OGH 7Ob632/94

OGH7Ob632/9423.11.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Kinder Eva-Maria H*****, geboren am 20.April 1978, und Almut H*****, geboren am 6.Mai 1981, beide ***** beide vertreten durch ihre Mutter Maria H*****, diese vertreten durch Dr.Johann Quendler und Dr.Gerhard Kucher, Rechtsanwälte in Klagenfurt, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Vaters Otto H*****, vertreten durch Dr.Hans Paternioner und Dr.Franz Niederleitner, Rechtsanwälte in Klagenfurt, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgericht vom 23.September 1994, GZ 19 R 360, 363/94-18, womit infolge der Rekurse der Mutter und des Vaters der Beschluß des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 18.August 1994, GZ 2 P 115/93-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Untergerichte werden dahin abgeändert, daß der Antrag der Mutter, die monatlichen Unterhaltsbeiträge für Eva-Maria von S 4.000,-- auf S 7.000,-- und für Almut von S 4.000,-- auf S 6.000,-- je ab 1.3.1994 zu erhöhen, zur Gänze abgewiesen wird.

Text

Begründung

Eva-Maria und Almut sind die ehelichen Kinder des Otto und der Maria H*****, deren Ehe mit Beschluß vom 20.8.1993 gemäß § 55a EheG geschieden wurde. In dem anläßlich der Ehescheidung getroffenen Vergleich vereinbarten die Eltern, daß die Obsorge hinsichtlich der Kinder der Mutter zukommt. Der Vater verpflichtete sich, ab 1.9.1993 monatliche Unterhaltsbeiträge von je S 4.000,-- für die Kinder zu leisten. Das Liegenschaftsvermögen der Eheleute wurde dergestalt aufgeteilt, daß Maria H***** ihrem Mann eine ihr allein gehörende Liegenschaft sowie ihren Hälfteanteil an einer bis dahin im Miteigentum der Eheleute stehenden Liegenschaft übertrug, sodaß Otto H***** nunmehr Alleineigentümer beider Liegenschaften wurde. Als Gegenleistung verpflichtete sich Otto H***** zur Zahlung von S 2 Mill. an seine Frau. Überdies verpflichtete er sich, ihr in den Monaten September bis Dezember 1993 einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von S 10.000,-- zu leisten. Darüber hinaus verzichteten die Eheleute wechselseitig auf jedweden Unterhalt. Die Kinder wachsen seit der Trennung der Eltern bei der Mutter auf. Mit Beschluß vom 18.2.1994 genehmigte das Erstgericht die die Kinder betreffenden Punkte der Scheidungsvereinbarung.

Mit am 24.2.1994 eingelangtem Antrag begehrte die Mutter die Erhöhung der Unterhaltsbeiträge auf S 7.000,-- für Eva-Maria und auf S 6.000,-- für Almut, und zwar je ab 1.3.1994. Sie behauptete, daß der Vater über ein monatliches Einkommen von etwa S 50.000,-- verfüge. Dieses Einkommen sei ihr bei Vergleichsabschluß nicht bekannt gewesen, sodaß sich die Unterhaltsregelung lediglich am Durchschnittsbedarf der Kinder orientiert habe.

Der Vater sprach sich gegen jede Unterhaltserhöhung aus.

Das Erstgericht erhöhte die Unterhaltsbeiträge ab 1.8.1994 im beantragten Ausmaß und wies das Erhöhungsbegehren für die Zeit vom 1.3. bis 31.7.1994 ab. Es stellte fest, daß der Mutter bei Abschluß des Scheidungsvergleiches bekannt war, daß der Vater über ein monatliches Einkommen von rund S 50.000,-- verfügt. Eine Gefährdung des Kindesunterhaltes sei durch die Unterhaltsvereinbarung der Eltern nicht eingetreten. Da aber der Bedarf der Kinder und die Lebenshaltungskosten im allgemeinen innerhalb eines Jahres entsprechend gestiegen seien, sei der Unterhaltsbetrag ab einem etwa ein Jahr nach Abschluß des Scheidungsvergleiches liegenden Zeitraum in einer dem Einkommen des Vaters angemessenen Weise zu erhöhen. Bis dahin sei keine so wesentliche Änderung eingetreten, die eine Erhöhung zu einem früheren Zeitpunkt rechtfertige.

Diesen Beschluß bekämpften sowohl der Vater als auch die Mutter mit Rekurs. Das Gericht zweiter Instanz gab keinem der Rekurse Folge und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und führte weiters aus, daß bei einer erforderlichen Neubemessung des Kindesunterhaltes infolge Bedarfssteigerung nicht an einer bestimmten Relation zum Einkommen des Vaters, wie sie allenfalls dem Unterhaltsvergleich zugrundegelegt worden sei, festzuhalten sei. Der vom Erstgericht nunmehr festgesetzte Beitrag sei dem Einkommen des Vaters durchaus angemessen. Innerhalb einer kürzeren als einer einjährigen Frist sei allerdings keine wesentliche Änderung der Umstände eingetreten. Der Wegfall der nur für vier Monate vereinbarten Unterhaltsverpflichtung des Vaters für die Mutter sei von den Parteien bei Vergleichsabschluß bedacht, aber nicht zum Anlaß genommen worden, den Kindesunterhalt ab Jänner 1994 mit einem höheren Betrag zu vereinbaren. Es sei daher auch insoweit keine Änderung der Verhältnisse eingetreten, die ein vorzeitiges Abgehen von der Unterhaltsvereinbarung rechtfertigen würde.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Vaters ist zulässig und berechtigt.

Die Entscheidungen der Untergerichte stehen im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, daß die Neubemessung der Unterhaltsansprüche im allgemeinen nicht völlig losgelöst von der bestehenden vergleichsweisen Regelung und der in ihr zum Ausdruck kommenden Konkretisierung der Bemessungsgrundsätze zu erfolgen hat (ÖAV 1992, 157 ua). Unterhaltsvergleiche stehen bis zu einer nicht bloß unbedeutenden Änderung der beiderseitigen Verhältnisse einer neuerlichen Unterhaltsfestsetzung entgegen (EFSlg 35.237; ÖAV 1985, 48 ua). Nur eine erhebliche Änderung der Unterhaltsbedürfnisse des Kindes rechtfertigt eine Änderung der Unterhaltsverpflichtung des Vaters, nicht auch ein nur unbedeutender Mehraufwand (ÖAV 1992, 155). Nach welchem Zeitraum geänderte Verhältnisse anzunehmen sind, richtet sich nach mehreren Kriterien, insbesondere nach dem Alter des Kindes, zumal die Bedürfnisse bei Kindern oft schon nach kurzer Zeitspanne sprunghaft ansteigen, wie zB beim Wechsel vom Säuglings- ins Kleinkindalter, beim Schuleintritt usw (1 Ob 534/93).

Es läßt sich zwar keine allgemein gültige Regel aufstellen, nach Ablauf welchen Zeitraumes jedenfalls von einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse auszugehen ist (ebenfalls 1 Ob 534/93). Wendet man jedoch die aufgezeigten Rechtsgrundsätze auf den hier zu beurteilenden Fall an, ist das Vorliegen von derart geänderten Umständen, die infolge der einem Unterhaltsvergleich grundsätzlich innewohnenden Umstandsklausel (SZ 26/222 uva) eine Änderung der Unterhaltsbemessung angezeigt erscheinen ließen, auszuschließen.

Daß das Einkommen des Vaters seit dem Vergleichsabschluß bis zur Entscheidung erster Instanz gestiegen sei, wurde weder behauptet noch ist derartiges hervorgekommen. Die Kinder gehören nach wie vor denselben Altersstufen wie im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses und der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung an, für die die Rechtsprechung in Unterhaltssachen von gleichbleibenden Prozentsätzen als Richtlinie für die Belastbarkeit des Unterhaltspflichtigen ausgeht (Eva-Maria: 15 bis 19 Jahre, Almut: 10 bis 15 Jahre). Daß dessenungeachtet besondere Bedarfssteigerungen, etwa durch Übertritt in eine andere Schule, stattgefunden hätten, wurde nicht behauptet und ist nach dem Akteninhalt auch nicht anzunehmen, weil sich aus dem Bericht des Amtes für Jugend und Familie vom 14.2.1994 ergibt, daß Eva-Maria die 2.Klasse der HAK und Almut die 3.Klasse der Hauptschule besuchten und daher davon auszugehen ist, daß die Kinder im nun laufenden Schuljahr die nächsthöheren Klassen des jeweiligen Schultyps besuchen.

Da der Mutter das Einkommen des Vaters bei der Vereinbarung über den Unterhalt der Kinder bekannt war, sie sich aber dennoch mit Unterhaltsbeiträgen zufriedengab, die nicht bzw. nicht wesentlich über dem Durchschnittsbedarf der Kinder liegen, ist davon auszugehen, daß sie sich durchaus imstande fühlte, den Kindern einen ausreichenden Lebensstandard zu sichern. Daß sich ihre eigenen finanziellen Verhältnisse drastisch verschlechtert hätten und die Kinder deshalb nunmehr eine Einbuße des bisherigen Lebensstandards hinnehmen müßten, läßt sich weder dem Vorbringen der Mutter noch dem sonstigen Akteninhalt entnehmen, verdient sie doch nunmehr nach eigenen Behauptungen S 8.000,-- monatlich, während sie zunächst auf die Unterhaltsleistungen von S 10.000,-- monatlich angewiesen war. Zudem sind ihr aus der Vermögensaufteilung 2 Mill.S zugeflossen. Eine Gefährdung des Kindeswohls (vgl. 2 Ob 508/92 = ÖAV 1992, 145) kann daher derzeit in der Beibehaltung der vergleichsweisen Unterhaltsregelung nicht erblickt werden.

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