OGH 5Ob32/94

OGH5Ob32/9422.11.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Grundbuchssache der Antragstellerin P***** Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr.Franz Kreibich ua Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Wiederherstellung von Pfandrechtseintragungen und wegen Streitanmerkungen ob der Liegenschaft EZ ***** des Grundbuches ***** infolge Revisionsrekurses der Miteigentümer 1.) Mag.Yvonne W*****, vertreten durch Dr.Reinhard Bruzek und Dr.Heinz Ager, Rechtsanwälte in Salzburg-Elsbethen, 2.) Günther M*****, Ingenieur, ***** 3.) Rosemarie M*****, Hausfrau, ebendort, und 4.) Dr.Walter M*****, Direktor, ***** die letztgenannten drei Miteigentümer vertreten durch Dr.Gerald Jann und Dr.Arnold Gangl, Rechtsanwälte in Salzburg gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgerichtes vom 25. November 1993, AZ 22 R 530/93, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom 19.Juli 1993, TZ 10515/93, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs des Revisionsrekurswerbers Günther M***** wird nicht Folge gegeben.

Die Revisionsrekurse der anderen Rechtsmittelwerber werden zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die A***** Gesellschaft mbH war zu 1046/1216 Anteilen Miteigentümerin der im Kopf dieser Entscheidung genannten Liegenschaft. Unter C-LNR 5b und 6b waren ob diesen Miteigentumsanteilen Höchstbetragspfandrechte zugunsten der Antragstellerin einverleibt. Mit dem am 2.7.1993 der Antragstellerin als betroffener Pfandgläubigerin zugestellten, am 7.6.1993 gefaßten und vollzogenen Beschluß bewilligte das Erstgericht der A***** Gesellschaft mbH, vertreten durch den damaligen Rechtsanwalt Dr.J***** auf Grund der von der Antragstellerin am 6.5.1993 ausgestellten Löschungserklärung die Einverleibung der Löschung der genannten Höchstbetragspfandrechte (TZ 7199/93). Die Einverleibung der Löschung dieser Pfandrechte wurde durch Übertragung der betreffenden Grundbuchseintragungen in das Verzeichnis der gelöschten Eintragungen bewirkt (§ 3 Abs 2 GUG).

Die A***** Gesellschaft mbH verkaufte einen Teil ihrer Miteigentumsanteile an verschiedene Käufer, darunter an die unter Pkt. 1.) genannte Revisionsrekurswerberin (B-LNR 14; TZ 7205/1993 im Rang TZ 6103/1992), die unter Pkt. 2.) und 3.) genannten Revisionsrekurswerber (B-LNR 22c und d - Eigentumvormerkung zu TZ 7208/1993 und 7209/1993 jeweils im Rang TZ 6103/1992) und den vierten Revisionsrekurswerber (B-LNR 16; TZ 7206/1993 im Rang TZ 6103/1992).

Die Antragstellerin stellte am 16.7.1993 (TZ 10515/93) den Antrag, die mit Beschluß TZ 7199/93 gelöschten Pfandrechtseintragungen C-LNR 5b und 6b ob den 1046/1216 Anteilen der A***** Gesellschaft mbH wieder herzustellen und bei diesen gemäß § 66 Abs 1 GBG die Streitanmerkung zu bewilligen. Die Antragstellerin begründete ihr Begehren damit, sie hätte seinerzeit die Löschungserklärung vom 6.5.1993 dem Rechtsanwalt Dr.J***** treuhändig mit der Widmung übergeben, von dieser Urkunde erst nach Zahlung eines Betrages von S 490.000,- auf das von der A***** Gesellschaft mbH bei der Antragstellerin unterhaltene Konto Gebrauch zu machen. Entgegen dieser ausdrücklichen Treuhandbedingung habe Dr.J***** keine Zahlung veranlaßt, wohl aber von der ihm übergebenen Löschungserklärung mit Grundbuchseingabe vom 17.5.1993 (TZ 7199/93) Gebrauch gemacht. Die Antragstellerin habe deshalb gegen Dr.J***** Strafanzeige erstattet. Gleichzeitig legte die Antragstellerin eine Bestätigung des Landesgerichtes Salzburg vor, wonach die Anzeige der Antragstellerin in das gegen Dr.J***** laufende Strafverfahren (25 Vr 1498/93 des LG Salzburg) gemäß § 56 StPO einbezogen und die Voruntersuchung auf dieses Faktum ausgedehnt wurde.

Das Erstgericht stellte die Pfandrechtseintragungen C-LNR 5b und 6b unter anderem ob den von den mittlerweile erfolgten Eigentumseinverleibungen bzw. Eigentumsvormerkungen der Revisionsrekurswerber betroffenen Miteigentumsanteilen im Hauptbuch wieder her, trug dort unter C-LNR 5c und 6c die Einverleibung der Pfandrechtslöschung ein und merkte unter C-LNR 5d und 6d auf Grund des Antrages der Antragstellerin die Streitanhängigkeit an.

Das Rekursgericht bestätigte über Rekurs eines Teiles der betroffenen einverleibten und vorgemerkten Miteigentümer, darunter auch der nunmehrigen Revisionsrekurswerber, den Beschluß des Erstgerichtes mit der Maßgabe, daß dem Wortlaut der Streitanmerkung die Wendung "gemäß § 66 Abs 1 GBA" angefügt wurde und sprach aus, daß der Wert der Entscheidungsgegenstände jeweils S 50.000,- übersteigt (ohne dies mit den Einheitswerten zu begründen) und daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Das Rekursgericht führte rechtlich im wesentlichen folgendes aus:

Die treuwidrige Verwendung der Löschungsurkunde durch den Treuhänder habe zu einer Verletzung der bücherlichen Rechte der Antragstellerin, nämlich zur Einverleibung der Löschung der für sie einverleibten Pfandrechte geführt. Das Verhalten des Treuhänders bewirke - gehe man von dem von der Antragstellerin behaupteten Vorsatz und der Schädigungsabsicht aus - den Verdacht der Untreue im Sinne des Strafgesetzbuches. Damit seien die Voraussetzungen des § 66 Abs 1 GBG zur bücherlichen Eintragung der in dieser Gesetzesbestimmung vorgesehenen Streitanmerkung erfüllt.

Auch die Argumentation der Rekurswerber, daß eine Wiedereintragung bereits gelöschter Rechte auf Grund des § 66 Abs 1 GBG nicht erfolgen könne, sei nicht überzeugend:

Die automationsunterstützte Führung der Grundbücher habe zur Folge, daß mit der Einverleibung der Löschung die gelöschte Eintragung nur noch im Verzeichnis der gelöschten Eintragungen aufscheine. Um die Publizitätswirkung der Streitanmerkung herbeizuführen, sei es jedoch notwendig, diese Streitanmerkung im Hauptbuch vorzunehmen. Grundbuchstechnisch sei daher nur die vom Erstgericht gewählte Vorgangsweise sinnvoll, nämlich das bereits gelöschte Pfandrecht, das als solches ja nicht wiederum einverleibt, sondern nur im Hauptbuch dargestellt werde, wieder herzustellen und ebenso die unmittelbar daran anschließende Einverleibung der Löschung.

§ 66 Abs 1 GBG räume die Möglichkeit der Streitanmerkung unter den dort gegebenen Voraussetzungen ein, wozu gehöre, daß eine Einverleibung infolge einer strafgesetzlich verbotenen Handlung erwirkt worden sei und die in § 61 GBG bezeichneten Rechtswirkungen gegen spätere Eintragungen begründet werden sollten. Darunter sei die Wirkung des § 61 Abs 2 GBG zu verstehen. Ob diese Wirkung für die Antragstellerin praktische Bedeutung erlangen könne, sei nicht zu prüfen. Der Behauptung der Rekurswerber, daß sich solche Wirkungen nicht auf sie selbst beziehen könnten, sei zu erwidern, daß ihnen in einem solchen Fall die Beschwer für ihr Rechtsmittel fehlte. Das Grundbuchsgericht habe daher zutreffend die im angefochtenen Beschluß enthaltene Vorgangsweise gewählt. Zur Verdeutlichung, daß sich die Antragstellerin ausdrücklich auf § 61 Abs 1 GBG berufen habe, hätte die Bestätigung des erstgerichtlichen Beschlusses mit der Maßgabe zu erfolgen, daß die Anmerkung des Streites (gemäß Punkt 2.) des angefochtenen Beschlusses) "gemäß § 66 Abs 1 GBG" erfolge.

Da zur konkreten Frage eine höchstgerichtliche Rechtsprechung nicht vorliege, sei im Hinblick auf die Bedeutung der Rechtsfrage für Rechtseinheit, Rechtssicherheit und Rechtsentwicklung der ordentliche Revisionsrekurs zulässig.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richten sich die Revisionsrekurse der im Kopf dieser Entscheidung genannten Buchberechtigten mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß der Antrag der Antragstellerin abgewiesen werde.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionsrekurse der im Kopf dieser Entscheidung unter 1.), 3.) und 4.) genannten Rechtsmittelwerber sind unzulässig; der Revisionsrekurs des Günther M***** ist nicht berechtigt.

a) Zur Unzulässigkeit der zurückgewiesenen Revisionsrekurse:

Der Oberste Gerichtshof ist an einen Bewertungsausspruch des Rekursgerichtes (§ 126 Abs 1 GBG iVm § 13 Abs 1 AußStrG) dann nicht gebunden, wenn dieser zwingende Bewertungsvorschriften verletzt (RZ 1992, 73/28 ua). Zwingende Bewertungsvorschriften stellen gemäß § 13 Abs 2 AußStrG die §§ 57 und 60 Abs 2 JN dar, wonach in Angelegenheiten, welche nur die Sicherstellung einer Forderung oder ein Pfandrecht zum Gegenstand haben - hier: Die Streitanmerkung betreffend die Löschung eines Pfandrechtes -, der Betrag der Forderung, oder wenn der Pfandgegenstand einen geringeren Wert hat, dessen Wert für die Bewertung des Streitgegenstandes maßgebend ist, wobei gemäß § 60 Abs 2 JN als Wert einer grundsteuerpflichtigen unbeweglichen Sache jener Betrag anzusehen ist, welcher als Steuerwert für die Gebührenbemessung in Betracht kommt (nunmehr der Einheitswert (- 5 Ob 1068/91 = JUS Extra 916)). Da die Begründung des Rekursgerichtes für seinen Bewertungsausspruch erkennen ließ, daß es nicht von diesen zwingenden Bewertungsvorschriften ausging, hat der Oberste Gerichtshof den Einheitswert der Liegenschaft erhoben. Dieser beträgt für die ganze Liegenschaft S 498.000,-. Auf die einverleibten bzw vorgemerkten Miteigentumsanteile der unter Pkt.1.), 3.) und 4.) angeführten Revisionsrekurswerber entfallen von diesem Einheitswert gemäß § 3 Bewertungsgesetz 1955, BGBl Nr.148, Beträge, die S 50.000,-

nicht übersteigen. Die Revisionsrekurse dieser Rechtsmittelwerber sind daher gemäß § 126 Abs 2 GBG iVm § 14 Abs 2 Z 1 AußStrG unzulässig. Sie waren daher zurückzuweisen.

b) Zur Zulässigkeit des Revisionsrekurses des zweiten Rechtsmittelwerbers:

Die Antragstellerin begehrte die in § 66 Abs 1 GBG geregelte Streitanmerkung noch innerhalb der ihr gegen die Bewilligung der Pfandrechtslöschung offenstehenden Rekursfrist. Dies hat gemäß § 66 Abs 2 GBG zur Folge, daß der Anspruch der Antragstellerin auf Ungültigerklärung der Einverleibung auch gegen dritte Personen gewahrt wird, die noch vor der Streitanmerkung im guten Glauben erworben haben - hier: gegen den unter Pkt.2.) angeführten Revisionsrekurswerber, der erst nach Pfandrechtslöschung die Vormerkung seines Eigentumsrechtes erwirkt hat. Schon wegen dieser Wirkung ist Günther M***** zum Revisionsrekurs legitimiert, weil er durch diese Anmerkung in seinem bücherlichen Recht beeinträchtigt wird, im Falle der Rechtfertigung der Vormerkung das bisher bloß vorgemerkte Eigentumsrecht als einverleibter Eigentümer weiterhin von dem vor seiner Eigentumsvormerkung bereits gelöschten Pfandrecht unbelastet beibehalten zu dürfen.

Der Umstand, daß sich die Antragstellerin in ihrem Antrag auf § 66 Abs 1 GBG berief, bedeutet nicht, daß die Streitanmerkung bloß mit den in § 66 Abs 1 GBG genannten Folgen unter Ausschluß der in § 66 Abs 2 GBG genannten Rechtswirkungen zu erfolgen hätte. Die Berufung auf § 66 Abs 1 GBG bedeutet lediglich, daß die dort an sich geregelte Streitanmerkung mit allen damit verbundenen Rechtsfolgen begehrt wird. Diese Rechtsfolgen sind unterschiedlich je nachdem, ob das Begehren auf Streitanmerkung noch vor Ablauf der Rekursfrist oder erst später gestellt wurde. Immer handelt es sich um eine und dieselbe Streitanmerkung, deren verschiedene Wirkungen ohne weiteres Zutun des Antragstellers bloß abhängig vom Zeitpunkt der Antragstellung eintreten. Es ist daher gegebenenfalls auch die in § 66 Abs 2 GBG geregelte Rechtswirkung mit der nach § 66 Abs 1 GBG begehrten und in dieser Norm generell vorgesehenen Streitanmerkung verbunden.

c) Zur Sachentscheidung:

Nach dem Vorbringen der Antragstellerin, gedeckt durch die vorgelegte Bestätigung des Landesgerichtes Salzburg über die erstattete Strafanzeige, wurde die Einverleibung der Löschung der zugunsten der Antragstellerin im Grundbuch eingetragenen Pfandrechte durch eine strafbare Handlung des von ihr bestellten Treuhänders bewirkt. Es ist jedoch nicht erforderlich, daß der durch die streitige Einverleibung Begünstigte - hier: der dritte Revisionsrekurswerber - selbst die strafbare Handlung begangen oder auch nur daran teil genommen hat (MGA Grundbuchsrecht4 § 66 GBG/E 5). Dies folgt schon daraus, daß sich die Wirkung der Streitanmerkung im Falle der Antragstellung vor Ablauf der Rekursfrist sogar auf dritte Personen bezieht, welche beim Rechtserwerb gutgläubig waren.

Der Antrag der Antragstellerin im Zusammenhang mit der vorgelegten Bestätigung des Landesgerichtes Salzburg enthält auch die Behauptung von Umständen, aus denen im Fall ihres Zutreffens auf einen solchen Zusammenhang zwischen der Einverleibung und der angezeigten strafbaren Handlung geschlossen werden kann, der aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen die Ungültigkeit der Einverleibung nach sich ziehen würde (SZ 37/65; EvBl 1965/408). Wie das Rekursgericht zutreffend ausführte, besteht gegen den Treuhänder auf Grund des in der Anzeige geschilderten Sachverhaltes der Verdacht der Untreue. Gerade dieses Verhalten des Treuhänders führte zu Einverleibung der Löschung der zugunsten der Antragstellerin grundbücherlich eingetragenen Pfandrechte. Es kommt nicht darauf an, daß es sich beim Rechtsverhältnis zwischen der Antragstellerin und ihrem Treuhänder um ein bloß obligatorisches handelt.

Auch der Einwand des Revisionsrekurswerbers, § 66 GBG lasse eine Wiederherstellung des früheren Grundbuchsstandes nicht zu, ist nicht berechtigt:

§ 66 GBG sieht die Streitanmerkung für den Fall vor, daß eine Einverleibung in Folge einer strafgesetzlich verbotenen Handlung erwirkt wurde. Einverleibungen können nach § 8 Z 1 GBG unbedingte Rechtserwerbungen oder Löschungen sein. In der hier zu beurteilenden Rechtssache wurde die Streitanmerkung bei der Einverleibung der Löschung von Pfandrechten begehrt und bewilligt. Dies steht mit § 66 Abs 1 GBG im Einklang. Grundbuchstechnisch konnte das in der Form durchgeführt werden, daß nunmehr die Einverleibung der Löschung der Pfandrechte, die durch bloße Übertragung der gelöschten Eintragung in das Verzeichnis der gelöschten Eintragungen erfolgt war (§ 3 Abs 2 GUG), im Hauptbuch selbst eingetragen wird. Andere Rechtsfolgen sind mit dieser Form der Pfandrechtslöschung - Eintragung im Hauptbuch selbst statt bloßer Übertragung der gelöschten Eintragung in das Verzeichnis der gelöschten Eintragungen - nicht verbunden: In beiden Fällen wird mit dem gleichen Rang die Einverleibung der Löschung eines Pfandrechtes bewirkt. Auch grundbuchsrechtliche Vorschriften stehen dem nicht entgegen. Gemäß § 3 Abs 1 GUG steht nämlich das Verzeichnis der gelöschten Eintragungen dem Hauptbuch gleich. Gemäß § 3 Abs 2 GUG hat die Einverleibung der Löschung nur dann durch bloße Übertragung in das Verzeichnis der gelöschten Eintragungen zu erfolgen, wenn die Wiedergabe des Grundbuchsstandes dadurch nicht beeinträchtigt wird. Soll aber bei einer Einverleibung der Löschung angemerkt werden, daß die Einverleibung streitig sei (§ 66 Abs 1 GBG), so rechtfertigt die unbeeinträchtigte Wiedergabe des Grundbuchsstandes im Sinne des § 3 Abs 2 GUG die von den Vorinstanzen eingehaltene Vorgangsweise.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

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