OGH 8Ob528/94

OGH8Ob528/9410.11.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag, Dr.Langer, Dr.Rohrer und Dr.Adamovic als weitere Richter in der Rechtssache der wiederaufnahmsklagenden Partei Maria H*****, Pensionistin, ***** wider die wiederaufnahmsbeklagten Parteien 1. Johann S*****, Landwirt, 2. Franz Scheibl, Altlandwirt, 3. Aloisia S*****, Hausfrau, alle ***** wegen Wiederaufnahme der verbundenen Verfahren 1 C 533/91 und 1 C 571/91 des Bezirksgerichtes Frankenmarkt, infolge Rekurses der Wiederaufnahmsklägerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wels vom 8.Oktober 1993, GZ R 643,644/93-6, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Zwischen dem am 26.März 1949 geborenen Josef H*****, dem Sohn der Wiederaufnahmsklägerin und Verfasser der Wiederaufnahmsklage, und diversen Grundnachbarn sind bzw waren eine große Zahl von den Verlauf von Grundgrenzen und das Bestehen diverser Servituten betreffenden Rechtsstreitigkeiten anhängig. Josef H***** ist Eigentümer diverser Liegenschaften, die mit Übergabsvertrag vom 15.März 1972 übereignet wurden. Weiters hat er mit Kaufvertrag vom 26.November 1990 eine kleinere Liegenschaft erworben. Im Hinblick auf die aus mehreren verlorenen Prozessen resultierenden Kostenforderungen der Prozeßgegner ließ Josef H***** im Jahre 1988 ob den erstgenannten Liegenschaften ein Veräußerungs- und Belastungsverbot zugunsten seiner am 1.Jänner 1911 geborenen Mutter Maria H***** (deren Wohnungs- und Ausgedingsrechte vorrangig einverleibt sind) einverleiben. Er veranlaßte auch bereits seit längerer Zeit seine völlig unter seinem Einfluß stehende Mutter - die seit dem Jahre 1972 nicht mehr Grundeigentümerin ist - dazu, von ihm als Grundeigentümer verlorene Prozesse neuerlich aufzurollen. Gegen Maria H***** sind wegen daraus resultierender Kostenforderungen Exekutionen anhängig. Die bisher auf § 530 Abs 1 Z 1, 2 und 7 ZPO gestützten Wiederaufnahmsklagen wurden regelmäßig bereits im Vorprüfungsverfahren zurückgewiesen.

Nunmehr brachten Josef und Maria H***** zu R 638,639,640,641,642,643,644,648,691 und 692/93 des Landesgerichtes Wels verschiedene Wiederaufnahmsklagen ein. Sie stützten sich dabei jeweils auf § 530 Abs 1 Z 4 ZPO, weil nach ihrer Auffassung die erkennenden Richter "in wiederholter vorsätzlicher Schädigungsabsicht sie in staatsbürgerlichen, grundbücherlichen, verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundrechten, an ihrer Ehre, an ihrem besseren Fortkommen, insbesondere finanziell, an ihrer Existenz, durch gesetzlich unvertretbare, akten- und faktenwidrige und im Widerspruch zur präjudiziellen Judikatur des Obersten Gerichtshofes, der geltenden Gesetzeslage und der Realität, in Verdacht der wiederholten vorsätzlichen Verletzung der geltenden Gesetze des StGB, ZPO, JN, StGG, B-VG, ABGB, MRK verletzt und geschädigt und ihnen auch zum Großteil einen unwiederbringlichen hohen Schaden beweisbar zugefügt hätten".

Im vorliegenden Fall beantragte Maria H***** die Wiederaufnahme des durch Urteil des Bezirksgerichtes Frankenmarkt vom 26.Februar 1993, 1 C 533/91 (1 C 579/91) erledigten, aber nicht rechtskräftig abgeschlossenen Anfechtungsverfahrens sowie die Bewilligung der Verfahrenshilfe für dieses Verfahren und lehnte zugleich diverse Richter des Landesgerichtes Wels als befangen und ausgeschlossen ab.

Das Oberlandesgericht Linz verweigerte unter Hinweis auf die zahlreichen erfolglosen, die zuständigen Prozeßrichter des Bezirksgerichtes Frankenmarkt sowie die Rechtsmittelrichter des Landesgerichtes Wels betreffenden Ablehnungsanträge des Josef H***** und seiner Mutter Maria H***** (seit 1989 wurden mehr als 60 derartige Anträge gestellt, davon allein 15 im Jahre 1993) die Sachentscheidung über den neuen Ablehnungsantrag. Mit Beschluß vom 28. Juli 1993, 8 Fs 504/93 wies der Oberste Gerichtshof den Fristsetzungsantrag der Wiederaufnahmsklägerin zurück, weil sie die in ihrem Ablehnungsantrag gegen die Richter erhobenen Verdächtigungen und Beschuldigungen und Beschuldigungen mit keinerlei konkreten Tatsachenbehauptungen belegt und solcherart überprüfbar gemacht habe. Da die Wiederaufnahmsklägerin bereits in der Vergangenheit zahlreiche gleichartige - unberechtigte - Ablehnungsanträge eingebracht habe und auf die Unzulässigkeit von Pauschalverdächtigungen hingewiesen worden sei, billige der Oberste Gerichtshof die Rechtsauffassung des Oberlandesgerichtes Linz, daß mit dem gegenständlichen Ablehnungsantrag das Ablehnungsrecht rechtsmißbräuchlich in Anspruch genommen werde und wies den von der Wiederaufnahmsklägerin gestellten Fristsetzungsantrag unter Hinweis auf die Entscheidung EvBl 1989/18 ab.

Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Landesgericht Wels die Wiederaufnahmsklage zurück (Punkt 1), den Antrag, der Wiederaufnahmsklägerin die Verfahrenshilfe zu bewilligen ab (Punkt 2) und sprach aus, daß gegen Punkt 1 der Revisionsrekurs zulässig, gegen Punkt 2 der Revisionsrekurs hingegen jedenfalls unzulässig sei. In der auf § 530 Abs 1 Z 4 ZPO gestützten Wiederaufnahmsklage werde den zuständigen Richtern ein strafbares Verhalten vorgeworfen, ohne dieses Verhalten zu substantiieren. Der Vorwurf erschöpfe sich darin, daß die Richter den Schriftenverfasser durch ihre Entscheidungen geschädigt hätten. Es handle sich dabei um Pauschalverdächtigungen, die in allen jüngst eingebrachten Wiederaufnahmsklagen mit den gleichen Worten und Phrasen wiederholt würden. Aus dem Vorbringen sei nicht im mindesten zu erkennen, worin das strafbare Verhalten der Richter bestehen solle. Vielmehr zeige sich, daß Josef H***** - hier für seine Mutter - Entscheidungen, die seinen Vorstellungen oder Wünschen nicht entsprechen, nicht akzeptiere und immer wieder neu aufzurollen suche. Im Hinblick auf die inhaltsleeren, ständig wiederholten Pauschalvorwürfe sei es unvertretbar, im Sinne des § 539 Abs 1 ZPO vorzugehen, sondern sei die Klage ungeachtet der Vorschrift des § 537 ZPO im Vorprüfungsverfahren zurückzuweisen. Nur der Vollständigkeit halber sei darauf hinzuweisen, daß das erstgerichtliche Urteil mit der Entscheidung des Berufungsgerichtes vom 5.Juli 1993, R 397,398/93 aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zurückverwiesen worden sei und eine die Sache erledigende Rechtsmittelentscheidung nicht vorliege.

Da die Wiederaufnahmsklägerin eine Bauernpension beziehe und darüber hinaus Anspruch auf umfangreiche Versorgungsleistungen aus dem Übergabsvertrag habe, sei sie imstande, die Kosten der Klage ohne Beeinträchtigung ihres notwendigen Unterhalts zu tragen; die Bewilligung der Verfahrenshilfe komme auch wegen der offenbar aussichtslosen Prozeßführung nicht in Frage.

Gegen den vorgenannten Beschluß richtet sich der Rekurs der Wiederaufnahmsklägerin mit den erkennbaren Anträgen, den angefochtenen Beschluß in seinem Punkt 1 aufzuheben und "ein zuständiges Gericht" mit der Einleitung des gesetzlichen Verfahrens über die Wiederaufnahmsklage zu beauftragen sowie Punkt 2 des angefochtenen Beschlusses im Sinne der Stattgebung des Antrages auf Bewilligung der Verfahrenshilfe abzuändern. Ferner beantragte die Wiederaufnahmsklägerin die Bewilligung der Verfahrenshilfe und Beigebung eines Verfahrenshelfers für das Rechtsmittelverfahren.

Mit Beschluß vom 3.März 1994, R 640-644/93-8, wies das Landesgericht Wels den letztgenannten Antrag ab und sprach aus, daß der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

1. Zum Rekurs gegen Punkt 2 der angefochtenen Entscheidung:

Mit Punkt 2 des angefochtenen Beschlusses hat das Berufungsgericht, bei dem eine Wiederaufnahmsklage gemäß § 532 Abs 1 ZPO eingebracht wurde, den Antrag der Wiederaufnahmsklägerin auf Bewilligung der Verfahrenshilfe im vollen Umfang für das Verfahren über diese Klage abgewiesen.

Der dagegen von der Wiederaufnahmsklägerin erhobene Rekurs ist unzulässig.

Wird eine Wiederaufnahmsklage nicht bei dem Gericht, das im früheren Verfahren in erster Instanz erkannt hat, sondern bei einem Gericht höherer Instanz - hier beim Berufungsgericht des Vorprozesses - erhoben (§ 532 Abs 2 ZPO), dann sind (ua) "in Ansehung der Anfechtbarkeit der Entscheidung diejenigen Bestimmungen maßgebend, welche für das höhere Gericht als Rechtsmittelinstanz maßgebend wären" (§ 535 ZPO). Diese Vorschrift ist zwar ihrem Wortlaut nach auf die Anfechtung von Urteilen beschränkt; der hier normierte Grundsatz muß aber auch für Rechtsmittel gegen Beschlüsse des "höheren" Gerichtes gelten (SZ 19/177; 5 Ob 766/82; EvBl 1985/30; Fasching IV 536 Anm 4 zu § 535). Ist also die Wiederaufnahmsklage beim Berufungsgericht des Vorprozesses angebracht worden, dann unterliegt die Anfechtung der Beschlüsse dieses Gerichtes insbesondere auch den Rekursbeschränkungen des § 528 ZPO (5 Ob 766/82; EvBl 1985/30; Fasching IV 536 Anm 4 zu § 535). Gemäß § 528 Abs 2 Z 4 ZPO sind aber Rekurse gegen Entscheidungen des Gerichts zweiter Instanz "über die Verfahrenshilfe" unzulässig. Da durch diese - auf das Verfahrenshilfegesetz BGBl 1973/569 zurückgehende - Bestimmung alle Entscheidungen über die in den §§ 63 bis 72 ZPO geregelten Gegenstände einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogen sind (Fasching ErgBd 58 Anm 9a zu § 528; Fasching LB2 Rz 2020), kann der angefochtene Beschluß insoweit nicht mehr bekämpft werden, als damit der Antrag der Wiederaufnahmsklägerin, ihr die Verfahrenshilfe zu gewähren, abgewiesen worden ist. Der dagegen gerichtete Rekurs der Wiederaufnahmsklägerin mußte daher als absolut unzulässig zurückgewiesen werden.

2. Zum Rekurs gegen Punkt 1 der angefochtenen Entscheidung:

Mit Punkt 1 des angefochtenen Beschlusses hat das Berufungsgericht die Wiederaufnahmsklage zurückgewiesen und ausgesprochen, daß der Revisionsrekurs gegen diesen Beschluß zulässig sei.

Der gegen diesen Beschluß innerhalb der Rechtsmittelfrist erhobene Rekurs trägt zwar keine Anwaltsunterschrift, ist jedoch von der Sache her grundsätzlich zulässig, weil ein Fall des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO vorliegt. Folgerichtig hätte der Wiederaufnahmsklägerin gemäß § 520 Abs 1 ZPO iVm §§ 84, 85 ZPO die Möglichkeit zur Verbesserung des Rekurses gegeben werden müssen, doch wurde davon Abstand genommen.

Einer Partei ist die Möglichkeit einer Verbesserung fehlerhafter Schriftsätze zu versagen, wenn sie prozessuale Formvorschriften absichtlich und rechtsmißbräuchlich verletzt (JBl 1965, 475; EvBl 1966/406; EvBl 1971/139; SZ 58/17; zuletzt 8 Ob 1672/92; 8 Ob 1524/93; 7 Ob 1549/94), weil nach den Intentionen des Gesetzgebers nur jene Personen vor prozessualen Nachteilen geschützt werden sollen, die versehentlich oder in Unkenntnis der gesetzlichen Vorschriften Fehler begehen.

Im vorliegenden Fall hat die Wiederaufnahmsklägerin nach rechtskräftiger Abweisung ihres mit der Wiederaufnahmsklage verbundenen Antrages auf Bewilligung der Verfahrenshilfe neuerlich ohne Anführung weiterer Gründe die Bewilligung der Verfahrenshilfe und Beigebung eines Verfahrenshelfers zur Unterzeichnung und Modifizierung des gegenständlichen Rekurses beantragt. Nimmt man auch noch auf die gleichartige Vorgangsweise der Wiederaufnahmsklägerin bzw ihres amtsbekanntermaßen die Eingaben für sie verfassenden Sohnes (siehe 8 Ob 556/93) in den anderen gleichzeitig dem Obersten Gerichtshof vorgelegten sechs weiteren Rechtssachen Bedacht, dann muß davon ausgegangen werden, daß die Wiederaufnahmsklägerin bzw ihr in ihrem Namen handelnder Sohn rechtsmißbräuchlich den von vornherein aussichtslosen Antrag auf Verfahrenshilfe nur zur Umgehung der gebotenen anwaltlichen Fertigung des Rekurses stellten, um dann nach Abweisung dieses Antrages rechtsmißbräuchlich die Verbesserungsmöglichkeiten der §§ 84 und 85 ZPO in Anspruch zu nehmen (vgl 3 Ob 562,563/91).

Der Rekurs war daher, soweit er sich gegen Punkt 1 des angefochtenen Beschlusses richtet, als zur geschäftsordnungsgemäßen Behandlung ungeeignet zurückzuweisen.

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