OGH 4Ob381/81

OGH4Ob381/8115.9.1981

SZ 54/121

Normen

UWG §1
UWG §1

 

Spruch:

Lockangebote besonderer Art, die den Absatz einer marktüblich angebotenen Hauptware dadurch fördern wollen, daß dem Kunden eine sehr preisgünstig erscheinende, meist branchen- oder betriebsfremde Nebenware angeboten wird, die er jedoch nur erwerben kann, wenn er auch die Hauptware kauft ("Vorspannangebote"), verstoßen dann gegen § 1 UWG, wenn der von ihnen ausgehende Lockeffekt so stark ist, daß er das Urteil des Kunden trüben und ihn aus sachfremden Gründen zum Kauf der Hauptware bestimmen kann

OGH 15. September 1981, 4 Ob 381/81 (OLG Wien 3 R 120/81; HG Wien 16 Cg 12/81)

Text

Die Beklagte befaßt sich mit dem Rösten und dem Vertrieb von Kaffee.

Sie wirbt für ihr Produkt mit folgenden Ankündigungen:

a) In einem Werbeprospekt: "Osterfrühling bei E - Elegante Armbanduhr für Damen und Herren mit vergoldetem Gehäuse und echtem Lederarmband. Original Schweizer Qualität. 1 Jahr Garantie. Je nur 199,- bei Kauf von 1/2 kg G-Kaffee zu S 58,-"; dabei sind die Wörter "Elegante Armbanduhr" und "G-Kaffee" sowie die Preisangaben "199,-" und "58,-" gegenüber dem restlichen Werbetext durch größere, fettgedruckte Buchstaben bzw. Ziffern hervorgehoben.

b) In einer Zeitungsanzeige: " Gesehen bei E - Armbanduhren für Damen und Herren. Schweizer Qualität, vergoldet. Nur 199,- beim Kauf von 1/2 kg G-Kaffee."

c) In den Schaufenstern der "E"-Röstkaffee-Spezialgeschäfte und Verkaufsdepots: "Klassische Herren-Armbanduhr (Elegante Damen-Armbanduhr) nur 199,- beim Kauf von 1/2 kg "G-Kaffee" und "Original Schweizer Uhren mit vergoldetem Gehäuse. Echtes Lederarmband. 1 Jahr Garantie." Auch hier sind die Wörter "Herren-Armbanduhr" bzw. "Damen- Armbanduhr" sowie "G-Kaffee" im Schriftbild besonders hervorgehoben; der Preis von "199,-" scheint in großen roten Ziffern im Zentrum der Ankündigung auf.

Zur Sicherung eines inhaltsgleichen, auf §§ 1 und 2 UWG gestützten Unterlassungsanspruches beantragt die klagende Mitbewerberin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr beim Betrieb von Röstkaffee-Spezialgeschäften mit der Etablissementbezeichnung "E" Röstkaffee mit einer Herren- oder Damenarmbanduhr mit vergoldetem Gehäuse und echtem Lederarmband, Original Schweizer Qualität, 1 Jahr Garantie, um 199 S als Vorspannangebot anzukundigen und/oder zu verkaufen. Die beanstandete Werbung sei geeignet, einen übersteigerten Kaufanreiz auszuüben und zum Bezug der Hauptware ohne sachliche Prüfung zu veranlassen; sie verstoße daher gegen § 1 UWG oder - wenn sich der durch sie hervorgerufene Eindruck einer ungewöhnlich günstigen Kaufgelegenheit als unrichtig erweisen sollte - gegen § 2 UWG.

Die Beklagte stellt jedes gesetzwidrige Verhalten in Abrede. Angesichts eines Einstandspreises der beanstandeten Uhren von 116.83 S sei der angekundigte Verkaufspreis von 199 S kein bloßer "Scheinpreis", ja nicht einmal ein besonders günstiger Preis; von einem "übersteigerten Kaufanreiz" könne schon aus diesem Grund nicht gesprochen werden.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab und nahm folgenden weiteren Sachverhalt als bescheinigt an: Die gleichen Uhren der Marke "Lucerne, Swiss", rechteckig, vergoldet, mit echtem Lederarmband, werden von der Firma H im Einzelhandel um 299 S angeboten. Der Uhrmachermeister Wilhelm M, P, Hauptplatz 12, hat solche Uhren in seinem Geschäftslokal um 200 S abgegeben. Die Beklagte bezieht die beanstandeten Uhren aus der Schweiz; der Einkaufspreis der im März 1981 gelieferten Herrenarmbanduhren hatte 116.83 S pro Stück betragen. Nach dem Ergebnis einer Umfrage, welche das Institut für Markt- und Meinungsforschung GmbH in Wien im Auftrag der Klägerin bei 267 Käufern von E-Kaffee durchgeführt hatte, hatten 41% der Befragten den Kaffee der Beklagten ohne Spezialangebot gekauft, 12% zusammen mit einer um 199 S angebotenen Uhr und 47% in der Verbindung mit anderen Spezialangeboten. Davon ausgehend verneinte das Erstgericht einen Wettbewerbsverstoß der Beklagten. Das beanstandete Angebot sei zwar gewiß sehr preiswert; der Verkaufspreis von 199 S liege aber nicht unter den Selbstkosten und sei auch nicht "völlig handelsunüblich". Da die Käufer von E-Kaffee von derartigen "Spezialangeboten" der Beklagten mehrfach Gebrauch zu machen pflegten, sei nicht anzunehmen, daß gerade das hier beanstandete Angebot einen übermäßigen Lockeffekt hervorgerufen und die Konsumenten sachwidrig zum Kauf von "E"-Kaffee bestimmt habe. Auch ein Verstoß gegen § 2 UWG scheide aus, weil der Preis von 199 S trotzdem weit unter der handelsüblichen Preisgestaltung liege und daher als "besonders günstiges Angebot" anzusehen sei.

Das Rekursgericht erließ die einstweilige Verfügung. Vorspannangebote widersprächen dem Sinn des Leistungswettbewerbs und der Funktion des Verbrauchers im Rahmen dieser Ordnung; sie seien daher - von seltenen Ausnahmen abgesehen - grundsätzlich unzulässig. Im konkreten Fall spreche schon die durch die Koppelung der Uhren mit dem Kaffee bewirkte Abgabebeschränkung dafür, daß ein nicht unbeträchtlicher Teil des Publikums den Preis von 199 S als günstig ansehen werde; dieser Eindruck werde durch das Wort "nur" von der Preisangabe noch bekräftigt. Da der starke Lockeffekt eines solchen Angebotes das Urteil des angesprochenen Konsumenten trübe und ihn sachwidrig zum Kauf veranlassen könne, sei die beanstandete Werbung sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Richtig ist, daß der angefochtene Beschluß von der mehrfach zitierten oberstgerichtlichen Entscheidung vom 30. November 1976, 4 Ob 390/76 - Olympia-Buch - ÖBl. 1977, 65 insofern abweicht, als der OGH damals im Einklang mit Baumbach - Hefermehl (Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht[11] I, 396 f. § 1 dUWG RZ 59) "Vorspannangebote" grundsätzlich als zulässig angesehen und einen Verstoß gegen § 1 UWG (nur) dann angenommen hatte, wenn der damit verbundene Lockeffekt so stark ist, daß er das Urteil des Konsumenten trübt und ihn sachwidrig zum Kauf der Ware bestimmt; in seiner jetzt bekämpften Rekursentscheidung folgt das OLG Wien jedoch der von Hefermehl in der 13. Auflage des genannten Kommentars (523 f. § 1 dUWG RZ 109) vertretenen, gegenüber den Vorauflagen modifizierten Auffassung, nach welcher Vorspannangebote "meist gegen § 1 UWG verstoßen" und daher, von selten anzunehmenden Ausnahmefällen abgesehen, grundsätzlich unzulässig seien. Diese Meinung, welche auch von der deutschen Rechtsprechung vertreten wird (BGHZ 65, 68; GRUR 1977, 110; JZ 1977, 26 u. a.), ist allerdings in der Lehre (s. vor allem Hoth, Kopplungs- und Vorspannangebote, GRUR 1976, 219 f.; Utescher in GRUR 1977, 112 f.; Tetzner in JZ 1977, 29 f.; weitere Nachweise bei Schuhmacher, Der Konsumentenschutzgedanke in der österreichischen Rechtsordnung, in Krejci, HdB zum KSchG, 29 FN 179) überwiegend auf Ablehnung gestoßen. Für den österreichischen Rechtsbereich wurde die Entscheidung ÖBl 1977, 65 von Koppensteiner (Wettbewerbsrecht, 502 f.) und Schuhmacher (a.a.O.,42 f.) ausdrücklich abgelehnt.

Beide Auffassungen im Kommentar von Baumbach - Hefermehl führen aber - ungeachtet der verschiedenen Ausgangspositionen - letztlich zum gleichen Ergebnis. "Vorspannangebote" - das sind Lockangebote besonderer Art, welche den Absatz einer marktüblich angebotenen Hauptware dadurch fördern sollen, daß dem Kunden eine sehr preisgünstig erscheinende (meist branchen- oder betriebsfremde) Nebenware angeboten wird, die er jedoch nur erwerben kann, wenn er auch die Hauptware kauft - verstoßen dann gegen § 1 UWG, wenn der von ihnen ausgehende Lockeffekt so stark ist, daß er das Urteil des Kunden trüben und ihn aus sachfremden Gründen zum Kauf der Hauptware bestimmen kann; mit anderen Worten: Wenn der durch ein besonders günstig erscheinendes Vorspannangebot hervorgerufene (übersteigerte) Kaufanreiz geeignet ist, zum Kauf der angebotenen Hauptware ohne sachliche Begründung zu bewegen.

Der OGH kann der angeführten Lehre über die Zulässigkeit von Vorspannangeboten nicht folgen. Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb dient - neben dem Schutz der Konsumenten - auch dem Schutz der Mitbewerber; davon abgesehen, liegt aber die Unterbindung einer solchen Werbemethode auch im wohlverstandenen Interesse zumindest eines Teils der Verbraucher, die damit vor unüberlegten Käufen geschützt werden sollen. Der Hinweis darauf, daß nur unentgeltliche Zugaben - durch das Zugabengesetz - verboten sind, geht gleichfalls fehl. Zwar kann nicht wettbewerbswidrig sein, was das Zugabengesetz ausdrücklich erlaubt; liegen aber im Einzelfall besondere Umstände vor, die das Zugabengesetz bei seiner Regelung nicht berücksichtigt, die aber eine Sittenwidrigkeit im Sinne des § 1 UWG begrunden, dann kann ein Verstoß gegen diese Bestimmung gegeben sein (Hohenecker - Friedl, Wettbewerbsrecht, 120). Die Zulässigkeit von Vorspannartikeln wird aber im Zugabengesetz nicht geregelt, sodaß dessen Bestimmungen einer Beurteilung nach § 1 UWG nicht entgegenstehen. Daß aber Vorspannangebote dann gegen die guten Sitten verstoßen, wenn die Nebenware besonders preisgünstig angeboten oder auch nur der Anschein eines besonders günstigen Angebotes erweckt wird, folgt schon aus der Erwägung, daß dadurch die Aufmerksamkeit des Kunden von der Hauptware abgelenkt und er aus sachfremden Gründen zu deren Kauf bestimmt werden soll. Das widerspricht jedoch den Grundsätzen des Leistungswettbewerbes, denn der Kunde soll durch diese Form des Vertriebes der Hauptware veranlaßt werden, seine Wahl nicht nach der Qualität und der Preiswürdigkeit der konkurrierenden Produkte, sondern danach zu treffen, ob er dadurch in den Genuß einer besonderen Vergünstigung kommen kann.

Geht man aber von diesen Grundsätzen aus, dann kann es keinem Zweifel unterliegen, daß das beanstandete Angebot der Beklagten gegen § 1 UWG verstößt. Ob der für die Herren- oder Damenarmbanduhr geforderte Preis von 199 S tatsächlich besonders günstig war, ist rechtlich bedeutungslos; entscheidend ist, ob die Werbeankündigungen der Beklagten bei den angesprochenen Publikumskreisen den - objektiv vielleicht gar nicht zutreffenden - Eindruck einer besonders preisgünstigen Kaufgelegenheit erwecken und sie daher sachwidrig zum Kauf der damit gekoppelten Hauptware - nämlich von 1/2 kg "E"-Kaffee - bestimmen konnten. Diese Frage hat das Rekursgericht mit Recht bejaht und dazu nicht nur auf die schon durch die Koppelung bewirkte Abgabenbeschränkung, sondern auch darauf verwiesen, daß der auf diese Weise hervorgerufene Eindruck eines besonders günstigen Angebotes durch die Verbindung der Preisangabe "199,-" mit dem Wort "nur" noch weiter bekräftigt worden war. Wird überdies berücksichtigt, daß es sich nach den Werbeankündigungen der Beklagten um "Original Schweizer Uhren" mit "vergoldetem Gehäuse" und "echtem Lederarmband" handeln sollte, für welche überdies noch "1 Jahr Garantie" geboten wurde, dann mußte der für diese (vermeintliche) Qualitätsuhr geforderte Kaufpreis von nur 199 S dem angesprochenen Publikum tatsächlich ungewöhnlich niedrig und das gesamte (Koppelungs-)Angebot der Beklagten demgemäß als äußerst günstige Kaufgelegenheit erscheinen; daß dieser Eindruck bei der Mehrzahl der angesprochenen Interessenten auch wirklich erweckt wurde, zeigen die "Spontankommentare" der befragten "E"-Käufer. Bei dieser Sachlage kann aber die Eignung des beanstandeten Vorspannangebotes, das Urteil der Konsumenten zu trüben, sie von der Hauptware und deren Eigenschaften abzulenken und sie nur aus sachfremden Gründen, nämlich aus dem Bestreben, die besonders preisgünstig erscheinende Armbanduhr zu erwerben, zum Kauf der Hauptware zu bestimmen, nach Ansicht des OGH nicht ernstlich bezweifelt werden.

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