OGH 15Os128/94(15Os129/94, 15Os130/94)

OGH15Os128/94(15Os129/94, 15Os130/94)6.10.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.Oktober 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Dr.Mayrhofer, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Kamptner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Ingrid F***** wegen 1. des Vergehens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs 1 StGB, AZ 6 e E Vr 563/90 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, 2. des Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG, AZ U 503/93 des Bezirksgerichtes Krems an der Donau, über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen 1. den Vorgang, daß die Zustellung des Beschlusses über die endgültige Strafnachsicht vom 13.September 1993, GZ 6 e E Vr 563/90-24, an die Staatsanwaltschaft unterlassen und die Verständigung des Strafregisteramtes vor Rechtskraft des Beschlusses veranlaßt wurde;

2. den Beschluß des Bezirksgerichtes Krems an der Donau vom 1.Jänner 1994, GZ U 503/93-14, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Presslauer, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Gesetz wurde verletzt:

1./ in der Strafsache AZ 6 e E Vr 563/90 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien

a) durch das Unterbleiben der Zustellung des Beschlusses über die endgültige Strafnachsicht (ON 24) an die Staatsanwaltschaft in der Bestimmung des § 498 (Abs 1 und Abs 2) StPO;

b) durch Mitteilung der nicht rechtskräftigen Entscheidung über die endgültige Strafnachsicht (ON 24) an die Bundespolizeidirektion Wien (Strafregister) in der Bestimmung des § 4 Abs 1 StRegG;

2./ in der Strafsache AZ U 503/93 des Bezirksgerichtes Krems an der Donau durch die gemeinsam mit dem Urteil vom 11.Jänner 1994 (ON 14) getroffene Entscheidung über das Unterbleiben des Widerrufs der der Ingrid F***** im Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 14. Mai 1990, GZ 6 e E Vr 563/90-18, gewährten bedingten Strafnachsicht und über die Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre in dem sich aus § 498 StPO ergebenden Verbot, nach (wenn auch noch nicht rechtskräftiger) Beschlußfassung über die Endgültigkeit der Strafnachsicht (außerhalb eines diesen Beschluß betreffenden Verfahrens) in der Sache nochmals zu entscheiden.

Der Beschluß über die Verlängerung der Probezeit wird aufgehoben und der Antrag des Bezirksanwaltes beim Bezirksgericht Krems an der Donau vom 24.Jänner 1991 (S 1) auf Verlängerung der Probezeit abgewiesen.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Ingrid F***** wurde mit dem rechtskräftigen Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 14.Mai 1990, GZ 6 e E Vr 563/90-18, wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs 1 StGB zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Zusatzfreiheitsstrafe verurteilt. Mit dem Beschluß vom 13.September 1993, GZ 6 e E Vr 563/90-24, erklärte das Landesgericht für Strafsachen Wien diese Strafe für endgültig nachgesehen.

Der bezeichnete Beschluß wurde - was der Generalprokurator mit Recht als Gesetzesverletzung rügt - der Staatsanwaltschaft nicht zugestellt, obwohl § 498 Abs 1 und Abs 2 StPO eine Bekanntmachung der Entscheidung über die endgültige Strafnachsicht gegenüber dem mit einem Beschwerderecht ausgestatteten zuständigen Ankläger vorsieht. Somit erwuchs der Beschluß auch nicht in Rechtskraft, weshalb die schon gleichzeitig mit der Beschlußfassung verfügte Mitteilung der Entscheidung über die endgültige Strafnachsicht an das Strafregister mit § 4 Abs 1 StRegG eine weitere zutreffend aufgezeigte Gesetzesverletzung darstellt.

In der Folge wurde Ingrid F***** mit dem rechtskräftigen Urteil des Bezirksgerichtes Krems an der Donau vom 11.Jänner 1994, GZ U 503/93-14, des Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG schuldig erkannt und gemäß §§ 31, 40 StGB von der Verhängung einer Zusatzstrafe abgesehen. Gleichzeitig erging der Beschluß, vom Widerruf der im eingangs erwähnten Verfahren des Landesgerichtes für Strafsachen Wien gewährten bedingten Nachsicht Abstand zu nehmen, jedoch die dort ausgesprochene Probezeit auf fünf Jahre zu verlängern (§ 494 a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO).

Der letztgenannte Beschluß steht - wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend geltend macht - mit dem Gesetz nicht im Einklang, weil das Landesgericht für Strafsachen Wien schon zuvor am 13.September 1993 die Endgültigkeit der bedingten Strafnachsicht ausgesprochen hatte und diese - für das Bezirksgericht Krems an der Donau aktenkundige (S 85 des Aktes AZ U 503/93 des Bezirksgerichtes Krems an der Donau) - Entscheidung bereits ab ihrem Ergehen eine Bindungswirkung entfaltete. Der, wenngleich nicht rechtskräftige Beschluß zog nämlich insoweit eine rechtliche Sperrwirkung nach sich, als er bereits ab seiner Erlassung nur mehr der Behebung oder Abänderung im Wege der in den Prozeßgesetzen vorgesehenen Rechtsmittel (oder Rechtsbehelfe) unterlag, weshalb weder das erkennende, noch ein anderes Gericht ohne vorangegangene Kassation dieses Feststellungsbeschlusses über den Entscheidungsgegenstand neuerlich absprechen durfte (JBl 1989, 400 = EvBl 1989/64; 15 Os 117/91 ua).

Der zum Nachteil der Verurteilten ausschlagende Verlängerungsbeschluß war somit anläßlich der Feststellung der Gesetzesverletzung ersatzlos aufzuheben. Die dem Landesgericht für Strafsachen Wien unterlaufenen Gesetzesverletzungen waren festzustellen; dieses Gericht wird die unterlassenen Zustellungen nachzuholen haben.

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