OGH 3Ob558/94

OGH3Ob558/9421.9.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Gerstenecker und Dr.Pimmer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.Ing.Julius G*****, vertreten durch Dr.Gerhard Rieger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr.Mohamed A*****, vertreten durch Dr.Manfred Melzer u. a., Rechtsanwälte in Wien, wegen restlicher S 274.015,90 s.A., infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 23.2.1994, GZ 41 R 1012/93-28, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 16.8.1993, GZ 6 C 758/90b-22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil und das Urteil des Erstgerichtes, dieses, soweit damit das Klagebegehren im Ausmaß von S 274.015,90 s.A. abgewiesen und über die Kosten des Verfahrens erster Instanz entschieden wurde, werden aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang zur neuerlichen, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällenden Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Kosten des Verfahrens erster Instanz.

Text

Begründung

Der Kläger begehrte vom Beklagten zuletzt die Bezahlung des der Höhe nach nicht bestrittenen Mietzinses für die Zeit von Mai 1986 bis März 1993 in der Höhe von insgesamt S 311.699,10 s.A.

Der Beklagte wendete ein, daß zwischen den Streitteilen anläßlich des Abschlusses des Mietvertrages eine Vereinbarung zustandegekommen sei, in der sich der Kläger verpflichtet habe, das Tor zum Haus, in dem sich der Bestandgegenstand befindet, bis Ende April 1986 zu erneuern und ein Abflußrohr im Klosett zu sanieren, und daß er für den Fall des Verzuges erklärt habe, auf den Mietzins solange zu verzichten, bis er seine Verpflichtung erfüllt habe. Die Mängel am Haustor hätten zur Folge gehabt, daß es von Patienten des Beklagten nur schwer geöffnet werden habe können, weshalb einige deshalb einen anderen Arzt aufgesucht hätten. Das Haustor sei bisher nicht erneuert worden. Die Forderung auf die vor dem 1.4.1987 fällig gewordenen Mietzinse sei überdies verjährt.

Der Kläger bestritt das Zustandekommen der vom Beklagten behaupteten Vereinbarung. Der Beklagte habe außerdem "höchstens allenfalls einen Mietzinsminderungsanspruch".

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte im wesentlichen folgendes fest:

Der Beklagte wollte in dem dem Kläger gehörenden Haus im Herbst 1985 zwei Bestandobjekte mieten und sie als Ordination für seine ärztliche Tätigkeit verwenden. In den Gesprächen, die dem Abschluß des Mietvertrages vorangingen, wies er darauf hin, daß das Haustor schon alt sei, teilweise klemme und nur schwer geöfffnet werden könne, weshalb seine Patienten Schwierigkeit hätten, es aufzumachen. Der Kläger und sein für ihn die Hausverwaltung führender Sohn erklärten dem Beklagten, daß die Erneuerung des Haustors kein Problem bilde. Am 12.12.1985 unterzeichnete der Kläger eine ihm vom Beklagten vorgelegte, mit "Nachtrag zum Mietvertrag" unterschriebene Urkunde mit folgendem Wortlaut. "Ich verpflichte mich, falls ich den vereinbarten Forderungen .....(Erneuerung des Haustores und Sanierung des Abflußrohres im WC der Wohnung top 2+3) bis zum vereinbarten Termin Ende April 1986 nicht nachkomme, dann verzichte ich auf die vereinbarte monatliche Miete für die genannte Wohnung, solange bis ich die genannten Forderungen erfüllt habe."

Am selben Tag wurde auch der Entwurf eines Mietvertrages besprochen und darauf eine von beiden Teilen unterschriebene Korrektur angebracht. Der Beklagte übergab dem Kläger S 35.000.-- als Mietzinsvorauszahlung. Am 13.12.1985 unterfertigte der Beklagte den Mietvertrag, nachdem er sich überzeugt hatte, daß keine Ergänzung vorgenommen wurde, durch die die am Vortag vom Kläger unterschriebene Verpflichtungserklärung außer Kraft gesetzt würde. Der Beklagte bezahlte sodann den Mietzins bis April 1986. Da das Haustor bis dahin nicht repariert worden war, stellte er die Mietzinszahlungen unter Hinweis auf die mit dem Kläger getroffene Vereinbarung ein. Das Haustor wurde bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz nicht erneuert.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt dahin, daß der Beklagte den eingeklagten Mietzins nicht zahlen müsse, weil die hiefür vereinbarte Voraussetzung, nämlich die Erneuerung des Haustors, nicht erfüllt sei.

Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil infolge Berufung des Klägers, mit dem die Abweisung des Klagebegehrens nur im Umfang von S 274.015,90 s.A. bekämpft wurde, und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Da der Kläger dem Beklagten für den Fall, daß das Haustor nicht erneuert werde, eine Zinsbefreiung zugesagt habe, seien Überlegungen über das Ausmaß einer allfälligen Zinsminderung nicht anzustellen, zumal die Vereinbarung nicht als Vereinbarung einer Konventionalstrafe angesehen werden könne.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Kläger gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes erhobene außerordentliche Revision ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof gemäß § 508 a Abs 1 ZPO nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichtes zulässig, weil zu der in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehenden Frage, ob eine Vereinbarung derart, wie sie zwischen den Parteien geschlossen wurde, als Vereinbarung über eine Konventionalstrafe anzusehen ist, eine Rechtssprechung des Obersten Gerichtshofs fehlt; sie ist auch berechtigt.

Die Vertrags- oder Konventionalstrafe ist eine Leistung, die der Schuldner dem Gläubiger für den Fall der Nichterfüllung oder nicht gehörigen Erfüllung seiner Schuld verspricht. Sie hat den Zweck, Nachteile auszugleichen, die dem Gläubiger aus der Vertragsverletzung entstehen. Die Vertragstrafe ist somit pauschalierter Schadenersatz, der an die Stelle des Schadenersatzes für die Nichterfüllung oder Schlechterfüllung tritt (SZ 61/279; SZ 54/46 je mwN). Darüber hinaus dient die Vertragstrafe aber auch der Verstärkung und Befestigung der Verpflichtung des Schuldners und soll auf den Schuldner einen zusätzlichen Erfüllungsdruck ausüben (RdW 1990, 293; SZ 54/46; 9 Ob A 187/93; Kerschner in ZAS 1985, 31 mwN aus dem Schriftum). Für die Pflicht zur Zahlung der Vertragstrafe ist nicht der Nachweis und nicht einmal der Eintritt eines Schadens Voraussetzung (JBl 1992, 663; RdA 1990, 49; SZ 56/75 ua).

Beurteilt man die zwischen den Parteien geschlossene Vereinbarung nach diesen Kriterien, so ist sie nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs als Vereinbarung über die Bezahlung einer Vertragstrafe anzusehen. Daran könnte kein Zweifel bestehen, wenn sich der Kläger verpflichtet hätte, im Fall der Nichterfüllung der von ihm eingegangenen Schuld einen Betrag in der Höhe des monatlichen Mietzinses zu bezahlen, den er dann mit seiner Forderung auf Bezahlung des Mietzinses aufrechnen hätte können. Dem entspricht aber im Ergebnis der vom Kläger für den Fall der Nichterfüllung erklärte Verzicht auf den Mietzins, weil er wirtschaftlich auf Bezahlung eines Betrages in der Höhe des Mietzinses hinausläuft. Daß der Verzicht auf eine Forderung eine Vertragstrafe bedeuten kann, wurde im übrigen schon in der Entscheidung EvBl 1973/278 ausgesprochen. Nicht entscheidend ist entgegen der in der Revision vertretenen Meinung, daß Feststellungen darüber fehlen, ob die Pauschalierung des Schadenersatzes das Motiv für den Abschluß der Vereinbarung gebildet hat. Wesentlich ist nur, daß der Kläger für den Fall der Nichterfüllung der von ihm eingegangenen Verpflichtung eine geldwerte Leistung, die hier im Verzicht auf seine Mietzinsforderung besteht, versprach. In diesem Punkt unterscheidet sich der hier zu beurteilende Sachverhalt von dem der Entscheidung SZ 26/2 zugrundeliegenden, auf die sich der Beklagte in der Revisionsbeantwortung beruft. Wie in dieser Entscheidung auch betont wird, wurde damals die Verringerung des Kaufpreises nicht für den Fall der Nichterfüllung oder nicht gehörigen Erfüllung des Vertrages, sondern allgemein für ein Ereignis vereinbart, dessen Eintritt nicht ausschließlich vom Willen des Schuldners abhing. Aus dieser Entscheidung ist daher für den Standpunkt des Beklagten nichts zu gewinnen.

Da der Kläger ein Verschulden an der Nichterfüllung der von ihm übernommenen Verpflichtung, für welche die Vertragstrafe vereinbart wurde und das bei Fehlen einer abweichenden Vereinbarung Voraussetzung für die Verpflichtung zu deren Bezahlung ist (RdA 1990, 49; SZ 54/4; EvBl 1977/83 ua), nicht bestritten hat, ist er zur Zahlung verpflichtet. Mit Recht macht er in der Revision aber geltend, daß diese Pflicht gemäß § 1336 Abs 2 ABGB der Mäßigung durch den Richter unterliegt, weil der kein Kaufmann und daher § 348 HGB nicht anzuwenden ist. Zur Mäßigung der Vertragstrafe wurde in mehreren, vor allem allerdings älteren Entscheidungen die Meinung vertreten, daß sie nicht von Amts wegen herabgesetzt werden dürfe (SZ 13/40, SZ 40/37 aus jüngerer Zeit noch HS XVI,XVII/1), doch wurde überwiegend auch ausgesprochen, daß in der Bestreitung der Verpflichtung zur Bezahlung der Vertragstrafe das Begehren auf Mäßigung enthalten sei (HS XVI, XVII/1 SZ 54/4; SZ 53/117; RZ 1974/42 je mwN). Der Bestreitung entspricht hier, daß der Kläger den Mietzins, auf den er als Vertragstrafe verzichtet hat, einklagte. Auf das Verhältnis dieser beiden Aussagen muß jedoch nicht eingegangen werden, weil der Kläger schon im Verfahren erster Instanz geltend machte, daß der Beklagte "höchstens allenfalls" einen Anspruch auf Zinsminderung habe. Daraus ist in dem hier gegebenen Zusammenhang aber abzuleiten, daß er für den Fall, daß der als Vertragstrafe vereinbarte Verzicht auf die Mietzinsforderung zum Tragen kommt, eine Mäßigung in der Form begehrt, daß dem Beklagten nur die Pflicht zur Zahlung eines Teiles des Mietzinses erlassen wird. Es ist daher davon auszugehen, daß sich der Kläger auf die Mäßigung der Vertragstrafe nach § 1336 Abs 2 ABGB berufen hat.

Der Umfang der Mäßigung richtet sich vor allem nach der Höhe des Schadens (RdW 1990, 293; ecolex 1990,241 Arb 10.190 ua), wobei allerdings auch dann, wenn kein Schaden entstanden ist, die Verpflichtung zur Zahlung der Vertragstrafe nicht ganz entfällt (RdW 1990,293; 9 ObA 187/93), und ferner nach dem Ausmaß des Verschuldens (RdW 1990, 293; ecolex 1990,241; RdW 1986, 378 ua). Hier wird im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung der Interessen der Vertragsparteien (RdW 1990, 293; RdW 1986, 378 ua) auch die Höhe des im Mietzins enthaltenen Anteils an den Betriebskosten und den von der Liegenschaft zu entrichtenden laufenden öffentlichen Abgaben zu beachten sein. Da von den Vorinstanzen Tatsachenfeststellungen zu den angeführten Umständen nicht getroffen wurden, mußten ihre Urteile, soweit sie nicht rechtskräftig waren, zur Ergänzung des Verfahrens aufgehoben werden.

Der Ausspruch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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