OGH 2Ob4/94

OGH2Ob4/9424.11.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Andrea A*****, vertreten durch Dr.Anton Tschann und andere Rechtsanwälte in Bludenz, wider die beklagten Parteien 1.) Elisabeth S*****, Schweiz,

2.) V***** Österreichs, ***** beide vertreten durch Dr.Arne Markl, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 25.639,80 sA und Feststellung, infolge Revision der zweitbeklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 15.Juni 1993, GZ 3a R 161/93-21, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Landeck vom 14. Dezember 1992, GZ 2 C 1261/92p-14, teilweise als nichtig aufgehoben, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die zweitbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.783,68 (darin S 797,28 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 26.7.1991 wurde die Klägerin bei einem von der Erstbeklagten verschuldeten Verkehrsunfall verletzt. Spätfolgen infolge Beschädigung des zweiten rechten oberen Schneidezahns der Klägerin können nicht ausgeschlossen werden. Die Klägerin begehrt den Ersatz eines Betrages von S 25.639,80 sowie die hinsichtlich der zweitbeklagten Partei mit der Haftpflichtversicherungssumme begrenzten Feststellung der Haftung für künftige Schäden der Klägerin aus diesem Unfall. Das Leistungsbegehren setze sich aus zukünftigen Heilungskosten, weil die angebrachte Frontzahnfüllung als Provisorium ausbrechen könnte, sowie aus weiteren S 7.000,-- für weitere Schmerzen einer zukünftig erforderlichen Zahnwurzelbehandlung und aus dem Ersatz eines Betrages von S 8.639,80 an Kosten für die anwaltliche Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen aus dem Unfall zusammen.

Die erstbeklagte Partei anerkannte das Feststellungsbegehren. Beide beklagten Parteien bestritten im übrigen das Klagebegehren und wendeten ein, daß die zweitbeklagte Partei die Berechtigung des Feststellungsbegehrens ausdrücklich anerkannt und erklärt habe, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten. Damit mangle es der klagenden Partei an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis.

Das Erstgericht gab der Klagsforderung mit einem Teilbetrag von S 3.323,76 statt und wies das Mehrbegehren von S 22.360,04 samt Anhang ab. Es gab dem Feststellungsbegehren hinsichtlich der erstbeklagten Partei statt, wies es jedoch gegenüber der zweitbeklagten Partei ab.

Zum ausschließlichen Gegenstand des Revisionsverfahrens bildenden Feststellungsbegehren traf es nachstehende Feststellungen.

Die Zürich Kosmos Versicherungs AG gab mit Schreiben vom 7.7.1992 nachstehende Erklärung an die Rechtsvertreter der klagenden Partei ab: "Hinsichtlich der Beschädigung des zweiten rechten oberen Schneidezahnes (Absplitterung) geben wir die Erklärung ab, daß wir mit der Wirkung eines Feststellungsurteiles hinsichtlich weiterer unfallskausaler, diesen Zahn betreffende Unfallsfolgen auf die Einrede der Verjährung verzichten. Wir tun dies mit der Wirkung eines Feststellungsurteiles namens des Verbandes der Versicherungsunternehmen Österreichs, in dessen Auftrag wir den Schadenfall bearbeiten. Ansonsten haben wir nicht vor, weitere Maßnahmen zu setzen bzw Zahlungen zu leisten.

Rechtlich erörterte das Erstgericht, daß infolge der möglichen Spätfolgen am zweiten rechten oberen Schneidezahn das Feststellungsbegehren prinzipiell berechtigt sei. Die erstbeklagte Partei habe dieses Begehren auch anerkannt. Die klagsweise Geltendmachung des Feststellungsbegehrens gegenüber der zweitbeklagten Partei sei jedoch nicht notwendig gewesen, da diese ohnehin schon auf die Einrede der Verjährung mit der Wirkung eines Feststellungsurteiles verzichtet habe. Die geltend gemachten Heilungskosten für die künftige Versorgung des Zahnes seien nicht zuzusprechen, da nicht feststehe, ob sich die Klägerin einer solchen Behandlung jeweils unterziehen werde müssen. Daher gebühre ihr auch kein Schmerzengeld. Ihr seien daher lediglich die notwendigen Kosten der Beiziehung eines Rechtsanwaltes zur Durchsetzung ihrer Schadenersatzansprüche zuzusprechen gewesen.

Das Berufungsgericht hob über Berufung der bekagten Partei das Ersturteil im Umfang des Zuspruches der vorprozessualen Kosten als nichtig auf, gab im übrigen der Berufung der Klägerin gegen die Abweisung des Leistungsbegehren nicht Folge, erachtete jedoch das von der Klägerin gestellte Feststellungsbegehren berechtigt. Die von der Zürich Kosmos Versicherungs AG abgegebene Erklärung, namens des Verbandes der Versicherungsunternehmungen Österreichs, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten, biete der Klägerin keine soweit greifende Sicherheit wie ein Feststellungsurteil. Diese Erklärung sei auch nicht vom Verband der Versicherungsunternehmungen Österreichs selbst, sondern durch dessen Vertreter abgegeben worden. Bei jeder im fremden Namen abgegebenen Willenserklärung bestehe die Möglichkeit von Diskrepanzen zwischen dem Willen des Vertretenen und der abgegebenen Erklärung des Vertreters.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung vom 4.9.1991 (7 Ob 588/91 = ZVR 1993/10), ausgesprochen habe, daß einem konstitutiven Anerkenntnis die gleichen Wirkungen wie einem Feststellungsurteil zukomme und diese Entscheidung dem Urteil des Berufungsgerichtes entgegenstehe.

Dagegen richtet sich die Revision der zweitbeklagten Parteien mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Feststellungsbegehren gegenüber der zweitbeklagten Partei abgewiesen werde.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die durch ein Feststellungsurteil ausgedrückte Judikatsschuld unterliegt der 30-jährigen Verjährung (Schubert in Rummel2 Rz 7 zu § 1497, SZ 43/222; SZ 45/8). Aber auch ein mit novierender Wirkung abgeschlossener außergerichtlicher Vergleich oder ein erklärtes konstitutives Anerkenntnis hat eine 30-jährige Verjährungsfrist zur Folge (JBl 1989, 460, EvBl 1975/240; ZVR 1993/10). Ein konstitutives Anerkenntnis schafft unabhängig von den bestehenden, in der Vergangenheit liegenden Rechtsgrund eine neue selbständige Verpflichtung. Es kommt dadurch zustande, daß der Gläubiger aufgrund eines bestimmten Sachverhaltes ernstlich das Bestehen einer Forderung behauptet und der Schuldner Zweifel am Bestehen der Forderung durch sein Anerkenntnis beseitigt. Maßgeblich sind vor allem die mit dem Anerkenntnis verfolgten Zwecke, die beiderseitige Interessenlagen und die allgemeine Verkehrsauffassung über die Bedeutung eines solchen Anerkenntnisses (Ertl in Rummel2 ABGB Rz 7 zu § 1380). Dabei ist maßgeblich, welchen Eindruck der Erklärungsempfänger aus dem Verhalten des Erklärenden redlicherweise haben mußte (SZ61/215).

Bei Anwendung dieser Grundsätze kann der Erklärung der Zürich Kosmos AG, mit "Wirkung eines Feststellungsurteiles auf den Einwand der Verjährung zu verzichten", noch nicht die Bedeutung zugemessen werden, die Zürich Kosmos AG habe daher im Namen des Verbandes der Versicherungsunternehmungen Österreichs das geltend gemachte Feststellungsinteresse der Klägerin ausdrücklich konstitutiv anerkannt. Dieser Erklärung ist lediglich zu entnehmen, daß die Zürich Kosmos Versicherungen AG, wie aus dem nachfolgenden Absatz hervorgeht, in Hinkunft auf den Einwand der Verjährung verzichten werde. Einen konstitutiven Anerkenntnis kann diese Erklärung nicht gleichgehalten werden. Damit unterscheidet sich der hier zu beurteilende Sachverhalt von jenem der Entscheidung ZVR 1993/10. Dort wurde nämlich das Feststellungsbegehren ausdrücklich anerkannt und ausgesprochen, daß infolge dieses Anerkenntnisses die Verjährung der künftigen Ansprüche unterbrochen sei. Eine derartige klare Ausdrucksweise kann der hier zu beurteilenden Erklärung nicht entnommen werden. Eindeutiger Inhalt der Erklärung ist ein Verzicht auf die Verjährung. Die Feststellungsklage hat aber nicht nur die Funktion, einer möglichen Verjährung von Ansprüchen wirksam zu begegnen, sie dient auch der Vermeidung späterer Beweisschwierigkeiten zur Klärung des Verschuldens bzw Mitverschuldens der Beteiligten und zur Klärung der Haftungsfrage dem Grunde und dem Unfange nach; sie ist geeignet, über die Rechtsbeziehungen der Parteien einfür allemal Klarheit zu schaffen (8 Ob 206/83 ua). Eine derartige Wirkung kann einem "Verjährungsverzicht" nicht beigemessen werden.

Damit ist das Berufungsgericht zutreffend vom weiters geltenden Rechtsschutzanspruch der Klägerin ausgegangen.

Der Revision war ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet auf die §§ 41, 50 ZPO.

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