OGH 4Ob553/94

OGH4Ob553/9420.9.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen Thomas P*****, geboren am *****, infolge Rekurses des Vaters Anton S*****, gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 30.6.1994, Jv 2793-1/93-9, womit die Ablehnung des Landesgerichtes Innsbruck (einschließlich dessen Präsidenten) für nicht gerechtfertigt erkannt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Mit Schreiben vom 25.8.1993 lehnt Anton S***** sämtliche Richter des Bezirksgerichtes und des Landesgerichtes Innsbruck einschließlich Gerichtsvorsteher und Präsidium als befangen ab. Er könne sein gerichtlich geregeltes Recht, seinen Sohn Thomas zu besuchen, wegen dieser "gesetzwidrigen Gerichte" nicht mehr ausüben. Eine "neuerliche strafrechtliche Meisterleistung dieser republikanischen österreichischen Justizler" sei aus dem in Kopie beigelegten Schreiben zu ersehen. Er habe nie einen Beschluß über die Zurückweisung der Ablehnung von diesen "Gesetzesbrechern" erhalten. Anton S***** stellt die rhetorische Frage, welcher "Rechtsbrecher" den anderen decke. Ein "H*****, P***** und Co" sei eine Zumutung für ein sogenanntes "unabhängiges" Gericht.

Anton S***** richtete seinen Ablehnungsantrag an das Oberlandesgericht Innsbruck. Dieses übersandte das Schreiben dem Präsidium des Landesgerichtes Innsbruck zur "allfälligen Beantwortung". Dort wurde das Schreiben als offensichtlich mißbräuchlicher Ablehnungsantrag abgelegt. Da das Landesgericht Innsbruck in den Verfahren 52 R 49, 92/94 über Rekurse von Anton S***** zu entscheiden hat, in denen auch auf die seinerzeitige Ablehnung Bezug genommen wird, regte das Landesgericht Innsbruck an, im Hinblick auf die besondere Fallkonstellation über den Ablehnungsantrag förmlich zu entscheiden.

Mit Beschluß vom 30.6.1994 erkannte das Oberlandesgericht Innsbruck die Ablehnung des Landesgerichtes Innsbruck, einschließlich dessen Präsidenten, als nicht gerechtfertigt. Es sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Nach herrschender Rechtsprechung und Lehre könne ein ganzes Gericht nur abgelehnt werden, wenn konkret angegeben werde, aus welchen Gründen jeder einzelne Richter befangen sei. Ein Richter könne nur abgelehnt werden, wenn aus objektiver Sicht zu befürchten sei, daß sich der Abgelehnte bei seiner Entscheidung von anderen als sachlichen Gründen leiten lassen könne. In unzulässigen Pauschalablehnungen offenbar rechtsmißbräuchlich ausgesprochene substanzlose Verdächtigungen und Beschuldigungen seien völlig unbeachtlich. Im übrigen hätten sowohl der Präsident des Landesgerichtes Innsbruck als auch die zur Entscheidung berufenen Mitglieder des Rechtsmittelsenates des Landesgerichtes Innsbruck erklärt, sich nicht befangen zu fühlen.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluß gerichtete Rekurs des Kindesvaters Anton S***** ist zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

Der Rekurswerber stellt die rhetorische Frage, wie ein Präsident des Landesgerichtes Innsbruck objektiv sein solle, wenn er zB mit seinem Schreiben vom 19.8.1993 die Machenschaften des Bezirksgerichtes mit seinem Vorsteher decke. Das gleiche gelte für einen Richter des Landesgerichtes Innsbruck, wenn sein Präsident die Rechtswidrigkeiten seiner Richter decke. Auch in den übrigen Ausführungen werden rhetorische Fragen zum Verfahrensablauf gestellt, wobei sich der Rechtsmittelwerber offenbar dadurch beschwert erachtet, daß der Erstrichter noch nach der Ablehnung tätig geworden ist. Das Landesgericht Innsbruck habe in seinem Beschluß vom 3.9.1993 ausgeführt, daß der Ablehnungsantrag mit Beschluß des Vorstehers des Bezirksgerichtes vom 22.7.1993 rechtskräftig zurückgewiesen worden sei; er habe diesen Beschluß jedoch erst am 1.4.1994 zugestellt erhalten. Sein Rekurs gegen diesen Beschluß sei noch immer nicht behandelt worden. Er fordere die Aufhebung aller rechtswidrigen Beschlüsse in allen Akten. Das Rekursgericht solle in den Akt 3 P 413/81 und alle Jv-Akten Einsicht nehmen und sein Beschwerdeschreiben vom 6.7.1994 an das Oberlandesgericht Innsbruck sowie seine Eingabe vom 27.8.1993 an den Bundesminister für Justiz beachten.

Gemäß § 19 Z 2 JN kann ein Richter abgelehnt werden, weil ein zureichender Grund vorliegt, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Abgelehnt kann immer nur ein Richter als Person werden, niemals aber das Gericht als Institution. Die Ablehnung eines ganzen Gerichtes ist daher nur möglich, wenn für jede einzelne Person detaillierte Ablehnungsgründe angegeben werden (Fasching, Zivilprozeßrecht2 Rz 165; EvBl 1989/18; s auch Fasching I 200; RZ 1981/16 uva). In unzulässigen Pauschalablehnungen offenbar rechtsmißbräuchlich ausgesprochene substanzlose Verdächtigungen und Beschuldigungen, die wegen ihres mangelnden Tatsachengehaltes nicht überprüft werden können und die ihren Grund offenbar in der Mißbilligung vorangegangener Entscheidungen haben, sind völlig unbeachtlich und stehen der Verhandlung und Entscheidung durch die nach der Zuständigkeitsordnung berufenen betroffenen Richter nicht entgegen (EvBl 1989/19).

Anton S***** hat die abgelehnten Gerichte als "gesetzwidrig", als "Gesetzesbrecher" und "Rechtsbrecher" und einzelne Richter als "Zumutung für ein sogenanntes 'unabhängiges' Gericht" bezeichnet und "diesen republikanischen österreichischen Justizlern" vorgeworfen, eine "neuerliche strafrechtliche Meisterleistung" erbracht zu haben. Diese Ausführungen hat das Oberlandesgericht Innsbruck zu Recht als unzulässige rechtsmißbräuchliche Pauschalablehnung beurteilt, können sie doch, mangels konkreter Angaben, welcher Richter aus welchen Gründen befangen sein soll, nicht auf ihre Berechtigung überprüft werden. Das Rekursvorbringen führt zu keiner anderen Beurteilung. Es stellt die Befangenheit als gegeben hin, läßt jedoch jede Begründung vermissen, inwiefern sich die betroffenen Richter und Gerichte gegenseitig "decken" sollen und weshalb daraus ihre mangelnde Objektivität folgen soll.

Soweit sich der Rekurswerber darüber beschwert, daß das Landesgericht Innsbruck im Beschluß vom 3.9.1993 vom rechtskräftigen Zurückweisungsbeschluß vom 22.7.1993 spricht, während der Beschluß dem Rekurswerber erst am 1.4.1994 zugestellt wurde, ist darauf zu verweisen, daß am 30.3.1994 die (neuerliche ?) Zustellung des Beschlusses verfügt wurde, weil sich kein Zustellnachweis im Akt befand. Der Hinweis auf die Rechtskraft des Zurückweisungsbeschlusses muß demnach nicht einmal auf einem Versehen beruhen, ist es doch nicht auszuschließen, daß ein Zustellnachweis damals vorhanden war, später aber verlorengegangen ist; er ist jedenfalls kein Indiz dafür, daß sich die Richter des Landesgerichtes Innsbruck bei ihrer Entscheidung nicht von sachlichen Erwägungen leiten ließen.

Der Rekurs mußte erfolglos bleiben.

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