 = JBl 1992, 108; SZ 63/96 = JBl 1991, 514; SZ 62/108 uva; Fasching I 62 f und Lehrbuch2 Rz 101; Mayr in Rechberger, Rz 6 vor § 1 JN). Hier erhebt der Kläger einen Schadenersatzanspruch, den er nicht auf das AHG gestützt hat. Er hat weder die Klage als Amtshaftungsklage bezeichnet noch sonst in irgendeiner Weise zu erkennen gegeben, daß er seinen Anspruch im Amtshaftungsverfahren geprüft wissen will. Die Einwendungen des Beklagten sind aber bei Prüfung der Rechtswegzulässigkeit ohne Belang (ZVR 1987/42; SZ 58/156, SZ 50/18; Mayr aaO).
Wenn der Beklagte als Amtstierarzt - somit als bei einer Behörde der staatlichen Veterinärverwaltung hauptberuflich in einem Dienstverhältnis stehender Tierarzt, der behördliche Aufgaben zu vollziehen hat (§ 2 Abs 2 TierärzteG) - in Vollziehung der Gesetze (§ 1 Abs 1 AHG) gehandelt oder den Anschein eines solchen Handelns erweckt (vgl dazu Schragel AHG2 Rz 25) hätte, würde es dem nicht auf das AHG gegründeten Klagebegehren an der sachlichen Berechtigung fehlen, was zur Klagsabweisung führen müßte (MR 1991, 66 mwN = ÖBl 1991, 127; RZ 1981/50 ua; Schragel aaO Rz 254).
Die inhaltliche Berechtigung des vom Kläger behaupteten Anspruchs ist beim derzeitigen Verfahrenstand unerheblich, hierüber ist erst in der Sachentscheidung abzusprechen (SZ 51/41; Mayr aaO). Derzeit muß daher nicht untersucht werden, ob die Tätigkeit des Beklagten in veterinärpolizeilicher Hinsicht (nach dem ViehwirtschaftsG oder dem FleischuntersuchungsG und der FleischhygieneV) hoheitlich sein konnte oder nicht. Ob lebensmittelpolizeilich, etwa nach §§ 20 f LMG 1975 (Hygiene im Lebensmittelverkehr), der Beklagte zur Ausstellung der von ihm geforderten Bestätigungen entsprechend Punkt 8. des Einlagerungsvertrages in Vollziehung der Gesetze verpflichtet war, würde im übrigen davon abhängen, daß der Beklagte vom Landeshauptmann für Oberösterreich als Lebensmittel-Aufsichtsorgan nach § 35 Abs 2 lit a LMG 1975 bestellt wurde, was bisher weder behauptet noch festgestellt wurde.
Die Vorinstanzen haben zu Unrecht die Schadenersatzklage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges nach § 9 Abs 5 AHG zurückgewiesen. Dem Revisionsrekurs ist demnach Folge zu geben. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO (Obsiegen in einem Zwischenstreit).
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