OGH 4Ob132/94

OGH4Ob132/946.12.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** Gesellschaft mbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr.Rudolf K.Fiebinger und Dr.Peter M.Polak, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei "S*****, vertreten durch Dr.Heinrich Kammerlander und Dr.Martin Piaty, Rechtsanwälte in Graz, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 480.000), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom 15.September 1994, GZ 2 R 171/94-17, womit der Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 25.Juli 1994, GZ 21 Cg 31/94i-13, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschuß, der in seinem bestätigenden Teil (und den daraus abgeleiteten Kostenzusprüche an die beklagte Partei) als nicht in Beschwerde gezogen unberührt bleibt, wird im übrigen dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes zur Gänze wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die (weiteren) mit S 20.015,10 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 3.335,85 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin ist Verlegerin der Tageszeitung "N*****" und "K*****". Die Beklagte ist Medieninhaberin und Verlegerin der "Kl*****".

Die Beklagte legte der Ausgabe ihrer "Kl*****" vom 5.Dezember 1993 einen Prospekt bei, in welchem dem Besteller eines Jahresabonnements dieser Zeitung zum Preis von S 2.376 (= 12 x S 198) ein "Farbfernseher" zum Preis von S 950 oder ein Sega-Mega-Drive (Spielcomputer) zum Preis von S 250 angeboten wurde. Dieser Prospekt enthielt einen - auszuschneidenden - Bestellschein, auf welchem wahlweise entweder das Farbfernsehgerät oder der Spielcomputer anzukreuzen waren.

Der Marktpreis des mit dem im Werbeprospekt der Beklagten angebotenen Fernseher nahezu identischen Farbfernsehgeräts "Siemens Color Portable FC 202" betrug im Februar 1994 S 2.970 bis S 2.990; der Spielcomputer Sega-Mega-Drive war im Dezember 1993 um S 990 und im Jänner 1994 um S 890 im Handel erhältlich. In der Zeit vom November 1993 bis Juni 1994 wurden andere vergleichbare Farb-TV-Geräte im Handel um Preise zwischen S 2.290 bis S 2.990 angeboten.

Mit der Behauptung, daß im Hinblick auf die hohen Preisnachlässe bei den von der Beklagten zusätzlich zum Jahresabonnement angebotenen Nebenwaren ein sittenwidriges Vorspannangebot vorliege, begehrt die Klägerin zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten zu gebieten, es im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs beim Vertrieb periodischer Druckschriften, insbesondere der "Kl*****", zu unterlassen, für den Abschluß von Einjahres-Abonnnements dadurch zu werben, daß gemeinsam mit der Bestellung eines solchen Abonnements unterhaltungselektronische Artikel, insbesondere Farbfernseher und/oder Spielcomputer, zu so reduzierten Preisen angeboten werden, daß die Differenz zwischen dem von der Beklagten einerseits und im Fachdetailhandel andererseits verlangten Preis für den jeweiligen unterhaltungselektronischen

Artikel 70 % oder mehr des Fachdetailhandelspreises und/oder 70 % oder mehr des Preises des Einjahres-Abonnements der jeweiligen Druckschrift beträgt.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsbegehrens. Sie habe im Sinn der neuesten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht gegen die guten Sitten verstoßen, weil ihr Angebot nicht geeignet sei, die Konsumenten zum Kauf ihrer Zeitung aus ausschließlich sachfremden Motiven zu bestimmen.

Das Erstgericht wies (- wie schon im ersten Rechtsgang -) den Sicherungsantrag ab. Die Koppelung der Hauptware mit den preisgünstigen Nebenwaren sei nicht geeignet, sachliche Erwägungen beim Konsumenten gänzlich auzuschließen.

Das Rekursgericht verbot der Beklagten mit einstweiliger Verfügung, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs beim Vertrieb von periodischen Druckschriften, insbesondere der "Kl*****", für den Abschluß von Einjahres-Abonnements dadurch zu werben, daß gemeinsam mit dem Einjahres-Abonnement unterhaltungselektronische Artikel, insbesondere Fernseher und/oder Spielcomputer, zu derart reduzierten Preisen angeboten werden, daß die Differenz zwischen dem von der Beklagten einerseits und im Fachdetailhandel andererseits verlangten Preis für den jeweiligen unterhaltungselektronischen Artikel (= der Preisnachlaß) 70 % oder mehr des Preises des Einjahres-Abonnoments der jeweiligen Druckschrift beträgt. Die Abweisung des Mehrbegehrens, der Beklagten eine solche Werbung auch für den Fall zu verbieten, daß die Differenz des für den jeweiligen unterhaltungselektronischen Artikel verlangten Preises (gemeint: der Preisnachlaß) 70 % oder mehr seines Fachdetailhandelspreises beträgt, bestätigte es und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Wesentlich sei, ob die angebotene Koppelung der Hauptware mit einer preisgünstigen Nebenware geeignet ist, sachliche Erwägungen des Konsumenten gänzlich auszuschließen. Allein die Möglichkeit, die "Vorspannware" zu einem Bruchteil des üblichen Preises zu erwerben, müsse zur Anschaffung der - sonst nicht gekauften - Hauptware verleiten. Das beanstandete Angebot eines Fernsehapparates sei geeignet, die Konsumenten zu veranlassen ein Zeitungsabonnement um S 2.376, ausschließlich wegen des bei der Vorspannware erzielten Preisvorteils gegenüber den sonst üblichen Preisen vergleichbarer Geräte von rund S 2.030 (Marktpreis S 2.970 bis S 2.990, Anbotspreis S 950) zu bestellen, die sie sonst nicht bestellen würden. Dabei sei noch zu berücksichtigen, daß im Anbot der Beklagten der Jahresabonnementpreis nur durch den Monatsbezugspreis von S 198 ausgewiesen wird und eine flüchtige Überschlagsrechnung eher einen zu geringen (geringeren) Jahresabonnementpreis ergeben könnte. Gerade dieser Effekt, daß nämlich der Konsument meinen könnte, er erhalte die Hauptware im Hinblick auf den Preisnachlaß bei der Nebenware praktisch ohne Entgelt, mache das Vorspannangebot sittenwidrig. Die Klägerin begehre daher zu Recht das Verbot des Angebotes einer Nebenware, deren Preis derart reduziert ist, daß die Differenz 70 % oder mehr des Preises der Hauptware ausmacht. Auf die absolute Preisdifferenz dieser Nebenware in Prozenten im Vergleich zu ihrem Fachdetailshandelspreis sei aber nicht abzustellen, da selbst extreme Preisnachlässe bei im Verhältnis zum Preis der Hauptware nicht ins Gewicht fallenden Warenwerten - wenn also die absolute Preisersparnis gegenüber dem Preis der Hauptware von geringerer Bedeutung ist - nicht unzulässig seien. Das treffe etwa beim Preisnachlaß von S 700 für den Spielcomputer Sega-Mega-Drive zu.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den abändernden Teil dieses Beschlusses erhobene Revisionsrekurs der Beklagten ist entgegen der Meinung der Klägerin zulässig und berechtigt.

Wie die Vorinstanzen richtig erkannt haben, ist die beanstandete Werbeankündigung ein "Vorspannangebot" im Sinne von Lehre und Rechtsprechung: Ein "Vorspannangebot" ist ein Lockangebot besonderer Art, welches den Absatz einer marktüblich angebotenen Hauptware dadurch fördern soll, daß dem Kunden eine sehr preisgünstig erscheinende, meist branchen- oder betriebsfremde Nebenware angeboten wird, die er nur dann erwerben kann, wenn er auch die Hauptware kauft (Baumbach/Hefermehl Wettbewerbsrecht17, 428 Rz 132; Koppensteiner, Wettbewerbsrecht2 II, 186; SZ 54/121 = ÖBl 1982, 13 - Osterfrühling bei E; MR 1989, 29 - Club-Vorteilspreis mwN).

In seiner Entscheidung MR 1993, 117 = ÖBl 1993, 73 = RdW 1993, 245 =

ecolex 1993, 536 = WBl 1993, 298 - Badezimmerradio hat der erkennende

Senat - in teilweiser Abkehr von in früheren Entscheidungen vertretenen Auffassungen - ausgesprochen, daß Vorspannangebote - sofern man sie nicht überhaupt im Sinne der dort wiedergegebenen Lehrmeinungen für generell zulässig ansehen wollte - nur dann sittenwidrig sein könnten, wenn die Koppelung der Hauptware mit der preisgünstigen Nebenware geeignet ist, sachliche Erwägungen beim Konsumenten gänzlich auszuschließen, wenn das Vorspannangebot also geeignet ist, Verbraucher ohne jede sachliche Prüfung, allein wegen der Möglichkeit, die Vorspannware zu einem Bruchteil des üblichen Preises zu erwerben, zum Kauf einer Hauptware zu verleiten, die sie sonst erfahrungsgemäß nicht gekauft hätten.

Geht man von diesem Grundgedanken - den weder das Rekursgericht noch die Klägerin ablehnen - aus, dann kann der Beklagten hier nicht der Vorwurf eines sittenwidrigen Verhaltens gemacht werden:

Daß die verbilligte Abgabe des Spielcomputer niemanden veranlassen wird, allein deswegen das für ihn sonst nicht interessante Jahresabonnement zu bestellen, liegt - wie schon das Rekursgericht zutreffend ausgeführt hat - im Hinblick auf die Preisverhältnisse (Jahresabonnement S 2.376; Preisersparnis beim Spielcomputer höchstens S 740) klar auf der Hand. Mit Recht kommt auch die Klägerin in der Revisionsrekursbeantwortung darauf nicht mehr zurück.

Hatte jemand Interesse an einem Philips-Farbfernseher, wie ihn die Beklagte den Bestellern eines Einjahres-Abonnement ihrer Zeitung um S 950 versprochen hat (Beilage C), dann hätte er, um in den Genuß dieses günstigen Preises zu kommen, insgesamt - unter Einschluß des Abonnementpreises - S 3.326 zahlen müssen. Zu dieser Zeit hätte er aber nach den Feststellungen einen gleichartigen und -wertigen Fernsehapparat um durchschnittlich S 2.990, bei etlichen großen Handelsunternehmen sogar um einen noch geringeren Preis erhalten. Anhaltspunkte für die Annahme, die beanstandete Werbeankündigung wäre geeignet gewesen, beim Publikum den Eindruck einer noch größeren als der objektiv möglichen Ersparnis hervorzurufen, fehlen; solche hat auch die Klägerin nicht geltend gemacht.

Soweit das Rekursgericht meint, die - von der Klägerin gar nicht beanstandete - Art und Weise der Angabe des Jahresabonnementpreises durch die Beklagte - nämlich durch die Anführung des monatlichen Bezugspreises - wäre geeignet, einen flüchtigen Betrachter in den Irrtum zu führen, der Jahresabonnementpreis liege um so vieles geringer, daß der Fernsehapparat praktisch kostenlos erhältlich wäre, kann ihm nicht gefolgt werden. Wer an dem möglichst preisgünstigen Erwerb einer Ware interessiert ist, der begnügt sich nicht mit bloß überschlagsmäßigen Berechnungen. Die Ermittlung des Jahresabonnementpreises durch Multiplikation des Monatspreises ist aber in Österreich auch Menschen der niedrigsten Bildungsstufe ohne weiteres möglich. Im Hinblick auf die Art des Monatspreises (2 S weniger als S 200) kann der Jahrespreis von jedem auch nur durchschnittlich Begabten sogar leicht im Kopf ausgerechnet werden.

Bei einer Gegenüberstellung zeigt sich also, daß die Auslagen desjenigen, der das Angebot der Beklagten mit der Wahl des Farbfernsehers annimmt, höher sind als die Auslagen desjenigen, der einen derartigen Farbfernseher im Fachhandel kauft. Das Angebot der Beklagten kann daher nur für solche Personen von Interesse sein, die auch mit einem Jahresabonnement der "Kl*****" etwas anzufangen wissen. Andernfalls wäre die Bestellung des Abonnements, nur um den Farbfernseher billig zu erwerben, geradezu unsinnig. Für den Kaufentschluß können somit nicht ausschließlich sachfremde Motive angenommen werden; vielmehr muß doch ein gewisses Interesse an der Zeitung vorhanden sein.

Aus diesen Erwägungen war dem Revisionsrekurs dahin Folge zu geben, daß der abweisende Beschluß des Erstgerichtes zur Gänze wiederhergestellt wird.

Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf §§ 78, 402 Abs 4 EO, §§ 41, 50 Abs 1, § 52 ZPO. Da die Beklagte den Kostenausspruch des Erstgerichtes - welches die Entscheidung über die Kosten der Äußerung sowie des Rekursverfahrens im ersten Rechtsgang der Endentscheidung vorbehalten hat - unbekämpft ließ, war nun nur noch über die (vom Rekursgericht der Beklagten schon zur Hälfte zuerkannten) Kosten der Rekursbeantwortung des zweiten Rechtsganges und des Revisionsrekurses abzusprechen. Als Bemessungsgrundlage für den Revisionsrekurs war im Hinblick auf die Teilbestätigung des Rekursgerichtes mangels anderer Anhaltspunkte bloß die Hälfte des Wertes des gesamten Unterlassungsanspruches, also bloß S 240.000, heranzuziehen.

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