OGH 12Os113/94

OGH12Os113/9429.9.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 29.September 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Dr.Schindler, Dr.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Reinhart als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Heinrich S***** und Heinz W***** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Heinrich S***** und Heinz W***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 3.Mai 1994, GZ 3a Vr 3009/94-29, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Wasserbauer, der Angeklagten Heinrich S***** und Heinz W***** sowie der Verteidiger Mag.Sonja Scheed und Dr.Ralph Mayer zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten Heinrich S***** und Heinz W***** die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Heinrich S***** und Heinz W***** wurden (A) des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB, Heinz W***** auch der Vergehen (B 1) des Diebstahls nach § 127 StGB und (B 2) der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Demnach haben in Wien

(A) Heinrich S***** und Heinz W***** am 14.März 1994 in bewußtem und gewolltem Zusammenwirken (§ 12 StGB) der Johanna F***** mit Gewalt gegen ihre Person eine Handtasche mit 1.000 S Bargeld und einem Warengutschein im Gegenwert von 100 S mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung weggenommen, indem ihr S***** einen Stoß versetzte und die unter dem Arm eingeklemmte Handtasche entriß, während W***** in unmittelbarer Nähe Aufpasserdienste leistete und sich zum allfälligen Eingreifen bereithielt;

(B) Heinz W***** am 25.Jänner 1994 allein (1) dem Heinrich K***** eine Herrenjacke nicht mehr feststellbaren Wertes mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung weggenommen und (2) eine Urkunde, über die er nicht verfügen durfte, nämlich den von der Bundespolizeidirektion Graz für Heinrich K***** ausgestellten Führerschein, mit auf Verhinderung ihres Gebrauchs im Rechtsverkehr "zum Beweis eines Rechtes und einer Tatsache" gerichtetem Vorsatz unterdrückt.

Den allein gegen den Schuldspruch (A) wegen Raubes von Heinrich S***** aus Z 5 und 10 und von Heinz W***** aus Z 5, 5 a, 9 lit a sowie (sachlich auch) 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden beider Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Beiden Mängelrügen (Z 5) zuwider erweisen sich die tatrichterlichen Feststellungen zur raubspezifischen Gewaltanwendung gegenüber dem Tatopfer mit dem Hinweis auf die polizeilichen Angaben des Angeklagten S***** (63, 88), sowie auf die damit im wesentlichen durchwegs konformen Wiedergaben des Tathergangs durch die tatbetroffene Zeugin Johanna F*****, wonach ihr S***** einen leichten Stoß gegen den linken Oberarm versetzte und die unter dem Arm eingeklemmte, gegen den Oberkörper gedrückte Handtasche entriß (62, 83, 186 f), als formell mängelfrei begründet. Was das Erstgericht solcherart durchwegs auf der Grundlage konkreter Verfahrensergebnisse zu den Modalitäten der Taschenhandhabung durch das Opfer sowie der Täterannäherung als erwiesen annahm, eignet sich auch zur denkgesetzmäßig tragfähigen Grundlage für jene tatsächlichen Schlußfolgerungen, die daraus auf die Art und das Ausmaß des gegen das Raubopfer gerichteten Krafteinsatzes abgeleitet werden. Der dazu vom Beschwerdeführer W***** unternommene Versuch, die Glaubwürdigkeit des Mitangeklagten S***** in bezug auf sein räuberische Gewaltanwendung einschließendes Geständnis vor der Polizei zu problematisieren, erschöpft sich auf einen im Rahmen der Mängelrüge verwehrten Angriff auf die tatrichterliche Beweiswürdigung, die auch sämtliche von der Zeugin F***** (zuletzt in der Hauptverhandlung im Kern unverändert - 186 f) angegebenen wesentlichen Aggressionskomponenten miteinschloß (205 f). Die dazu behauptete Unvollständigkeit der Urteilsgründe liegt demnach nicht vor.

Auch was der Angeklagte W***** weiters an formellen Begründungsmängeln geltend macht, trifft nicht zu:

Die Annahme seiner auch in bezug auf den raubspezifischen Gewalteinsatz vorsätzlichen Tatbeteiligung beruht auf den - wie dargelegt mit mängelfreier Begründung - konstatierten äußeren Begleitumständen der Tatanbahnung und -durchführung, die sich im Sinne der denkgesetzmäßigen erstgerichtlichen Erwägungen auch in subjektiver Hinsicht als voll tragfähig erweisen (207). Die Feststellung der Raubausführung nach einem von beiden Komplizen vorweg abgesprochenen Tatplan hinwieder beruht auf den insoweit eindeutigen sicherheitsbehördlichen Angaben des Angeklagten S***** (63, 87, 93) sowie den damit korrespondierenden Modalitäten des Verhaltens des Angeklagten W***** am Tatort.

Die Tatsachenrüge (Z 5 a) des Angeklagten W***** beschränkt sich auf die Wiederholung einzelner Argumente zur Mängelrüge und vermag damit aus bereits dargelegten Erwägungen insgesamt keine (geschweige denn erheblichen) Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen zu erwecken.

Soweit beide Angeklagten mit der Behauptung mangelnder raubspezifischer Gewaltanwendung bzw einer entsprechenden Ausschaltung des Opferwillens zur Sachbehauptung eine Tatbeurteilung als bloßer Diebstahl nach § 127 StGB anstreben, bringen sie ihre (sachlich dazu auf die Z 10 gestützten) Rechtsrügen nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung, weil die vorgebrachten Rechtsmittelargumente durchwegs die tatrichterlich konstatierte Stoßführung gegen den Oberarm der Zeugin F***** und die Überwindung ihres Widerstands durch Entreißen der Raubbeute aus dem Festhaltegriff vernachlässigen (201 f). Vollständigkeitshalber sei hinzugefügt, daß die strafrechtliche Beurteilung einer Sachwegnahme als Raub oder Diebstahl nicht entscheidend davon abhängt, ob das zu einer Willensbildung an sich fähige Opfer wegen der überraschenden Angriffsart keinen Behauptungswillen zu entwickeln und wegen der Schnelligkeit des Tatablaufes einen Abwehrentschluß gar nicht zu fassen vermochte. Eine zur Tatbestandsverwirklichung nach § 142 StGB geeignete Gewaltanwendung setzt lediglich voraus, daß das Tatopfer nicht von vornherein als willenlos und widerstandsunfähig anzusehen war, der Täter zwecks präventiver Brechung des zu erwartenden Widerstandswillens unmittelbar auf dessen Körper einwirkte und sich nicht bloß auf eine Sachwegnahme durch unvermutetes Ergreifen der Beute beschränkte (Mayerhofer-Rieder StGB4 EGr 10 zu § 142).

Der Auffassung des Beschwerdeführers W***** zuwider bleibt vorliegend auch kein Raum für eine Tatbeurteilung als sogenannter minderschwerer Raub nach § 142 Abs 2 StGB. Fehlt es doch mit Rücksicht auf den 1.000 S jedenfalls übersteigenden Gesamtwert der Raubbeute an deren (nach insoweit gefestigter Judikatur auf die bezeichnete Obergrenze beschränkten - EvBl 1989/112; 1991/33; 14 Os 87/90; 15 Os 52/91; zuletzt 13 Os 27,28/94) Geringwertigkeit und damit schon an einer der wesentlichen kumulativen Privilegierungsvoraussetzungen.

Fehl geht schließlich auch der Rechtseinwand des Angeklagten W*****, das ihm angelastete Tatverhalten stelle überhaupt keine strafrechtlich relevante Tatbeteiligung dar (Z 9 lit a). Ist doch hier nach den tatrichterlichen Feststellungen davon auszugehen, daß dem urteilsgegenständlichen Raubanschlag eine einverständliche Täterabsprache vorausging, wonach sich die beiden Angeklagten durch (auch Raub-)Überfälle auf Passanten mit bei der Tatausführung - je nach den Umständen des Einzelfalls - wechselnder (tatplangemäß vertauschbar gleichwertige) Rollenverteilung bereichern wollten (199, 201). Vor dem Hintergrund dieses gemeinsamen Tatplans bedarf es keiner detaillierten Erörterung, daß die dem Angeklagten W***** laut Urteilsspruch und -gründen angelasteten Verhaltenskomponenten eine absprachegemäße, nach § 12 StGB faßbare Betätigung des mit dem Komplizen vorabgestimmten Deliktswillens darstellt, deren erstgerichtliche Beurteilung als unmittelbare (Mit-)Täterschaft schon aus der Sicht der rechtlichen Gleichwertigkeit sämtlicher in § 12 StGB normierter Beteiligungsvarianten vorweg jedwede Beschwer ausschließt.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher als insgesamt nicht berechtigt zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über die Angeklagten nach § 142 Abs 1 StGB, hinsichtlich Heinz W***** unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB, jeweils achtzehn Monate Freiheitsstrafe.

Dabei wertete es beim Angeklagten S***** den Beitrag zur Wahrheitsfindung, die objektive Schadensgutmachung und die Anwendung bloß mäßiger Gewalt, bei W***** das teilweise Geständnis, die teilweise objektive Schadensgutmachung, die untergeordnete Raubbeteiligung sowie gleichfalls die bloß mäßige Gewaltanwendung als mildernd, als erschwerend hingegen bei beiden Angeklagten die einschlägigen Vorstrafen und den raschen Rückfall, bei W***** überdies das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen.

Gegen diesen Strafausspruch meldeten beide Angeklagten Berufung an. In der (schriftlich) allein vom Angeklagten S***** erstatteten Berufungsausführung wird mit der Behauptung einer angeblichen Unterbewertung einzelner Milderungsgründe eine Herabsetzung des ausgesprochenen Strafausmaßes angestrebt, welchem Antrag der Verteidiger des Angeklagten W***** im Gerichtstag analog beitrat.

Auch den Berufungen kommt keine Berechtigung zu. Mit Rücksicht auf das (nicht nur) einschlägig belastete Vorleben beider Angeklagten, ihre manifeste Rückfallsanfälligkeit und die notorisch wachsende allgemeine Verunsicherung durch Diebstahls- und Raubanschläge auf Straßenpassanten (insbesondere mit reduzierten Abwehrmöglichkeiten wie ältere bzw - wie hier - weibliche Personen) erweisen sich die in erster Instanz verhängten Freiheitsstrafen als spezial- wie auch generalpräventiv angemessene Sanktionen, die angesichts der teils unterschiedlichen Bemessungskriterien (Deliktsmehrheit bei W*****, divergierendes Gewicht der Vorverurteilungen) auch zueinander in einem ausgewogenen Verhältnis stehen. Für die angestrebten Strafkorrekturen blieb demzufolge kein Raum.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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