Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Kosten der Revision sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Hinsichtlich des ersten Rechtsganges wird auf die Begründung des hg Beschlusses vom 16.6.1992, 10 Ob S 149/92 Bezug genommen. Mit diesem wurde das Urteil des Berufungsgerichtes vom 4.12.1991, 32 Rs 173/91-36 aufgehoben und die Sozialrechtssache zur Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Das Berufungsgericht hatte eine gesetzgemäß ausgeführte Mängelrüge (Nichtdurchführung eines Arbeitstests) nicht behandelt. Es lagen aber auch wesentliche Feststellungsmängel vor. Einerseits stand nicht eindeutig fest, welche Arbeiten die Sachverständigen für Innere Medizin und für Neurologie und Psychiatrie unter "besonders ständigem" bzw "ständig besonderem Zeitdruck" ablaufend verstanden. Diesbezüglich war im zu ergänzenden Verfahren zu erörtern und festzustellen, welche (stressenden) Arbeitsbedingungen der Kläger auf Grund seines seit 1.1.1989 bestehenden körperlichen und geistigen Zustandes ohne wesentliche Verschlechterung desselben bewältigen kann. Andererseits waren die Vorinstanzen bei der Prüfung der Frage, ob der Kläger infolge seines Gesundheitszustandes noch einen Beruf seiner Berufsgruppe ausüben kann, nicht vom Beruf eines angestellten Geschäftsführers einer Immobilien-Service- und Makler-Gesellschaft mbH ausgegangen, den der Kläger nach seiner Behauptung zuletzt ausgeübt hatte. Deshalb war auch zu klären, welche (stressenden) Arbeitsbedingungen in der entsprechenden Berufsgruppe auftreten und ob der Kläger diesen gewachsen ist.
Auf Grund des Aufhebungs- und Zurückverweisungsbeschlusses des Revisionsgerichtes hob das Berufungsgericht das im ersten Rechtsgang erlassene Urteil des Erstgerichtes auf und verwies die Sozialrechtssache an die erste Instanz zurück.
Im fortgesetzten Verfahren holte das Erstgericht einen psychologischen Arbeits- und Büroarbeitstest und ergänzende Gutachten der bereits im ersten Rechtsgang bestellten Sachverständigen für Innere Medizin, Neurologie und Psychiatrie sowie Berufskunde ein, zog jedoch keinen Sachverständigen für Kardiologie und keinen weiteren Sachverstängen der Neurologie und Psychiatrie bei.
Auch im zweiten Rechtsgang wies das Erstgericht das Klagebegehren ab.
Nach den wesentlichen Feststellungen bestehen bei dem am 9.8.1942 geborenen Kläger intern ein Herzmuskelschaden als Folge einer Erkrankung der Herzkranzgefäße (koronare Dreigefäßerkrankung), ein Zustand nach einem am 23.8.1987 erlittenen Hinterwandinfakt mit Lysetheropie, ein Zustand nach einem am 10.5.1988 durchgeführten aortenkoronaren Dreifachbypaß mit verminderter körperlicher Belastbarkeit, wiederkehrende echte Herzschmerzen (Angina pectoris), Herzrhythmusstörungen und eine Fettstoffwechselstörung. Neurologisch-psychiatrisch bestehen eine geringe Gefühlsstörung im Bereich des linken Ulnaris(=Ellen)gebietes nach diskreter (Arm)Plexusschädigung links und eine sekundäre Neurasthenie nach somatischer (Herz)Erkrankung. Eine gegenseitige Beeinflussung der (internen und neurologisch-psychiatrischen) Leiden im Sinn einer Potenzierung besteht nicht.
Mit diesem Gesundheitszustand konnte der anlernfähige und einzuordnende Kläger (vom 1.1.1989) bis Ende 1992 leichte und mittelschwere, seit einer mit 1.1.1993 eingetretenen Verschlechterung des Herzzustandes nur mehr leichte (körperliche) Arbeiten unter Ausschluß von "ständige besonderem Zeitdruck" bzw "besonders ständigem Zeitdruck" leisten. Diese beiden Ausdrücke sind identisch im Sinn von Akkord- und Fließbandarbeit zu verstehen, bei der ständig bei vorgegebenem bzw fremdbestimmten Arbeitstempo eine überdurchschnittliche Leistung in der Zeiteinheit zu erbringen und eine selbständige Arbeitseinteilung ausgeschlossen ist und kein Handlungsspielraum besteht.
Der Kläger war zunächst Angestellter eines Büromaschinenbetriebes und leitete dann vom 1.1. bis 30.8.1985 in einem Immobilientreuhänderunternehmen die Abteilung für Immobilienmaklertätigkeiten. Am 29.3.1985 wurde die W***** Immobilien-Service und MaklergesellschaftmbH gegründet, für die der Kläger allein die Organisations- und Gründungsvorbereitungsarbeiten traf. Gegenstand dieses Unternehmens war: Immobilienmakler, Gebäudereinigung, Versicherungsmakler, Handel mit Liegenschaften und Beteiligungen an Unternehmen, ausgenommen Bankgeschäfte. Dabei war eine Ausweitung bezüglich eines Handels insbesondere mit Büromaschienen unter Berücksichtigung der im Büromaschinenbetrieb geknüpften Verbindungen des Klägers zu Ostfirmen beabsichtigt. Der Kläger war ab 1.9.1985 in dieser Gesellschaft als angestellter Geschäftsführer tätig. Er bearbeitete bis zu seinem Ausscheiden Ende 1986 alle laut Gesellschaftsvertrag anfallenden Sparten mit Ausnahme der Gebäudereinigung. In diesem Zeitraum waren unter seiner alleinigen Leitung jeweils ein bis drei Mitarbeiter tätig. Als Entgelt waren ein monatliches Fixum von 25.000 S und Provisionen vereinbart. Um den bisherigen jährlichen Einkommensstandard von 700.000 S zu halten, mußte der Kläger nicht unbeträchtliche Provisionen verdienen, vor allem durch die Immobilienmaklertätigkeit und den Handel mit Liegenschaften. Er war jedenfalls im Rahmen einer Ganztagsbeschäftigung tätig. Von der Gründung bis Ende 1986 zog er in Eigenregie mehrere hundert Projekte und Objekte auf dem Immobiliensektor durch, die auch vertragsreif wurden. Mietverträge für Klienten wurden zum Teil ohne Notar und Anwalt abgeschlossen, bei größeren Objekten wurden Rechtsfreunde eingeschaltet. Für den Aufbau und die Organisation sowie für die geplante Ausweitung des Betriebes durch Einbeziehung des Osthandels war der Kläger allein zuständig. Eine zeitlich selbstgesteuerte Einteilung war insbesondere bei der Immobilienmaklerei nicht möglich. Interessante Objekte, die oft gehäuft hereinkamen, mußten sofort bearbeitet werden, und zwar allenfalls unter Hintanstellung anderer wichtiger Dinge bzw unter Doppelbelastung. Ein Delegieren an Mitarbeiter war nur hinsichtlich der reinen Sekretariatsarbeiten möglich. Der Kläger bearbeitete größere und wesentliche Objekte allein, sorgte für Inserate, organisierte und besuchte Besichtigungs-, Notars- und andere Termine.
Diese vom Kläger zuletzt ausgeübte Beschäftigung als angestellter Geschäftsführer einer GmbH mit dem angeführten Unternehmensgegenstand ist auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit folgendem typischen Berufsanforderungsprofil verbunden: Es handelt sich um Arbeiten mit leichter körperlicher Belastung. Die Führungskraft hat laufend alleinverantwortlich die Existenz des Unternehmens erheblich beeinflussende, schwierige Entscheidungen - häufig unter Zeitdruck - zu treffen. Sie muß organisatorische Fähigkeiten, die Fähigkeit zur Überwachung der Unternehmensaktivitäten, eine gut ausgeprägte Kommunikations- und Kontaktfähigkeit und logisch-analytisches Denkvermögen haben, fallweise über den Achtstundentag hinaus arbeiten können und psychische Ausdauer besitzen. Ständiger besonderer Zeitdruck iS von Akkord- und Fließbandarbeit, bei der ständig bei vorgegebenem bzw fremdbestimmten Arbeitstempo eine überduchschnittliche Leistung in der Zeiteinheit zu erbringen, selbständige Arbeitseinteilung ausgeschlossen und kein Handlungsspielraum gegeben ist, gehört nicht zu den typischen Berufsanforderungen eines alleinverantwortlichen angestellten Geschäftsführers. Ein solcher hat im Gegesatz zum Akkord- und Fließbandarbeiter in vielfacher Hinsicht die Möglichkeit zur selbständigen Arbeitszeitgestaltung (Arbeitsorganisation) und insbesondere die Kompentenz, zeitintensive Durchführungsarbeiten an von ihm "abhängige" weisungsgebundene Mitarbeiter zu delegieren.
Da der Kläger noch ohne Kalkülsüberschreitung als angestellter Geschäftsführer arbeiten könne, gelte er nicht als berufsunfähig iS des § 273 ASVG.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge.
Es verneinte behauptete Verfahrensmängel (Nichteinholung eines kardiologischen Gutachtens, unzureichende Auseinandersetzung mit Streßanfälligkeit), übernahm die für die rechtliche Beurteilung maßgeblichen Feststellungen und teilte auch deren rechtliche Beurteilung. In
In der Revision macht der Kläger Mangelhaftigkeit, Aktenwidrigkeit, Nichtigkeit und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend. Er beantragt, das Berufungsurteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern oder es allenfalls aufzuheben.
Die Beklagte erstattet keine Revisionsbeantwortung.
Rechtliche Beurteilung
Die nach § 46 Abs 3 ASGG zulässige Revision ist iS des Aufhebungsantrages berechtigt.
Auch dieses Berufungsverfahren leidet an einem Mangel, der eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Streitsache zu hindern geeignet war (§ 503 Z 2 ZPO).
Die Revision macht nämlich im Punkt 1a ihrer Mängelrüge zutreffend geltend, daß das Berufungsgericht die in der Berufung (S 4 AS 324 Punkt 1b) gesetzgemäß ausgeführte Rüge, das Erstgericht hätte ein vom Kläger beantragtes Gutachtens eines weiteren Sachverständigen für Neurologie und Psychiatrie einholen müssen, überhaupt nicht behandelt hat. Das angefochtene Urteil ist daher wiederum aufzuheben und die Sozialrechtssache zur Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§§ 496, 510 und 511 ZPO), obwohl die weiters geltend gemachten Mangelhaftigkeiten (§ 503 Z 2 ZPO) und die geltend gemachte Aktenwidrigkeit nicht vorliegen (§ 503 Z 3 ZPO, § 510 Abs 3 leg cit). In der im Gerichtsakt erliegenden maschinschriftlichen Übertragung des über die erstgerichtliche Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 7.9.1993 mit einem Schallträger aufgenommenen Protokolls ON 65, die allerdings entgegen dem gemäß § 212a Abs 2 ZPO sinngemäß anzuwendenden § 212 Abs 5 leg cit nicht von der Vorsitzenden unterschrieben wurde, lautet die Antwort des Sachverständigen für Innere Medizin auf den die Pausen während des Bürotests betreffenden Vorhalt der Klagevertreterin wie folgt (S 4 AS 277): "Diese Pause erfolgte nicht aufgrund eines internen Leidens."
Das Wort "nicht" zwischen den Wörtern "erfolgte" und "aufgrund" ist allerdings handschriftlich eingefügt. In dieser verbesserten Form wurde die protokollierte Aussage des genannten Sachverständigen auch im erstgerichtlichen Urteil ON 66 verwertet, auf dessen S 9 AS 303 es ausdrücklich heißt: "Überdies wurde klargestellt, daß die Pausen, die beim Test eingelegt wurden, kein internistisches Substrat haben. "Wenn auch das Berufungsgericht auf S 6 AS 353 des angefochtenen Urteils davon ausging, der Sachverständige für Innere Medizin habe in seinem (mündlich ergänzten) Gutachten ON 65 ausgeführt, daß diese Pausen nicht aufgrund eines internen Leidens erfolgten, scheint seinem Urteil keine tatsächliche Voraussetzung zugrunde gelegt, die mit den Prozeßakten erster oder zweiter Instanz im Widerspruch steht. Die neuerliche Rüge der in der Berufung behaupteten, vom Berufungsgericht aber verneinten angeblichen Mängel des Verfahrens erster Instanz (insbesondere die Nichtbeiziehung eines Sachverständigen für Kardiologie) ist nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senates auch in einer Sozialrechtssache nicht zulässig (zB SSV-NF 7/12 und 74 mwN).
Der im § 477 Abs 1 Z 9 ZPO bezeichnete Nichtigkeitsgrund liegt nicht vor. Die Fassung des angefochtenen Urteils ist nicht so mangelhaft, daß seine Überprüfung nicht mit Sicherheit vorgenommen werden könnte (SSV-NF 4/25 uva). Das Urteil, nämlich sein Spruch (EvBl 1958/11 uva; Fasching, ZPR2 Rz 1760), steht auch nicht mit sich selbst in Widerspruch.
Schließlich müssen auch die versuchten Angriffe des Revisionswerbers auf die Beweiswürdigung des Berufungsgerichtes wegen der abschließenden Aufzählung der zulässigen Revisionsgründe im § 503 ZPO erfolglos bleiben.
Da aber die oben dargestellte Mangelhaftigkeit vorliegt, war die Aufhebung und Rückverweisung der berufungsgerichtlichen Entscheidung in die zweite Instanz nicht zu umgehen.
Der Vorbehalt der Entscheidung über den Ersatz der Revisionskosten beruht auf dem nach § 2 Abs 1 ASGG anzuwendenden § 52 Abs 1 ZPO.
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