Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.
Der erstgerichtliche Beschluß, der in seinem Punkt 3. als unbekämpft unberührt bleibt, und der rekursgerichtliche Beschluß werden, soweit in diesen über die der Minderjährigen weiter gewährten Unterhaltsvorschüsse abgesprochen wurde (Punkte 1. und 2. des erstgerichtlichen Beschlusses), dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:
„1. Die der Minderjährigen gemäß § 3, § 4 Z 1 und § 18 UVG weitergewährten Vorschüsse auf den gesetzlichen Unterhalt in monatlicher Höhe von S 2.400 werden mit Wirksamkeit vom 1.4.1994 eingestellt.
2. Der Präsident des Oberlandesgerichtes Wien wird angewiesen, ab 1.4.1994 keine weiteren Vorschüsse an die Minderjährige auszuzahlen.“
Text
Begründung
Das Erstgericht stellte die der Minderjährigen gemäß § 3, § 4 Z 1 und § 18 UVG weiter gewährten Unterhaltsvorschüsse von monatlich S 2.400 mit Wirksamkeit vom 30.11.1992 ein (Punkt 1.), ersuchte den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien, Vorschüsse ab dem 1.12.1992 nicht mehr auszuzahlen (Punkt 2.), und wies den Antrag der Minderjährigen, deren Vater ab dem 1.1.1994 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 3.100 zu verhalten, ab (Punkt 3.). Zur Begründung führte es aus, der Unterhaltsschuldner sei seit 12.11.1992 polizeilich abgemeldet, nach der Auskunft seiner Ehegattin halte er sich seither in einem Ort in Serbien auf. In Österreich werde ihm weder eine Aufenthalts- noch eine Beschäftigungsbewilligung erteilt, sodaß er außerstande sei, im Inland einem Erwerb nachzugehen, der es ihm ermöglichte, seiner Unterhaltsverpflichtung nachzukommen; gleiches gelte auch mit Rücksicht auf die an seinem gegenwärtigen Aufenthaltsort herrschenden wirtschaftlichen Verhältnisse, sodaß nicht nur die Unterhaltsvorschüsse gemäß den §§ 30 und 27 UVG einzustellen seien, sondern auch der Unterhaltserhöhungsantrag abgewiesen werden müsse.
In Stattgebung des von der Minderjährigen lediglich gegen die Punkte 1. und 2. des erstinstanzlichen Beschlusses erhobenen Rekurses hob das Gericht zweiter Instanz diesen Beschluß im bekämpften Umfang ersatzlos auf und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Es führte im wesentlichen aus, bei den gegebenen Umständen müßten die gemäß § 7 Abs 1 UVG geforderten begründeten Bedenken verneint werden. Die Abwesenheit des Unterhaltsschuldners spreche nicht gegen seine Unterhaltsverpflichtung, zumal seine Leistungsfähigkeit anzuspannen sei. Überdies sei der Unterhaltsschuldner bei einer am 4.3.1993 gegen ihn abgeführten Hauptverhandlung beim Landesgericht St. Pölten erschienen und habe dort seinen Wohnort in Wien angegeben. Unbekannte Verhältnisse seien nicht zum Nachteil des Kindes auszulegen; aus dem Aufenthalt in Serbien könne noch nicht geschlossen werden, daß der Vater nicht doch für den Unterhalt der Minderjährigen aufkommen könne, sei es doch auch möglich, daß er dort in guten Verhältnissen lebe. Wie die Ergebnisse des „Strafakts“ zeigten, könnten auch Aufenthalte in Österreich nicht ausgeschlossen werden.
Rechtliche Beurteilung
Der vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien dagegen erhobene Revisionsrekurs ist teilweise berechtigt.
Gemäß § 7 Abs 1 Z 1 UVG hat das Gericht die Vorschüsse ganz oder teilweise zu versagen, soweit - unter anderem - im Falle des § 3 und des § 4 Z 1 UVG begründete Bedenken bestehen, daß die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltspflicht (noch) besteht. Dieser Versagungsgrund setzt nicht die offenkundige Abweichung des Unterhaltstitels von der (geänderten) materiellen Rechtslage voraus, sondern ordnet die Versagung der Unterhaltsvorschüsse für den Fall an, daß gegen die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltspflicht begründete Bedenken bestehen. Solche Bedenken sind dann gegeben, wenn nach der Sachlage bei der Entscheidung über den Vorschußantrag mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, daß die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltspflicht schon bei der Schaffung des Titels unangemessen war oder infolge erst nachher eingetretener Änderung der Bemessungsgrundlagen unangemessen geworden ist (EvBl 1993/34; 1 Ob 607/93 ua). Das ist mit dem Rechtsmittelbewerber zu bejahen:
Es ist zwar richtig, daß sich der Unterhaltsschuldner im Herbst 1993 noch - zumindest teilweise - in Österreich aufgehalten hat, auf Grund des im Akt erliegenden Berufungsbescheides des Landesarbeitsamtes Niederösterreich vom 28.2.1994 hat das Erstgericht indessen unbekämpftermaßen festgestellt, daß ihm - als „De-facto-Flüchtling“ bosnischer Herkunft - in Österreich keine Aufenthalts- und Beschäftigungsbewilligung erteilt wird; daß sich der Unterhaltsschuldner jedenfalls derzeit in Serbien aufhält, wird auch dadurch belegt, daß der erstinstanzlichen Beschluß an den von seiner Ehegattin bekanntgegebenen Aufenthaltsort in Serbien zugestellt wurde. Daß - worauf das Rekursgericht besonders hinweist - Aufenthalte des Schuldners im Inland nicht ausgeschlossen werden könnten, kann nichts daran ändern, daß er im Inland bei den gegebenen Verhältnissen rechtens keinem Erwerb nachgehen kann, der ihn in die Lage versetzte, seiner vom Erstgericht festgesetzten Unterhaltsverpflichtung zu entsprechen; vor allem eine an den wirschaftlichen Verhältnissen im Inland orientierte Anspannung seiner Leistungsfähigkeit kommt deshalb nicht in Betracht. Es ist zwar nicht völlig ausgeschlossen, daß der Vater der Minderjährigen in Österreich, ohne polizeilich gemeldet zu sein und auch ohne Beschäftigungsbewilligung, einem Erwerb nachgeht, es fehlt aber nach dem Akteninhalt dafür jedweder Anhaltspunkt.
Zutreffend verweist der Präsident des Oberlandesgerichtes Wien auch darauf, daß der Unterhaltsschuldner mit Rücksicht auf seinen Status als „De-facto-Flüchtling“ bosnischer Abstammung, vor allem aber angesichts der allgemein bekannten prekären wirtschaftlichen Verhältnisse in Serbien (galoppierende Inflation und extrem hohe Arbeitslosenrate), die nicht erst durch die vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gegen die Bundesrepublik Jugoslawien verhängten Wirtschaftssanktionen (zuletzt BGBl 1993/313) ausgelöst, gewiß aber dadurch verschärft wurden, mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit auch dort zumindest keine solche Beschäftigung finden kann, die es ihm ermöglichte, für seine Tochter auch nur geringe Unterhaltsleistungen zu erübrigen, ohne seine existentiellen Bedürfnisse dadurch zu gefährden. Unbedenklich, aber bezeichnend sind in diesem Zusammenhang auch die Angaben der Ehegattin des Unterhaltsschuldners vom 11.4.1994, der Unterhaltsschuldner finde an seinem derzeitigen Aufenthaltsort keinen Arbeitsplatz, sodaß sie ihm mit Geldbeträgen auszuhelfen genötigt sei.
Folgerichtig muß deshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden, daß dieser Unterhaltsschuldner außerstande ist, nennenswerte Unterhaltsleistungen zu erbringen. Das trifft jedenfalls für die Zeit ab der endgültigen Versagung der Beschäftigungsbewilligung durch die Berufungsbehörde der Arbeitsmarktverwaltung zu, sodaß die Titelvorschüsse in teilweiser Stattgebung des Revisionsrekurses des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien mit Wirksamkeit ab 1.4.1994 einzustellen sind (§ 7 Abs 1 Z 1 und § 20 Abs 1 Z 4 lit b UVG).
Es ist deshalb spruchgemäß zu entscheiden.
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