OGH 1Ob637/94

OGH1Ob637/9423.11.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Pimmer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Theodor Strohal, Rechtsanwalt in Wien als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Renate F*****, wider die beklagte Partei Mag. Johann H*****, vertreten durch Dr. Herbert Rabitsch, Rechtsanwalt in Wien, wegen 103.080 S sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgerichts vom 28. September 1993, GZ 11 R 143/93-27, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 25. Jänner 1993, GZ 10 Cg 143/90-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Beklagte war seit Jahren Steuerberater des Spenglermeisters Alois H***** (im folgenden Mandant), der für seinen Sohn ein bestimmtes Gasthaus kaufen und in der Rechtsform einer Gesellschaft mbH betreiben wollte. Der Mandant - der unter Zeitdruck stand, weil er befürchtete, die Gäste könnten sich verlaufen - wandte sich an Peter E*****, einen Angestellten des Beklagten (im folgenden nur Angestellter des Beklagten), der zuerst zu einer Neugründung einer Gesellschaft mbH riet, was der Mandant aus Zeitgründen ablehnte. Der Angestellte des Beklagten wußte aber durch Zufall von einem „GmbH-Mantel“, der Vera A***** Gesellschaft mbH (im folgenden auch nur Gesellschaft), die angeblich noch keine Geschäftstätigkeit entfaltet hatte. Da der Erwerb des „GmbH-Mantels“ dem Mandanten ein gangbarer Weg schien, holte der Angestellte des Beklagten Erkundigungen ein, ob Verbindlichkeiten dieser Gesellschaft bestünden. Da dies nicht der Fall war, handelte er in der Folge mit beiden Seiten aus, daß Franz M***** und Vera A***** ihre Geschäftsanteile dem Mandanten, der keine direkten Verhandlungen führte, entgeltlich abtreten. Im Hinblick auf die eingeholten Auskünfte und Buchhaltungsunterlagen erklärte der Angestellte des Beklagten dem Mandanten, man könne beim Erwerb ein Risiko ausschließen. Im Detail wurde über die Risikofrage beim Erwerb des „GmbH-Mantels“, insbesondere über buchhalterisch nicht erfaßbare Dinge, nicht gesprochen, weil es der Mandant eilig hatte.

Da der Mandant den Eindruck hatte, der Beklagte wisse nicht, daß sein Angestellter für ihn tätig werde, sondern annahm, dieser tue dies hinter dem Rücken seines Chefs, erkundigte er sich kurz beim Beklagten, ob das in Ordnung gehe. Der Beklagte erwiderte, er wisse von der Sache, das gehe in Ordnung, und äußerte keine Bedenken gegen den Erwerb der Geschäftsanteile der Vera A***** Gesellschaft mbH durch den Mandanten. Daß ein derartiger Erwerb durch die Gattin des Mandanten für diese risikolos sei, sagte der Beklagte nicht. Eine derartige Frage wurde ihm vom Mandanten auch nicht gestellt.

Für einen vom Angestellter des Beklagten beim Notar zur Errichtung des Abtretungsvertrags arrangierten Termin lag dem Notar eine vom Angestellten des Beklagten unterfertigte, mit einem Stempel des Beklagten versehene Information zur Verfügung. Alle weiteren Informationen erhielt der Notar an Ort und Stelle einerseits von den beiden Gesellschaftern der Gesellschaft mbH, Franz M*****, der auch Geschäftsführer war, und Vera A***** sowie andererseits vom Mandanten und dessen Gattin; die Vertragsparteien kamen damals auch erstmals miteinander in Kontakt. Franz M***** erklärte über Befragen des Notars, daß die Gesellschaft nie eine Geschäftstätigkeit entfaltet habe und keine Gesellschaftsschulden bestünden. Er erwähnte keine Grundstückstransaktion der Gesellschaft. Die Gattin des Mandanten erwarb mit Notariatsakt vom 5. Juli 1983 alle Geschäftsanteile der Vera A***** Gesellschaft mbH, wobei die abtretenden Parteien dafür hafteten, daß die Gesellschaft frei von irgendwelchen Verbindlichkeiten sei, und sich verpflichteten, sollten irgendwelche Verbindlichkeiten auftreten, die die Gesellschaft betreffen und sich auf einen Zeitpunkt vor dem Tag des Vertragsabschlusses beziehen, zu bezahlen und die übernehmende Partei völlig klag-und schadlos zu halten. Im Zusammenhang mit diesem Erwerb legte der Beklagte weder Kostennote noch erhielt er ein Honorar. Der Angestellte des Beklagten erhielt vom Mandanten für seine Tätigkeit und auch für die Errichtung eines Pachtvertrags rund 5.000 S. Dem Mandanten war bewußt, mit dem Angestellten des Beklagten ein Privatgeschäft getätigt zu haben.

Zufolge rechtskräftigen Urteils des Handelsgerichts Wien hat der Kläger als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der der Renate F***** (5 S 9/87 des Handelsgerichts Wien) gegen die - seit 1987 im Firmenbuch gelöschte - Katharina H***** Gesellschaft mbH, die Rechtsnachfolgerin der Vera A***** Gesellschaft mbH, eine Forderung von 3,275.340 S sA. Zur Bereinigung dieses Anspruchs traten der Mandant und seine Gattin am 9.Juni 1989 dem Kläger als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Renate F***** alle ihnen zustehenden Ansprüche gegen die früheren Inhaber der Geschäftsanteile der Vera A***** Gesellschaft mbH und den Beklagten aus der Übertragung der Geschäftsanteile an der (vormaligen) Vera A***** Gesellschaft mbH ab. Der Mandant und seine Gattin übernahmen keine Haftung für die Durchsetzbarkeit und Einbringlichkeit der abgetretenen Forderungen, wogegen der Kläger auf die Inanspruchnahme von allenfalls bestehenden, persönlichen Haftungen des Mandanten und seiner Gattin für Verbindlichkeiten der Katharina H***** Gesellschaft mbH verzichtete.

Die Vorinstanzen wiesen das Schadenersatzbegehren des klagenden Masseverwalters als Zessionar von 103.080 S sA (Anwaltskosten, Steuern, Registergebühren, Notariatskosten für den Abtretungsvertrag und für die Liquidation der Gesellschaft, Abtretungspreis) ab, weil der beklagte Steuerberater hier keine steuerberatende Tätigkeit übernommen habe, sodaß eine Haftung nach § 1299 ABGB nicht in Frage komme. Für ein allfälliges Fehlverhalten seines Angestellten hafte der Beklagte nicht, weil es sich bei der Vermittlung des Erwerbs eines „GmbH-Mantels“ und der dabei vorgenommenen Beratung um ein Privatgeschäft seines Angestellten mit dem Mandanten gehandelt habe.

Die außerordentliche Revision des Klägers ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der klagende Masseverwalter als Zessionar stützt sein Schadenersatzklagebegehren gegen den beklagten Steuerberater einerseits auf eine behauptete Nachlässigkeit von dessen Angestellten bei Überprüfung der Bonität einer Gesellschaft mbH, deren Geschäftsanteile die Gattin des Mandanten, die ebenso wie der Mandant selbst Zedentin ist, erwarb und dadurch behauptetermaßen Vermögensschäden erlitt, und andererseits auf die Auskunft des Beklagten gegenüber dem Mandanten, er wisse von der Sache, das gehe in Ordnung.

a) Die Vorinstanzen haben festgestellt, daß es sich bei der Vermittlung des Erwerbs des „GmbH-Mantels“ und der entsprechenden Beratung um ein Privatgeschäft zwischen dem Mandanten, dem dies auch bewußt war, und dem Angestellten des Beklagten handelte. Erfüllungsgehilfe ist, wer nach den tatsächlichen Verhältnissen mit dem Willen des Schuldners bei Erfüllung der dem Schuldner obliegenden Verbindlichkeit als seine Hilfsperson tätig wird (SZ 63/201, SZ 55/123 je mwN ua; Koziol, Österr. Haftpflichtrecht2 II 340). Bei einem Privatgeschäft zwischen dem Angestellten des Steuerberaters als dessen Gehilfen und dem Mandanten des Steuerberaters wird keine Verbindlichkeit des Steuerberaters erfüllt, sondern eine eigene Verpflichtung des Gehilfen. Die Haftung nach § 1313a ABGB setzt einen Zusammenhang des schadensursächlichen Gehilfenverhaltens mit der vom Haftenden geschuldeten Leistung voraus. Wie dieser Zusammenhang allgemein zu umschreiben und wann er im Einzelfall als gegeben anzunehmen ist, muß nach dem aus dem gesamten System des genormten Schadenersatzrechts abzuleitenden Risikozuweisungszweck der genannten Gesetzesstelle ermittelt werden. Übernimmt der Gehilfe eine, wenn auch in sachlichem, räumlichem und zeitlichem Zusammenhang mit der geschuldeten Leistung stehende, aber doch im Wirtschaftsleben allgemein als selbständige Leistung gewertete und auch regelmäßig als solche entgoltene Leistung auf ausdrückliches Verlangen des Gläubigers wie hier, scheidet das damit verbundene Verhalten des Gehilfen jedenfalls aus dem Haftungsbereich des Leistungsschuldners aus, wenn die vom Gläubiger begehrte Leistung objektiv nicht eine bloße Konkretisierung der geschuldeten Leistung, sondern deren umfängliche Erweiterung darstellt. In einem solchen Fall verwirklicht sich im Verhalten des Gehilfen eine unmittelbare Anweisung des Gläubigers, die auch die Zuweisung des Fremdausführungsrisikos an ihn rechtfertigt. Denn er bestimmt die Leistung, nicht der Schuldner, den diesbezüglich keine Leistungsverpflichtung traf und dessen Leitungs- und Weisungsrecht dem Gehilfen gegenüber der Gläubiger selbst im Umfang seiner eigenen Anordnung ausschaltete (JBl 1982, 654). Eine Haftung des Beklagten nach § 1313a ABGB für eine allfällige Nachlässigkeit seines Angestellten kommt daher nicht in Betracht.

Für eine allfällige Besorgungsgehilfenhaftung des Beklagten für seinen Angestellten nach § 1315 ABGB fehlen die Voraussetzungen im Tatsachenbereich. Auf ein deliktisches Verhalten des Beklagten hat der Kläger seinen Anspruch nicht gestützt.

b) Die Behauptung des Klägers, der Beklagte habe dem Mandanten die Risikolosigkeit des Erwerbs der Geschäftsanteile der Gesellschaft - ausdrücklich - zugesagt, ist durch die Beweisergebnisse nicht erwiesen worden. Zu prüfen bleibt, ob die Erklärung des Beklagten, er wisse von der Sache, das gehe in Ordnung, als solcher haftungsauslösend sein kann. Der Kläger vertritt dazu im wesentlichen die Auffassung, durch diese zustimmende Äußerung des Beklagten auf eine Frage des Mandanten, ob alles in Ordnung gehe, falle die gesamte Beratung im Zusammenhang mit dem Erwerb des „GmbH-Mantels“ auch in den beruflichen Tätigkeitsbereich des Beklagten, unabhängig davon, ob der Beklagte für diese Abwicklung Honorar verlangt und erhalten habe oder nicht.

Der Beklagte war nach den Feststellungen jahrelang als Steuerberater des Mandanten tätig, es oblag ihm daher aufgrund dieser Tätigkeit für den Mandanten eine Schutz-, Fürsorge- und Aufklärungspflicht. Die Äußerung des Beklagten, er wisse von der Sache, das gehe in Ordnung, kann durchaus als „Rat“ iS des § 1299 ABGB - der beklagte Steuerberater übt ein derartiges „qualifiziertes Gewerbe“ aus (GesRZ 1989, 223 ua) - dahin verstanden werden, der Beklagte habe die Angelegenheit geprüft und es bestehe kein erkennbares wirtschaftliches Risiko für den Erwerber dieser Geschäftsanteile. Da die Auskunfts- und Fürsorgepflicht des Steuerberaters nicht überspannt werden darf, kann von ihm nur der Fleiß und die Kenntnis verlangt werden, die seine Fachgenossen gewöhnlich haben (HS XIV, XV/7 mwN). Die Auskunfts- und Fürsorgepflicht reicht nur so weit, als für den Steuerberater aus einem Fehlverhalten der Eintritt eines Schadens für seinen Mandanten beim gewöhnlichen Lauf der Dinge voraussehbar ist (vgl SZ 34/153; 1 Ob 620/87, 3 Ob 606/83 zur Haftung des Rechtsanwalts). Ob dies hier vorliegt, das heißt, ob eine von den früheren Gesellschaftern (vorsätzlich oder fahrlässig) verschwiegene und in den Bilanzen und Buchhaltungsunterlagen der Gesellschaft offenbar nicht aufscheinende Grundstückstransaktion und daraus resultierende Forderungen gegenüber der Gesellschaft mbH für den Beklagten unter Anwendung eines objektiven Maßstabs (GesRZ 1989, 223) im allgemeinen und hier im besonderen vorhersehbar war und ob er in seine Beratung auch die Gefahren von aus den Büchern nicht ersichtlichen Geschäftsfällen hätte miteinbeziehen müssen, kann derzeit mangels entsprechender Feststellungen noch nicht verläßlich beurteilt werden.

Aber auch der objektive Erklärungswert der beanstandeten Äußerung des Beklagten kann derzeit noch nicht ausreichend gedeutet werden, weil die entsprechenden Feststellungen des Erstrichters zu undeutlich sind, um sicher sagen zu können, der Beklagte habe mit seiner Äußerung den Mandanten nicht beraten.

Die Geschäftsanteile an der Gesellschaft mbH erwarb nicht der Mandant, sondern seine Gattin. Ob der allenfalls beratene Mandant in diesem Zusammenhang geschäftliche Dispositionen traf, steht zwar nicht fest, ist aber belanglos, weil nach Auffassung des erkennenden Senats die Gattin des Mandanten in den Schutzbereich einer allenfalls unrichtigen Beratung - falls die Erklärung des Beklagten so zu verstehen ist - miteinbezogen war (vgl SZ 59/51 und SZ 58/4, je mwN). Steuerberater und Mandant können - auch stillschweigend - vereinbaren, daß ersteren auch Sorgfaltspflichten gegenüber dritten Personen treffen, sofern der Mandant mit seinem Auftrag gerade auch die Interessen bestimmter Dritter mitverfolgt und dies dem Steuerberater erkennbar ist (vgl RdW 1985, 9 mwN). Als Familienmitglied des beratenen Mandanten muß seine Gattin als erkennbar miteinbezogen angesehen werden, zumal für Art und Umfang des - allfälligen - Rats bedeutungslos war, ob die Geschäftsanteile vom Mandanten oder einem von dessen Familienangehörigen erworben werden. Der Pflichtenkreis des Steuerberaters wird dadurch nicht unzumutbar ausgeweitet. Auch ein bloßer (reiner) Vermögensschaden - wie hier geltend gemacht - ist in einem solchen Fall zu ersetzen, wenn auch die Hauptleistung erkennbar gerade dem Dritten zukommen soll: Die spezifischen Sorgfaltspflichten wären sonst niemandem gegenüber zu beachten, dem Gläubiger nicht, weil er die Leistung nicht erhält, und dem Dritten nicht, weil er nicht Vertragspartner ist. Eine Haftung gegenüber dem Dritten wird deshalb dann bejaht, wenn bei der zu erbringenden Leistung - wie hier - erkennbar auch die (Vermögens)Interessen des Dritten verfolgt und die Entschlüsse des Dritten beeinflußt wurden (SZ 59/51 mwN). Die Gattin des Mandanten hat auch ihre eigenen Ansprüche gegen den Beklagten an den nun klagenden Masseverwalter abgetreten.

Zum in erster Instanz vorgebrachten Verjährungseinwand kann beim derzeitigen Sachstand noch nicht Stellung genommen werden. Es ist nur aktenkundig, daß die Abtretung, auf die der Kläger seinen Ansprüche stützt, vom 9. Juni 1989 datiert und die Klage am 14. März 1990 bei Gericht überreicht wurde; wann allerdings die Geschädigten vom Schaden Kenntnis erlangten und ob sie dem Kläger eine bereits verjährte Forderung abtraten, steht nicht fest. Auch zu den übrigen Einwendungen des Beklagten zur Grund und Höhe der Klagsforderung kann noch nicht Stellung bezogen werden.

Demgemäß muß dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen werden.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Stichworte