OGH 9ObA215/94

OGH9ObA215/9416.11.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Mag.Eva-Maria Sand und Winfried Kmenta als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Margarete G*****, Private, ***** vertreten durch Dr.Christine Wolf, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei Christa S*****, ***** vertreten durch Dr.Christoph Raabe, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, infolge Revision der Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 6.April 1994, GZ 32 Ra 4/94-33, womit infolge Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 27.April 1993, GZ 4 Cga 186/93p-26, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens bilden weitere Kosten des Verfahrens erster Instanz.

Text

Begründung

Die Klägerin ist Eigentümerin des Hauses *****. Die Beklagte war von ihr ab 29.Juli 1991 beschäftigt und bewohnt in diesem Haus eine Dienstwohnung. Am 25.Juni 1992 entließ die Klägerin die Beklagte.

Die Klägerin begehrt, die Beklagte zur Räumung der Dienstwohnung zu verpflichten und brachte vor, daß die Beklagte als Bedienerin und Hausgehilfin für Haus und Wohnung sowie Gartenpflege beschäftigt worden sei. Die Beklagte sei vor allem mit Tätigkeiten für die Klägerin, wie Vorbereiten des Frühstücks, Aufräumen der Wohnung, Ausführen des Hundes beschäftigt gewesen und sei nur fallweise beauftragt worden, die Stiegen zu putzen. Der Gehsteig und die Garage seien einmal monatlich von Gerhard W***** gereinigt worden; dieser habe auch den Rasen gemäht. Die Beklagte habe nie Schnee geschaufelt; mit der Schneeräumung sei die Firma W***** beauftragt worden. Das Reinigen der Fenster und Lampen im Stiegenhaus sei von Eva W***** und fallweise auch von Gerhard W***** durchgeführt worden. Die Beklagte habe weder Gebrechen gemeldet noch kleinere Wartungsarbeiten durchgeführt. Solche Arbeiten habe Gerhard W***** erledigt. Die Beklagte habe auch nie auf das Haus aufgepaßt, sondern sei jede Woche Donnerstag oder Freitag zu Verwandten in die Steiermark gefahren und erst am Montag wieder zurückgekehrt. Es habe daher kein Hausbesorgerdienstverhältnis bestanden. Während der Erkrankung der Beklagten habe sich die Klägerin nur ab und zu nach ihrem Gesundheitszustand erkundigt und gefragt, wann sie wieder mit einer Aufnahme der Tätigkeit rechnen könne. Am 25.Juni 1992 habe die Klägerin die Beklagte aufgesucht und sie in aller Ruhe gefragt, wann sie gedenke, die Wohnung zu räumen, da die Klägerin genügend Bewerber um diesen Posten habe. Die Klägerin halte eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht mehr für zweckentsprechend und strebe daher eine einvernehmliche Regelung an. Im Laufe dieses Gespräches habe sich die Beklagte zu Boden fallen lasse. Als sich die Klägerin bemühte, ihr aufzuhelfen, habe die Beklagte geschrien, die Klägerin habe sie geschlagen. Daraufhin sei noch der Gatte der Beklagten erschienen und habe die Klägerin gröblich beschimpft. Die Klägerin habe sofort die Wohnung der Beklagten verlassen; die Beklagte habe aber dann noch die Polizei verständigt. Die Klägerin habe die Entlassung der Beklagten ausgesprochen, weil sie sie wahrheitswidrig beschuldigt habe, eine Körperverletzung begangen zu haben.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie sei von der Klägerin als "Bedienerin, Hausgehilfin für Haus und Wohnung sowie Gartenpflege" angestellt worden. Als Entlohnung seien 13.240 S sowie die Beistellung einer Dienstwohnung gegen ein Pauschale von 240 S pro Monat vereinbart worden. Die Beklagte habe für die Klägerin persönlich das Frühstück vorbereitet, die Wohnung aufgeräumt und den Hund spazierengeführt. Für das gesamte Haus habe sie folgende Arbeiten verrichtet: zweimal wöchentlich Stiegen waschen, Gehsteig und Garage kehren, Rasenmähen, Schneeschaufeln, Fenster im Stiegenhaus putzen, Lampen im Stiegenhaus reinigen, die Sauna in Ordnung halten. Weiters habe die Beklagte im Haus auftretende Gebrechen sofort melden müssen und kleinere Wartungsarbeiten (Glühbirnen austauschen; Verputzarbeiten im Stiegenhaus) selbst durchführen müssen und ganz generell auf das Haus - insbesondere während der häufigen Abwesenheiten der Klägerin - aufpassen müssen. Bei Bedarf habe die Beklagte auch Tor und Türe zusperren müssen. Trotz Beauftragung des Schneeräumungsunternehmens sei bei Bedarf die Schneeräumung von der Beklagten durchzuführen gewesen, insbesondere an Wochenenden; weiters seien die Wege am Grundstück von der Beklagten zu räumen und zu streuen gewesen. Die Beklagte sei während ihrer Tätigkeit für die Klägerin nur zweimal am Wochenende in der Steiermark gewesen. Die Beklagte habe bei Dienstbeginn der Klägerin ihren Mann und ihr Kind vorgestellt und habe ihr Mann der Klägerin ein Leumundszeugnis vorlegen müssen. Im Hinblick auf die von der Beklagten verrichteten Tätigkeiten habe ein Hausbesorgerdienstverhältnis bestanden. Die der Beklagten zur Verfügung gestellte Dienstwohnung habe sie mit Wissen und Willen der Klägerin gemeinsam mit ihrem Ehegatten und dem gemeinsamen siebenjährigen Sohn bewohnt. Die Arbeitszeit der Beklagten habe laut Dienstschein 40 Stunden pro Woche betragen sollen; tatsächlich sei die Beklagte von der Klägerin weit über dieses Ausmaß in Anspruch genommen worden; bisweilen habe ihr auch ihr Ehemann helfen müssen, da sie die Arbeiten alleine nicht geschafft hätte. Am 15.Juni 1992 sei die Beklagte von ihrer Hausärztin krankgeschrieben worden. Am 17. Juni 1992 habe der Lungenfacharzt der Beklagten mitgeteilt, daß sie wahrscheinlich einen Lungeninfarkt habe und ihr acht Tage Bettruhe verordnet. Die Beklagte habe dies der Klägerin mitgeteilt, doch habe diese den Krankenstand mehr oder weniger ignoriert und die Beklagte immer wieder aufgefordert, endlich die Arbeit wieder aufzunehmen. Am 25.Juni 1992 sei die Klägerin wieder in die Wohnung der Beklagten gekommen und habe mit ihren Vorhaltungen begonnen. Als die Beklagte die Klägerin daraufhin aufforderte, die Wohnung zu verlassen, habe sie die Klägerin angeschrien: "Das ist meine Wohnung, ich mache hier was ich will" und die Beklagte tätlich angegriffen. Die Beklagte habe daraufhin über Notruf die Polizei um Hilfe gebeten. Die Klägerin habe noch vor dem Eintreffen der Polizei die Wohnung verlassen. Die Beklagte habe den Polizisten den Vorfall geschildert, habe sich ins Polizeikommissariat Hietzing begeben und dort aufgrund der vom Amtsarzt festgestellten Verletzungen Anzeige gegen die Klägerin erstattet. Insgesamt habe sich die Beklagte bis zum 17.Juli 1992 im Krankenstand befunden, davon im Zeitraum vom 1.Juli bis 10. Juli 1992 in stationärer Behandlung im pulmologischen Zentrum der Stadt Wien. Da die Beklagte keinen der in § 20 HBG normierten Entlassungsgründe gesetzt habe, sei die Entlassung unbegründet und damit rechtsunwirksam. Das Hausbesorgerdienstverhältnis sei weiterhin aufrecht und die Räumungsklage verfehlt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:

Vor Beginn des Dienstverhältnisses stellte die Klägerin einen Dienstschein aus, wonach die Beklagte als Bedienerin, Hausgehilfin für Haus und Wohnung sowie Gartenpflege per 29.Juli 1991 aufgenommen wurde. Die Streitteile vereinbarten, daß die Beklagte der am 7.Mai 1922 geborenen Klägerin den Haushalt führen hilft, daß sie alles sauber und rein halte, ihr die Wäsche wäscht und ab und zu kocht. Dafür erhielt die Beklagte im Haus der Klägerin einen Wohnraum samt Küche sowie WC und Dusche gegen ein monatliches Pauschale von 240 S exklusive Strom und Beheizung sowie eine monatliche Bruttoentlohnung von 13.240 S. Außer der kleinen Dienstwohnung der Beklagten befinden sich im Haus der Klägerin noch zwei große Wohnungen. Das Haus hat zwei Stockwerke. In der ca 150 bis 180 m2 großen Wohnung der Klägerin räumte die Beklagte auf, reinigte die Böden und Teppiche mit dem Staubsauger, wischte Staub und wusch und bügelte die Wäsche. Weiters putzte die Beklagte die 20 Fenster in der Wohnung der Klägerin und einmal im Jahr die Luster. Ferner hatte die Beklagte das Auto der Klägerin zu pflegen; es war innen zu saugen und zu wischen. Die Beklagte verrichtete auch Arbeiten in dem 90 m2 großen, drei Fenster aufweisenden Stiegenhaus. Das 23 m lange und mit Schmiedeeisenarbeiten versehene Stiegengeländer sowie die im Stiegenhaus befindlichen 50 Bilder waren abzustauben. Ferner führte die Beklagte Ausbesserungsarbeiten im Stiegenhaus und im Keller durch. Einmal täglich kehrte die Beklagte den Gehsteig und die Garage. Auch im 900 m2 großen Garten verrichteten die Beklagte und ihr Gatte Arbeiten, wie Mähen, Gießen, Sträucher umsetzen und Erdarbeiten. Mit der Räumung des ca 20 m langen Gehsteiges ist ein Schneeräumunternehmen beauftragt, doch haben auch die Beklagte und ihr Gatte Schnee geschaufelt, als es im Winter 1991/92 zweimal schneite. Weiters hatte die Beklagte die Hausmauer und die Zaunmauer zu reinigen. Bei Glatteis wurde der Gehsteig vom Gatten der Beklagten gestreut. Zu den Aufgaben der Beklagten gehörte auch das Hinausstellen der Müllcontainer jeweils am Mittwoch früh. Ferner half die Beklagte der Klägerin beim Aufräumen zweier von der Klägerin unter anderem zur Verwahrung von Urkunden, Wäsche und Pelzen benützten Räumen im Dachboden. Sie reinigte auch die im Keller gelegene Sauna mit WC, Dusche und Ruheraum und räumte den Weinkeller der Klägerin auf.

Die Arbeiten im Haushalt der Klägerin sowie die Gartenpflege überwogen weit die Tätigkeiten der Beklagten für das Haus.

Rechtlich folgerte das Erstgericht, daß das Hauptgewicht der Tätigkeit der Beklagten und ihre überwiegenden Aufgaben in den Dienstleistungen für die Klägerin, deren Wohnung, im Garten und in der Pflege ihres Fahrzeuges gelegen seien; diese Tätigkeiten gehörten nicht zu den Aufgaben eines Hausbesorgers. Im übrigen sei es im vorliegenden Haus, das nur zwei Wohnungen aufweise, kaum nötig, einen Hausbesorger zu beschäftigen. Auch das Entgelt von 13.240 S bei einer Größe des Stiegenhauses von 90 m2 und einer Gehsteiglänge von 20 m spreche gegen das Vorliegen eines Hausbesorgerdienstverhältnisses. Die Beklagte sei daher nicht als Hausbesorgerin, sondern als Hausgehilfin beschäftigt gewesen. Nach Beendigung ihres Dienstverhältnisses sei die Beklagte verpflichtet, die ihr beigestellten Räumlichkeiten zurückzustellen.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 50.000 S übersteigt. Auch wenn man noch zusätzlich davon ausginge, daß die Beklagte das Haus auf- und zuzusperren und fallweise zu lüften gehabt habe, komme man nicht zum Ergebnis, daß diese Tätigkeiten die Tätigkeit im Haushalt der Klägerin überwogen hätten, so daß die Voraussetzungen für die Annahme eines Hausbesorgerdienstverhältnisses nicht vorliegen. Im übrigen spreche auch die Beauftragung eines Schneeräumungsunternehmens gegen das Vorliegen eines Hausbesorgerdienstverhältnisses.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Gemäß § 2 Z 1 HBG, BGBl 1970/16, sind Hausbesorger Personen, die sowohl die Reinigung als auch die Wartung und Beaufsichtigung eines Hauses im Auftrag des Hauseigentümers gegen Entgelt zu verrichten haben. Nach den EB zur RV 1419 BlgNR 11.GP, 11 ff ist der Begriff des Hausbesorgers grundsätzlich dem § 1 HBO 1957 entnommen und lag bereits der HBO 1922 zugrunde. Die drei in den §§ 3 und 4 näher ausgeführten kumulativen Kriterien - Beaufsichtigung, Wartung und Reinigung - seien von der Rechtsprechung schon bisher als Essentialia des Hausbesorgerdienstverhältnisses angesehen worden. Dabei sei die Koppelung des Hausbesorgerdienstvertrages mit anderen Verträgen, so mit einem Dienst- oder Mietvertrag, insofern unerheblich, als die zwingenden Vorschriften dieses Gesetzes jedenfalls Anwendung zu finden hätten, wenn die obgenannten drei Vertragsmerkmale kumulativ vorlägen (zu § 2 Z 1). Durch Herausnehmen einzelner Pflichten, wie Stiegenhausreinigung oder Gehsteigreinigung aus dem Pflichtenkreis einer die übrigen Hausbesorgertätigkeiten verrichtenden Person gehe die Hausbesorgereigenschaft nicht verloren (zu § 4 Abs 1).

Wird ein Hausbesorgerdienstvertrag mit einem anderen Vertrag gekoppelt, sind alle zwingenden Bestimmungen der einzelnen gekoppelten Vertragstypen einzuhalten. Dabei ist es für die Anwendung der zwingenden Bestimmungen des HBG unmaßgeblich, ob die Hausbesorgerdienstleistungen überwiegen oder nicht, zumal es für den Begriff des Hausbesorgers gar nicht wesentlich ist, daß die Arbeitskraft vollständig oder zum größten Teil von den typischen Hausbesorgerarbeiten erschöpft wird. Werden neben den Hausbesorgerdiensten noch andere, etwa hauswirtschaftliche oder gewerbliche Dienstleistungen ausbedungen, sind, sofern der Geltungsbereich des HBG nicht durch eine § 1 Abs 2 HBG zu unterstellende Vertragsgestaltung berührt wird, an zwingenden Vorschriften des HBG insbesondere die sich aufgrund der §§ 7, 10 und 12 HBG ergebende Entgelthöhe sowie , wenn dem Dienstnehmer eine Dienstwohnung überlassen wurde, der besondere Kündigungsschutz (§§ 18 Abs 6 und 22 HBG) maßgebend (siehe Meinhart Kommentar zum HBG I/13 f; Arb 6691; 7150; 10.565; 9 Ob A 35/94).

Sollten der Beklagten demnach - wenn auch neben der überwiegenden Tätigkeit als Hausgehilfin - die wesentlichen - auch die Beaufsichtigung umfassenden - Pflichten einer Hausbesorgerin oblegen sein, kommt ihr für die gegenständliche Dienstwohnung der Kündigungsschutz nach § 18 Abs 6 und 7 HBG zu. Da die Kündigung eines Hausbesorgerdienstverhältnisses mit Dienstwohnung gemäß § 22 HBG nur gerichtlich erfolgen kann, wäre in diesem Fall zu prüfen, ob die Beklagte ein ihre Entlassung rechtfertigendes Verhalten gesetzt hat. Im fortgesetzten Verfahren wären daher auch Feststellungen zu den divergierenden Parteienbehauptungen über das Verhalten der Beklagten vor Ausspruch der Entlassung durch die Klägerin zu treffen.

Der Revision war daher im Sinne des Aufhebungsantrages Folge zu geben und die Sache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Der Vorbehalt bezüglich der Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

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