OGH 7Ob624/94

OGH7Ob624/947.11.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Zdravka K*****, vertreten durch Dr.Josef Peißl und Dr.Gisulf Konrad, Rechtsanwälte in Köflach, wider die beklagte Partei Erwin K*****, vertreten durch Dr.Robert A.Kronegger und Dr.Rudolf Lemesch, Rechtsanwälte in Graz, wegen Unterhalt, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 16.Juni 1994, GZ 1 R 178/94-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Endurteil des Bezirksgerichtes Voitsberg vom 15.März 1994, GZ 1 Cg 174/93-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß das Endurteil lautet:

"Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin zuzüglich zu dem mit Teilanerkenntnisurteil vom 20.Jänner 1994, GZ 1 C 174/93-6, des Bezirksgerichtes Voitsberg ab 1.6.1993 festgesetzten monatlichen Unterhaltsbeitrag von S 1.000,-- einen weiteren monatlichen Unterhaltsbeitrag von S 2.700,-- ab 1.11.1993 zu zahlen, und zwar die bis zur Rechtskraft dieses Urteiles fällig gewordenen Beträge binnen 14 Tagen, die in Hinkunft fällig werdenden Beträge jeweils am Ersten eines jeden Monats im Vorhinein.

Das Mehrbegehren auf Zahlung eines weiteren monatlichen Unterhaltsbeitrages von S 500,-- monatlich ab 1.11.1993 wird abgewiesen.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit insgesamt S 17.963,28 bestimmten Verfahrenskosten aller Instanzen (darin enthalten S 2.993,88 USt.) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile sind seit 1978 verheiratet. Die Ehe ist noch aufrecht, es ist aber ein Ehescheidungsverfahren anhängig. Der Ehe entstammen der am 26.1.1981 geborene Erwin und der am 22.4.1987 geborene Mario. Der Klägerin wurde mit Beschluß vom 16.11.1993 die gesonderte Wohnungsnahme bewilligt. Sie zog mit den beiden Kindern aus der Ehewohnung, die nunmehr vom Beklagten alleine benützt wird, aus. Seither ist sie nicht mehr berechtigt, über das Gehaltskonto des Beklagten zu verfügen. Von diesem Gehaltskonto behob sie in der Zeit vom 15.1.1992 bis 14.10.1993 mit Wissen und Zustimmung des Beklagten insgesamt etwa S 200.000,--, die sie zur Anschaffung von Lebensmitteln und zur Bestreitung laufender Zahlungen (Kaufhaus, Fernseh- und Telefongebühr) verwendete. Der Minussaldos dieses Konto von S 27.000,-- wurde vom Beklagten mit dem Weihnachts- und dem Urlaubsgeld für 1993/1994 abgedeckt. Die Klägerin arbeitete in den Jahren 1979 und 1980 9 Monate lang in einer Schuhfabrik. Ansonsten war sie während der Ehe nicht berufstätig. Sie ist derzeit beim Arbeitsamt als arbeitsuchend gemeldet. Der Beklagte ist bei der Firma S***** als Glasmacher beschäftigt. Sein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen beträgt S 19.170,-- einschließlich Sonderzahlungen. Die von ihm für seine beiden Söhne zu leistenden Unterhaltsbeiträge wurden mit Beschluß vom 19.1.1994 mit S 2.500,-- für Erwin und mit S 2.200,-- für Mario, und zwar je ab 1.11.1993, festgesetzt. Der Beklagte leistet monatliche Kreditraten von insgesamt S 4.039,-- an die B***** und an die Q*****-Bank.

Mit ihrer am 30.11.1993 eingebrachten Klage begehrte die Klägerin zunächst einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von S 2.500,--. Sie dehnte ihr Begehren mit Schriftsatz vom 14.1.1994 auf S 5.000,-- monatlich aus. Der Beklagte anerkannte einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von S 1.000,-- und beantragte Abweisung des Mehrbegehrens. Der Klägerin sei die Aufnahme einer Beschäftigung zumutbar. Im übrigen verwies der Beklagte auf seine Sorgepflichten für die beiden Söhne und insbesondere darauf, daß er das überzogene Gehaltskonto abzudecken und die Kredite bei der B***** in der Höhe von S 365.000,-- und bei der Q*****-Bank abzustatten habe. Der Kredit bei der B***** sei im Jahr 1990 großteils für die Anschaffung für Möbel, aber auch (in Höhe von S 55.000,--) zur Abdeckung eines anderen Kredites, der aus der Inanspruchnahme des Beklagten als Gutsteher für serbische Verwandte der Klägerin resultiert habe, aufgenommen worden. Der Kredit bei der Q*****-Bank über S 25.915,-- habe der Finanzierung einer Fernseh-Satellitenanlage gedient. Die Klägerin schränkte daraufhin ihr Unterhaltsbegehren auf insgesamt S 4.200,-- monatlich ein. Sie begründete die Klagseinschränkung damit, "daß sich die Klägerin 50 % der während der Ehe eingegangenen Schulden anrechnen läßt". Es sei richtig, daß der Beklagte S 4.039,-- monatlich an die B***** und an die Q*****-Bank zu zahlen habe.

In der Tagsatzung vom 20.1.1994 wurde auf Antrag der Klägerin ein Teilanerkenntnisurteil gefällt, mit dem der Beklagte verpflichtet wurde, der Klägerin ab 1.11.1993 einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von S 1.000,-- zu zahlen.

Mit Endurteil vom 15.3.1994 verpflichtete das Erstgericht den Beklagten zur Leistung eines weiteren Unterhaltsbeitrages von S 1.800,--, zusammen mit dem Teilurteil somit zu insgesamt S 2.800,-- ab 1.11.1993. Aufgrund der bisher geführten "Hausfrauenehe" und des Umstandes, daß die Klägerin die beiden Kinder betreue, sei von ihr nicht zu verlangen, daß sie eine Arbeit aufnehme. Zudem sei sie ohnehin als arbeitsuchend gemeldet. Ihr Unterhaltsanspruch sei mit 25 % (33 % abzüglich je 4 % für die Kinder) vom durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommen des Beklagten auszumitteln. Hieraus errechne sich ein Betrag von S 4.800,-- monatlich. Hierauf habe sich die Klägerin die Hälfte der von ihr akzeptierten Kreditraten des Beklagten von insgesamt S 4.000,-- (genauer: S 4.039,--) anrechnen zu lassen, sodaß ihr Geldunterhaltsanspruch S 2.800,-- monatlich betrage.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Nach der Rechtsprechung seien zwar Rückzahlungsraten für Darlehen, die für Anschaffungen zur Gestaltung der ehelichen Gemeinschaft und im beiderseitigen Einverständnis der Eheleute aufgenommen worden seien, von der Bemessungsgrundlage - und zwar zur Gänze - abzuziehen. Die Erklärung der Klägerin im vorliegenden Verfahren, daß sie sich 50 % der vom Beklagten zu zahlenden Kreditraten von insgesamt S 4.039,-- anrechnen lasse, lasse jedoch auch nach den Auslegungsregeln des § 914 ABGB nur den Schluß zu, daß sich die Klägerin die Hälfte der vom Beklagten zu tragenden monatlichen Kreditrückzahlungen auf ihren Unterhaltsanspruch anrechnen lasse.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision der Klägerin ist zulässig und berechtigt.

Entgegen der Auffassung des Gerichtes zweiter Instanz kann in der zitierten Erklärung der Klägerin nicht ihr Einverständnis, ihren Unterhaltsanspruch um die halben Kreditrückzahlungsraten zu kürzen, erblickt werden. Diese Erklärung ist im Zusammenhang mit den sonstigen Ausführungen der Parteien zu den Kreditverbindlichkeiten nur dahin zu verstehen, daß die Klägerin einräumt, daß die Schulden für Anschaffungen eingegangen wurden, die auch ihr zugutekamen, und daß sie daher die Hälfte dieser Verbindlichkeiten zu vertreten habe. Auf welche Weise dieser Umstand nach Ansicht der Klägerin bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen sei, ergibt sich aus dem Vorbringen der Klägerin nicht.

Nach der ständigen Rechtsprechung der Gerichte zweiter Instanz sind die vom unterhaltspflichtigen Ehepartner geleisteten Rückzahlungsraten von Darlehen, die (zumindest überwiegend) auch dem anderen Ehepartner zugutekamen - wie insbesondere bei Schulden, die mit der gemeinsamen Lebensführung zusammenhängen -, bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen und grundsätzlich von ihr auszuscheiden (EFSlg 32.822, 44.886, 50.231, 50.234, 53.067, 53.068, 61.766 ua).

Der erkennende Senat hat sich in seiner Entscheidung 7 Ob 662/90, veröffentlicht unter anderem in EFSlg 62.332, mit der Auswirkung von in beiderseitigem Einvernehmen eingegangenen Kreditverbindlichkeiten auf den Kindesunterhalt auseinandergesetzt. Die dortigen Ausführungen sind insoweit auf den Ehegattenunterhalt anwendbar, als auch hier die "ehelichen Lebensverhältnisse" ausschlaggebend sind. Der Ehepartner soll im Sinn des § 94 Abs 2 ABGB durch die Trennung weder besser noch schlechter gestellt werden als bei Fortdauer der ehelichen Lebensgemeinschaft. Es ist daher zu fragen, wie sich der Unterhaltspflichtige verständigerweise bei Fortdauer der ehelichen Gemeinschaft in bezug auf die Schuldentilgung verhalten hätte. Für eine Interessenabwägung, inwieweit Schulden eine Abzugspost von der Unterhaltsbemessungsgrundlage darstellen, sind der Zeitpunkt und die Art ihrer Entstehung, der Zweck, für den sie aufgenommen worden sind, das Einverständnis des Ehepartners zu dieser Schuldaufnahme, die Dringlichkeit der Bedürfnisse des Verpflichteten und des Berechtigten und weiters auch das Interesse an einer Schuldentilgung, um die Verbindlichkeiten nicht weiter anwachsen zu lassen und dadurch die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten weiter zu senken, maßgebend. Eine Berücksichtigung von Schulden ist unter diesen Gesichtspunkten nach billigem Ermessen vorzunehmen.

Von diesen Kriterien ausgehend kommt im vorliegenden Fall ein Abzug der halben Kreditrückzahlungsraten vom Unterhaltsbeitrag nicht in Betracht. Anders als in dem der Entscheidung 7 Ob 529/93 zugrundeliegenden Fall, in dem die Hälfte der vom Ehemann allein getragenen Tilgungsraten für Darlehen, die für die Beschaffung der Ehewohnung aufgenommen wurden, als Naturalunterhalt berücksichtigt und daher vom Unterhaltsbeitrag abgezogen wurden, verblieb hier nicht die Ehefrau, sondern der unterhaltspflichtige Ehemann in der Ehewohnung. Ihm kommen daher derzeit die teilweise mit Krediten finanzierten Anschaffungen für die Ehewohnung zugute.

Bei Weiterbestehen der ehelichen Lebensgemeinschaft hätte der Beklagte wohl auch weiterhin die Schulden alleine getilgt, wie es seiner Beistandspflicht gegenüber der einkommenslosen Klägerin entsprochen hätte. Der Familie wäre daher auch weiterhin insgesamt weniger an Haushaltsbudget zur Verfügung gestanden, wobei diese Situation von beiden Ehegatten in Kauf genommen wurde, weil sie die Schulden im beiderseitigen Einvernehmen eingingen. Eine Gleichstellung mit dieser Situation ist daher am ehesten dadurch zu erreichen, daß die Tilgungsraten von der Bemessungsgrundlage und nicht vom Unterhaltsbeitrag abgezogen werden.

Der Revision ist zwar auch dahin beizupflichten, daß derzeit der in der Ehewohnung verbliebene Beklagte alleine im Genuß der Wohnungseinrichtung steht. Dennoch erscheint es im vorliegenden Fall billig, die Rückzahlungsraten zur Gänze und nicht bloß zur Hälfte, wie die Klägerin meint, von der Bemessungsgrundlage abzuziehen. Der Beklagte trägt, wie er unwidersprochen behauptete, auch Schulden der Verwandtschaft der Klägerin ab. Er deckte auch die aufgrund der gemeinsamen Lebensführung aufgelaufene Kontoüberziehung ab. Des weiteren steht die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens noch bevor, sodaß sich die Rückzahlungen auch zugunsten der Klägerin werterhöhend auswirken. Im übrigen erscheint eine weitere Reduzierung der Finanzkraft des durch Unterhaltszahlungen und Kreditverbindlichkeiten ohnehin schwer belasteten Beklagten nicht mehr sinnvoll, soll er doch auch in Hinkunft zur Rückzahlung der Kreditraten in derzeitiger Höhe in der Lage sein.

Vom nicht mehr strittigen und der Rechtsprechung entsprechenden Anspruch der Klägerin auf etwa 25 % des (um die Kreditrückzahlungsraten verminderten) durchschnittlichen Nettoeinkommens des Beklagten ausgehend errechnet sich ein monatlicher Unterhaltsbetrag von S 3.700,--. Die angefochtenen Entscheidungen der Untergerichte waren daher dementsprechend abzuändern.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens gründet sich auf § 43 Abs.2 ZPO. Die Ausmittlung des Unterhaltsbeitrages war im wesentlichen vom richterlichen Ermessen abhängig. Eine Überklagung hat in keiner Prozeßphase stattgefunden. Es waren daher der Klägerin die gesamten Kosten, allerdings jeweils auf Basis des obsiegten Betrages (bis zum Teilanerkenntnisurteil S 3.700,--, ab dem Teilanerkenntnisurteil bis Schluß der Verhandlung erster Instanz S 2.700,--, im Rechtsmittelverfahren S 900,--, und zwar je x36) zuzuerkennen.

Stichworte