OGH 4Ob92/94

OGH4Ob92/9418.10.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ***** Verlag GmbH, ***** vertreten durch Dr.Walter Haindl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Dr.Walter P*****, Herausgeber, ***** 2.) Dr.Josef G*****, Arzt, *****3.) S***** Verlag, Inhaber Horst E*****, ***** Bundesrepublik Deutschland, sämtliche vertreten durch Dr.Michel Walter, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Beseitigung, Rechnungslegung, Schadenersatz und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 300.000), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 10.Juni 1994, GZ 16 R 89/94-15, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 15.März 1994, GZ 37 Cg 417/93i-11, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 15.783,76 bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin enthalten S 2.630,63 Umsatzsteuer) binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Mit Verlagsvertrag vom 4.3.1952 räumte - der noch im selben Jahr verstorbene - Raimund K***** dem Verleger Hans M***** das unbeschränkte Verlagsrecht ua an den Werken "Lebenserkenntnis Band II" und "Forschungsreise nach Palästina und Ägypten" ein. Darin wurde ua bestimmt, daß der Verleger das alleinige Recht hat, sämtliche alleinige von Raimund K***** auf der Forschungsreise aufgenommenen Lichtbilder zu verwerten und der Verlagsvertrag auch für die beiderseitigen Erben und Rechtsnachfolger gilt.

Erst im Jahr 1976 erschien im Verlag der Klägerin das Buch "Lebenserkenntnis Band II" mit dem Untertitel "Tatsachenbericht über die Menschwerdung Gottes, dessen Lehren und sein Wirken", als dessen Verfasser Raimund K***** genannt wird. Für dieses Buch hatte Raimund K***** das vom Vater des Zweitbeklagten, Josef G***** sen, in den Jahren 1934 bis 1935 verfaßte Manuskript mit dem Arbeitstitel "Es geht alle an" verwendet, von dem er - unter Anbringung verschiedener Änderungen - Typoskripte angefertigt hatte. Knapp vor seinem Tod übergab Raimund K***** eines dieser Typoskripte Josef G***** sen; das Originalmanuskript gab er jedoch nicht zurück. Weder der im Jahr 1975 verstorbene Josef G***** sen noch seine Rechtsnachfolger haben zur Vervielfältigung und Verbreitung des Werkes "Lebenserkenntnis Band II" ihre Zustimmung erteilt.

Am 3.6.1958 beauftragte Josef G***** sen den Zweitbeklagten, die Herausgabe seiner unverfälschten Schrift zu veranlassen und weiterhin auf Ausfolgung des Originalmanuskriptes zu dringen. Josef G***** sen überarbeitete das von Raimund K***** zurückgestellte Typoskript mit dem Ziel, es in den Zustand seines Originalmanuskripts zurückzuversetzen. Auf dieser Grundlage, ergänzt um weiteres Material, das ebenfalls Josef G***** sen erstellt hatte, gaben der Erst- und der Zweitbeklagte im Jahr 1989 das Buch "Der Friede sei mit Euch" im Verlag des Drittbeklagten heraus.

Beide Bücher enthalten teils wörtlich übereinstimmende, teils nur geringfügig voneinander abweichende Textstellen.

Inwieweit das Buch "Lebenserkenntnis Band II", insbesondere in den vom Erstgericht angeführten Textstellen, vom Manuskript Josef G*****s sen und vom Typoskript, das er für die Rekonstruktion seines Manuskriptes benutzt hatte, abweicht, und wie sich das Buch "Der Friede sei mit Euch" zum überarbeiteten Typoskript im Detail verhält, konnte nicht festgestellt werden.

Im Jahr 1986 erschien im Verlag der Klägerin der Bildband "Forschungsreise nach Palästina und Ägypten". Sowohl in diesem Bildband als auch im Buch "Der Friede sei mit Euch" sind die nachstehend wiedergegebenen acht Fotografien enthalten, die Raimund K***** auf einer gemeinsam mit Josef G***** sen im Jahr 1936 unternommenen Reise nach Palästina aufgenommen hat. Für die Abbildungen im Buch "Der Friede sei mit Euch" wurden Originalabzüge verwendet, die Raimund K***** Josef G***** sen übergeben hatte:

Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs beantragte die Klägerin, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, im Buch "Lebenserkenntnis Band II" enthaltene Textstellen und im Buch "Forschungsreise nach Palästina und Ägypten" enthaltene Fotografien (im geschäftlichen Verkehr) zu vervielfältigen und/oder zu verbreiten bzw vervielfältigen und/oder verbreiten zu lassen; diese Unterlassungsverpflichtung erstrecke sich insbesondere auf das Buch "Der Friede sei mit Euch".

Das Buch "Lebenserkenntnis Band II" und den Bildband "Forschungsreise nach Palästina und Ägypten" habe Raimund K***** verfaßt; auch sämtliche im Bildband veröffentlichten Lichtbilder seien von ihm aufgenommen worden. Die von Raimund K***** dem Verleger Hans M***** übertragenen Verlagsrechte seien durch Unternehmenserwerb auf die Klägerin übergegangen. Erst die Klägerin habe beide Bücher herausgegeben; in beiden sei Raimund K***** als Verfasser genannt, wobei jeweils auf die "Copyright-Registrierung" hingewiesen worden sei. Zahlreiche Textstellen des Buches "Der Friede sei mit Euch" seien dem Buch "Lebenserkenntnis Band II" und die darin enthaltenen acht Abbildungen dem Buch "Forschungsreise nach Palästina und Ägypten" ohne Wissen und Zustimmung der Klägerin entnommen worden. Der Erstbeklagte und der Zweitbeklagte hätten damit als Herausgeber und der Drittbeklagte als Verleger dieses Buches in die der Klägerin nach dem UrhG zustehenden Ausschließlichkeitsrechte eingegriffen. Die von den Beklagten verwendeten Fotografien seien Lichtbildwerke. Die Behauptung der Beklagten, daß Josef G***** sen Urheber "des gegenständlichen Sprachwerkes" sei, treffe nicht zu; vielmehr habe es Raimund K***** "zur Gänze formuliert". Dabei habe er sich des Josef G***** sen lediglich als "Mittler" bedient, um solcherart die dem Schriftwerk zugrunde liegenden inhaltlichen Informationen "von jenseitigen Geisteswesen" zu erhalten. Im Verkehr mit dem Jenseits sei aber stets der Fragende maßgebend, der den Mittler nur als willenloses Werkzeug benütze. "Die jenseitigen Geisteswesen hätten im Bewußtsein des Mittlers Josef G***** sen nicht die dazu notwendigen, vielseitig und reichhaltig gespeicherten Wissensschätze vorgefunden, die für schriftliche Aufzeichnungen der vorliegenden Form Voraussetzung wären." Raimund K***** habe das Manuskript für das vorliegende Druckwerk selbst gestaltet; er habe die von Josef G***** sen lediglich als "Mittler" dargebotenen Informationen "im Detail hinterfragt, um sodann vom jenseitigen Geisteswesen die grundsätzliche und lückenlose Beantwortung zu erhalten". Josef G***** sen sei erst nach seiner Ausbildung zum "Medium" durch Raimund K***** in der Lage gewesen, in Trance Stimmen aus dem Jenseits wahrzunehmen, die er dann zu Papier gebracht habe. Das seien immer unzusammenhängende Tatsachen aus dem Leben Christi und der Jünger gewesen. Eine wissenschaftlich-philosophische Bearbeitung sei diesen Aufzeichnungen nicht zugrunde gelegen. Erst Raimund K***** habe diese Aufzeichnungen gesichtet, geordnet und entsprechend wissenschaftlich bearbeitet. Das Manuskript Raimund K*****s für das Buch "Lebenserkenntnis Band II" enthalte zwar Zitate aus den handschriftlichen Aufzeichnungen Josef G*****s, soweit das zur Dokumentation philosophisch-wissenschaftlicher Ergebnisse notwendig gewesen sei; damit sei Josef G***** einverstanden gewesen. Durch diese Bearbeitung sei ein völlig neues Werk entstanden; die Urheberrechte daran stünden Raimund K***** allein zu. Zumindest spreche aber die gesetzliche Vermutung des § 12 UrhG für die Urheberschaft Raimund K*****s an dem Werk "Lebenserkenntnis Band II". Den Beklagten falle durch ihr Verhalten nicht nur eine Urheberrechtsverletzung zur Last; sie hätten die Leistungen Raimund K*****s auch in schmarotzerischer Weise ausgebeutet.

Die Beklagten beantragen die Abweisung des Sicherungsantrages. Das Werk "Lebenserkenntnis Band II" stamme nicht von Raimund K*****, sondern vom Vater des Zweitbeklagten Josef G***** sen. Dieser habe sich, obgleich er nur eine einfache Schulbildung genossen habe, zeit seines Lebens mit der Ergründung der Zusammenhänge und der Wahrheit des Lebens befaßt. Im Jahr 1934 habe er mit der Niederschrift eines Werkes über das Leben und Wirken Christi begonnen. Das Manuskript habe er Raimund K***** zu dem ausschließlichen Zweck übergeben, Korrekturen stilistischer und orthographischer Art anzubringen. Als Josef G***** sen im Jahr 1938 die Rückgabe seines Manuskripts verlangt habe, habe das Raimund K***** mit dem Hinweis verweigert, daß er es vernichtet habe. Es sei Josef G***** sen jedoch gelungen, knapp vor dem Tod Raimund K*****s einen Durchschlag einer maschingeschriebenen Abschrift seines korrigierten Manuskriptes zu erhalten. Abgesehen von den Korrekturen habe Raimund K***** auch Änderungen vorgenommen, die sich in erster Linie auf einige Aspekte der geistigen Grundlagen, nicht aber auf Inhalte und die gewählten Formulierungen bezogen hätten. Als der Zweitbeklagte von dem zwischen Raimund K***** und Hans M***** geschlossenen Verlagsvertrag erfahren habe, habe er Hans M***** über den wahren Sachverhalt aufgeklärt und die Veröffentlichung des Werkes "Lebenserkenntnis Band II" untersagt. Das Werk sei dann erst nach dem Tod Josef G*****s sen erschienen. Josef G***** sen habe den Zweitbeklagten bereits am 3.6.1958 beauftragt, die Herausgabe seiner unverfälschten Schriften zu veranlassen. Der Erstbeklagte und der Zweitbeklagte hätten dem Wunsch Josef G*****s sen entsprechend dessen Werk unverfälscht und unter der richtigen Autorenbezeichnung herausgegeben. Grundlage dieser Ausgabe sei das von Josef G***** sen selbst an Hand der von Raimund K***** erhaltenen korrigierten Abschrift seines Manuskriptes rekonstruierte Originalmanuskript gewesen.

Nach einer im Jahr 1936 gemeinsam unternommenen Reise habe Raimund K***** die von ihm - nach Anweisungen Josef G*****s sen - aufgenommenen Lichtbilder diesem zur freien Verwendung übergeben. Dabei handle es sich nicht um Lichtbildwerke, sondern um Lichtbilder im Sinne der §§ 73 ff UrhG, deren Schutzfrist bereits längst abgelaufen sei. Die Reproduktion für das Buch "Der Friede sei mit Euch" sei mit Hilfe der vorhandenen Originalabzüge vorgenommen worden.

Die Klägerin sei aber auch aktiv nicht legitimiert, weil die gemäß § 27 Abs 2 UrhG erforderliche Zustimmung des Urhebers zum Übergang der Verlagsrechte auf die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin Hans M*****s nicht vorliege. Außerdem habe die Klägerin die behauptete Rechtsnachfolge nicht ausreichend bescheinigt.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Raimund K***** habe für das Buch "Lebenserkenntnis Band II" unbestrittenermaßen das Manuskript Josef G*****s sen verwendet und es dabei auch verändert. Er wäre jedenfalls auch dann nicht Urheber dieses Manuskripts, wenn die Behauptung der Klägerin zuträfe, daß Josef G***** sen sein Manuskript - nach Ausbildung durch Raimund K***** zum "Medium" - in Trance nach Eingebungen von jenseitigen Wesen geschrieben hätte. Die Entstehung des Urheberrechts knüpfe nämlich nicht an das Schöpfungsbewußtsein, sondern an den Schöpfungsakt, der in Ansehung dieses Manuskripts zweifellos Josef G***** sen zuzuschreiben sei. Die zugestandene Verwendung dieses Manuskripts durch Raimund K***** für das Buch "Lebenserkenntnis Band II" könnte eine Bearbeitung oder im Vergleich zum benützten Werk auch ein selbständiges Werk sein. Welche dieser Varianten zutreffe, könne aber nur durch einen Gesamtvergleich beider Bücher mit dem Originalmanuskript Josef G*****s beurteilt werden. Damit lasse sich aber auch nicht sagen, ob die festgestellten, im wesentlichen übereinstimmenden Textstellen aus dem Buch "Der Friede sei mit Euch" dem Buch "Lebenserkenntnis Band II" entnommen worden oder schon im Manuskript Josef G*****s sen enthalten gewesen seien. Da aber die Klägerin die Beweislast für den behaupteten Eingriff treffe, finde das Unterlassungsbegehren im Urheberrecht keine Stütze. Aus demselben Grund scheide auch eine "sklavische Nachahmung" im Sinne des § 1 UWG aus.

Die Schutzfrist für die im Jahr 1936 hergestellten Fotos, welche nicht als Lichtbildwerke anzusehen seien, sei bereits abgelaufen. Die Verwertung der Fotos durch die Beklagten verstoße aber auch nicht gegen § 1 UWG, weil sie für die Reproduktion vorhandene Originalabzüge und nicht die im Bildband veröffentlichten Vervielfältigungsstücke verwendet hätten.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Daß Raimund K***** ein Manuskript Josef G*****s sen für sein Buch "Lebenserkenntnis Band II" verwendet habe, beruhe nicht auf einer aktenwidrigen Annahme des Erstgerichtes. Der in einem Urteil des schweizerischen Bundesgerichtshofes (GRUR Int 1991, 570) ausgesprochene Rechtsgedanke, daß die Entstehung des Urheberrechts nicht an das Schöpfungsbewußtsein sondern an den Schöpfungsakt anknüpfe und der urheberrechtliche Schutz der Formgebung und nicht der Idee folge, so daß ein Geisteswerk demjenigen Rechtssubjekt zuzurechnen sei, welches die zur Form gewordene Vorstellung erstmals zum Ausdruck bringt, weshalb es auch unerheblich sei, ob die Vorstellung bewußt oder unbewußt gebildet worden sei, sei auch auf das vergleichbare österreichische Recht anzuwenden. Führten somit medial, in Trance gehaltene Vorträge, die auf Eingebungen aus dem Jenseits beruhen sollen, zu einem Urheberrecht in der Person des vortragenden Mediums, so könne nichts anderes gelten, wenn ein solches Medium in Trance handschriftliche Niederschriften anfertige. Die Ansicht der Klägerin, daß Josef G***** sen lediglich als willenloses Werkzeug benutzt worden sei und bei der medialen Übermittlung geistiger Inhalte nur der "Fragende" (Raimund K*****), nicht aber das Medium Urheber sei, treffe daher nicht zu.

Die Klägerin habe zugegeben, daß eine von Josef G***** sen verfaßte schriftliche Unterlage für das Buch "Lebenserkenntnis Band II" verwendet worden sei. Das Erstgericht habe auch nicht den Begriff "Manuskript" mit einem bereits urheberrechtlich geschützten Werk gleichgesetzt sondern nur zum Ausdruck gebracht, daß nach den Verfahrensergebnissen ungeklärt sei, ob Raimund K***** auf der Grundlage eines Manuskriptes Josef G*****s sen überhaupt ein urheberrechtlich geschütztes Werk, eine Bearbeitung im Sinne des § 5 Abs 1 UrhG oder ein selbständiges Werk im Sinne des § 5 Abs 2 UrhG geschaffen habe. Billige man aber dem Buch "Lebenserkenntnis Band II" Werkcharakter zu, dann könne für die in Trance erzeugte eigentümliche geistige Schöpfung Josef G*****s sen nichts anderes gelten. Aus den wenigen von der Klägerin vorgelegten Teilen dieses Manuskriptes, welches immerhin 1000 Seiten umfaßt habe, könne nicht auf das Gegenteil geschlossen werden. Die Klägerin hätte jedenfalls bescheinigen müssen, daß das Buch "Lebenserkenntnis Band II" kein bloßes Plagiat, sondern entweder eine urheberrechtlich schutzfähige Bearbeitung im Sinne des § 5 Abs 1 UrhG oder eine selbständige Neuschöpfung im Sinne des § 5 Abs 2 UrhG sei. Das könne jedoch nur in einer Gesamtsicht beurteilt werden; eine zergliedernde Beurteilung und Gegenüberstellung einzelner Elemente ohne Berücksichtigung des Gesamtzusammenhanges scheide aus. Das Fehlen der entsprechenden Entscheidungsgrundlagen gehe zu Lasten der bescheinigungspflichtigen Klägerin: Nur diese wäre nach den Verfahrensergebnissen in der Lage gewesen, das Originalmanuskript Josef G*****s sen vorzulegen. Auch aus der gesetzlichen Vermutung des § 12 UrhG sei für die Klägerin nichts anderes zu gewinnen. Daß Raimund K***** im Buch als Autor genannt sei, könnte nur eine Vermutung für die Urheberschaft, nicht aber auch dafür gründen, daß ein urheberrechtlich schutzfähiges Werk vorliege. Würde die gesetzliche Vermutung nach § 12 UrhG auch zu Gunsten eines allfälligen Plagiates wirken, wäre für die Klägerin ebenfalls nichts gewonnen, weil diese Bestimmung in gleicher Weise auf das Buch "Der Friede sei mit Euch" anzuwenden sei. Sei aber nicht bescheinigt, daß das Buch "Lebenserkenntnis Band II" ein urheberrechtlich geschütztes Werk sei, ändere auch die gesetzliche Vermutung des § 12 UrhG nichts daran.

Hinsichtlich des verneinten Lichtbildschutzes und der Unanwendbarkeit des § 1 UWG verwies das Berufungsgericht auf die seiner Ansicht nach zutreffenden Ausführungen des Erstgerichtes.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen von der Klägerin erhobene Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Zwischen den Streitteilen besteht Streit, wer - den Werkcharakter vorausgesetzt - Urheber des Buches "Lebenserkenntnis Band II" ist. Während die Klägerin ursprünglich behauptet hat, daß Raimund K***** dieses Buch verfaßt habe, hat sie auf die Einwendung der Beklagten, daß der Vater des Zweitbeklagten das Werk geschaffen habe, zugegeben, daß Raimund K***** von Josef G***** sen ein ca 1000 Seiten umfassendes Manuskript erhalten und für die Erstellung des Buches "Lebenserkenntnis Band II" verwendet hat; das Manuskript habe allerdings nur zusammenhanglose Tatsachenmitteilungen ohne jeden Werkcharakter enthalten, welche Josef G***** sen in Trance niedergeschrieben habe; die (allfällige) Urheberschaft daran komme Raimund K***** wegen seiner Funktion als "Fragender" zu, nicht aber dem bloß als "Mittler" zu den "jenseitigen Geisteswesen" wirkenden Josef G*****. Zuletzt hat die Klägerin noch vorgetragen, daß durch die von Josef G***** sen gebilligte Tätigkeit Raimund K*****s ein selbständiges neues Werk im Sinne des § 5 Abs 2 UrhG entstanden sei.

Auf Grund des Geständnisses der Klägerin steht nur fest, daß Raimund K***** bei der Verfassung des Buches "Lebenserkenntnis Band II" ein Manuskript Josef G*****s sen benützt hat. Da davon nur wenige Seiten vorgelegt wurden, kann nicht abschließend beurteilt werden, ob diese Aufzeichnungen in ihrer Gesamtheit Werkcharakter haben. Allerdings geht die neuere Rechtsprechung des erkennenden Senates zum Werkcharakter von Sprachwerken dahin, daß es nur auf ihre Individualität, die sie von ihrem Urheber erhalten haben, nicht aber auch auf eine bestimmte "Werkhöhe" ankommt (MR 1994, 120 - Wienerwald II), und daß auch kürzere Formulierungen urheberrechtlichen Schutz genießen können (MR 1991, 22 - So ein Tag), so daß schon der äußere Eindruck dieser Manuskriptseiten für das Vorliegen eines urheberrechtlich geschützten Werks spricht. Dennoch braucht auf die Frage, wem ein in Trance entstandenes, angeblich von jenseitigen Geisteswesen eingegebenes Werk als Urheber zuzurechnen ist, nicht eingegangen zu werden. Es läßt sich nämlich auch die weitere Frage, ob das Buch "Lebenserkenntnis Band II" mangels Werkcharakters der benützten Unterlage ein Plagiat, eine Bearbeitung im Sinne des § 5 Abs 1 UrhG oder - trotz der Benützung eines fremden Werkes - ein selbständiges neues Werk im Sinne des § 5 Abs 2 UrhG oder sogar ein völlig eigenständiges Werk ist, bzw eine Miturheberschaft von Josef G***** und Raimund K***** vorliegt, mangels näherer Feststellungen zum Werkcharakter der benützten, aber im Verfahren nur zu einem geringen Bruchteil vorgelegten Unterlage nicht beurteilen.

Nach dem allgemeinen Grundsatz, daß jede Partei die ihren Anspruch begründenden Tatsachen zu beweisen hat (EvBl 1959/38; Fasching, LB2 882), muß auch derjenige, der ein urheberrechtliches Ausschließlichkeitsrecht geltend macht, die seinen Anspruch begründenden Tatsachen nachweisen; diese Beweislastregel gilt auch im Bescheinigungsverfahren. Der Nachweis des Werkcharakters kann im wesentlichen schon durch Vorlage des Werks erbracht werden, weil die Beurteilung, ob dadurch ein Werk verkörpert wird, eine vom Gericht zu

lösende Rechtsfrage ist (SZ 37/27; SZ 55/25 = ÖBl 1982, 164 -

Blumenstück; ÖBl 1985, 24 - Mart Stam-Stuhl; SZ 58/201 = ÖBl 1986, 27

- Tagebücher; ÖBl 1991, 272 - Le-Corbusier-Liege; MR 1992, 67 - Game Boy). Daher obliegt dem Kläger im Plagiatsstreit auch die Behauptung und der Beweis jener Gestaltungselemente, die den Urheberrechtsschutz begründen sollen (MR 1992, 197 - Oberösterreich-Karte). Im Regelfall gehört es allerdings nicht zur Pflicht des Klägers, zu beweisen (bescheinigen), daß der in Anspruch genommene Schutzgegenstand kein Plagiat ist (ÖBl 1991, 272 - Le-Corbusier-Liege); gibt der urheberrechtliche Ausschließlichkeitsrechte an einem ein Werk der Literatur in Anspruch nehmende Kläger aber - wie hier - zu, daß er bei der Verfassung des behaupteten Werkes Unterlagen eines Dritten benützt hat, welche nach außen den Anschein eines urheberrechtlich geschützten Sprachwerkes erwecken, dann muß er auch dartun, daß diese Unterlagen dennoch kein urheberrechtlich geschütztes Werk des anderen sind. Im vorliegenden Fall könnte dieser Beweis nur dadurch erbracht werden, daß das Buch "Lebenserinnerungen Band II" von der benützten Unterlage erheblich abweicht. Mit einigen wenigen Seiten dieser Unterlage kann dieser Beweis nicht geführt werden. Auch mit der Vernehmung der nicht gehörten Auskunftspersonen allein wäre dieser Beweis nicht zu erbringen gewesen. Damit ist aber der Klägerin die ihr hier obliegende Bescheinigung mißlungen, daß ihr an dem mit Hilfe des umfangreichen Manuskriptes eines Dritten hergestellten Buch Werknutzungsrechte zustehen, denen ein von Raimund K***** geschaffenes Sprachwerk zugrunde liegt.

Auch aus § 12 UrhG vermag die Klägerin nichts für sich abzuleiten. Die Vermutung der Urheberschaft zugunsten jener Person, die auf Vervielfältigungsstücken eines erschienen Werkes als Urheber bezeichnet wird, setzt voraus, daß ein Werk vorliegt. Wie das Rekursgericht unter Hinweis auf die EBzUrhG (abgedruckt in Peter, UrhG 500) zutreffend ausgeführt hat, gilt diese Vermutung nur für die Urheberschaft, nicht aber auch für die Schutzfähigkeit des Werkes. Konnte aber die Klägerin die für die Beurteilung des Werkcharakters des Buches "Lebenserkenntnis Band II" erforderlichen Tatsachen nicht bescheinigen, dann ergibt sich auch aus der Tatsache, daß Raimund K***** als dessen Autor bezeichnet wurde, die Vermutung für seine Urheberschaft nicht. Die Ansicht der Klägerin, daß Raimund K***** schon deshalb als Urheber zu gelten habe, weil das Buch "Lebenserkenntnis Band II" vor dem Buch "Der Friede sei mit Euch" veröffentlicht wurde, läßt sich aus § 12 UrhG nicht ableiten. Ob die Urheberschaftsvermutung nur gegen Dritte, nicht aber auch zwischen Personen wirkt, die behaupten, ein und dasselbe Werk persönlich geschaffen zu haben, muß daher nicht näher beurteilt werden.

Da die Klägerin auch nicht bescheinigen konnte, daß die strittigen Textpassagen im Buch "Der Friede sei mit Euch" nicht von Josef G***** sen stammen, liegen auch nicht die Voraussetzungen für eine sklavische Nachahmung vor. Auch von einer unmittelbaren Leistungsübernahme im Sinne des § 1 UWG kann nicht die Rede sein.

Besondere Merkmale, aus denen sich der Werkcharakter der von den Beklagten verwendeten Lichtbildern Raimund K*****s ergeben, hat die Klägerin nicht behauptet (vgl dazu MR 1992, 197 - "Oberösterreich-Karte" ; ÖBl 1991, 272 - "Le-Corbusier-Liege"). Die benützten Lichtbilder zeigen - ohne besondere Elemente künstlerischer Gestaltung - auch nur historisch bedeutsame Stätten der biblischen Geschichte, weisen aber sonst keine schöpferischen Merkmale auf. Selbst die durch die UrhG-Novelle 1972 auf 30 Jahre verlängerte Leistungsschutzfrist der im Jahr 1936 aufgenommenen Lichtbilder war bei ihrer Veröffentlichung durch die Klägerin im Jahr 1976 im Buch "Lebenserkenntnis Band II" bereits abgelaufen gewesen. Durch die spätere Veröffentlichung dieser Lichtbilder im Buch der Beklagten wurde somit nicht mehr in bestehende Leistungsschutzrechte eingegriffen. Da die Beklagten die Lichtbilder aber nicht aus dem von der Klägerin verlegten Buch reproduziert, sondern für ihre Veröffentlichung in dem Buch "Der Friede sei mit Euch" Originalabzüge verwendet haben, die Josef G***** sen von Raimund K***** erhalten hatte, scheidet schon deshalb eine schmarotzerische Ausbeutung durch unmittelbare Leistungsübernahme eines fremden, nicht unter Sonderrechtsschutz stehenden Erzeugnisses (vgl dazu SZ 53/35; ÖBl 1981, 16 - "Isoliermaterial-Werbebilder" - ) aus. Auf den Schutz wegen eines Verstoßes gegen § 1 UWG kommt die Klägerin im Revisionsrekurs hier zu Recht nicht mehr zurück. War aber im Eingriffszeitpunkt der Lichtbildschutz schon abgelaufen, dann kommt es auch nicht mehr die im Revisionsrekurs aufgeworfene Frage an, ob die Beklagten die Lichtbilder bearbeitet haben.

Dem Revisionsrekurs war somit ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf §§ 78, 402 EO, 41, 50, 52 Abs 1 ZPO.

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