OGH 13Os106/94

OGH13Os106/947.9.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 7.September 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Mayrhofer, Dr.Ebner und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Krumholz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Heinz Z***** wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten, sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom 18.Februar 1994, GZ 11 b Vr 912/92-49, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Hauptmann, des Angeklagten Heinz Z*****, und des Verteidigers Dr.Pfleger zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in dem Heinz Z***** treffenden Schuldspruch wegen Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG zu B II.2. insoweit, als ihm auch die Überlassung von ungefähr 50 Gramm Cannabisharz an Michael Z***** am 25.Februar 1992 sowie vom 26. bis 29.März 1992 angelastet wird, und demgemäß auch in dem diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen (auch einen rechtskräftigen Schuldspruch des Gerhard L***** enthaltenden) Urteil wurde Heinz Z***** des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt als Beitragstäter nach §§ 12 dritter Fall, 302 Abs 1 StGB (B I) sowie des Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG (B II) schuldig erkannt.

Nach den Feststellungen des Schöffengerichts hat der in der Justizanstalt Göllersdorf als Stationsgehilfe mit Aufgaben des Maßnahmenvollzuges betraute Gerhard L***** mißbräuchlich unter anderem dem Bruder des untergebrachten Michael Z***** Suchtgiftkonsum und Suchtgiftbesitz ermöglicht. Der Angeklagte wirkte daran durch Beistellung von Haschisch mit. Am 3.Dezember 1991 und am 23.Jänner 1992 führte Gerhard L***** den Michael Z***** im Rahmen eines Sozialausganges zum Angeklagten. Dort konnte Michael Z***** mit einer Wasserpfeife Haschisch rauchen und beim zweiten Mal eine geringe Menge Haschisch in die Anstalt mitnehmen.

Im Frühjahr 1992 holte Gerhard L***** beim Angeklagten ungefähr 40 Gramm Haschisch und übergab das Suchtgift vereinbarungsgemäß dessen Bruder Michael. Dem Angeklagten war die Unterbringung seines Bruders in der Justizanstalt Göllersdorf bekannt und bei den ihm angelasteten Tatbeiträgen die Funktion des Gerhard L***** im Maßnahmenvollzug ebenso bewußt wie die Unvereinbarkeit des Suchtgiftkonsums seines Bruders mit den Anstaltsvorschriften und mit der Anhaltung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher.

Zum neben die Unterstützung von Mißbrauchsakten des Gerhard L***** getretenen und durch Schuldspruch wegen Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG erfaßten Umgang des Angeklagten mit Suchtgift wurde festgestellt, daß dieser vom 4.November 1987 bis 4.Oktober 1993 wiederholt Haschisch (insgesamt 750 Gramm) erworben und besessen hat. Bei Besuchen in der Justizanstalt Göllersdorf übergab er seinem Bruder ungefähr 10 Gramm Haschisch. Darüber hinaus stellte er zwei weiteren Personen Haschisch zum Rauchen mit einer Wasserpfeife zur Verfügung.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft die ihn betreffenden Schuldsprüche mit auf § 281 Abs 1 Z 5, 5 a, 9 lit a und b StPO gestützter Nichtigkeitsbeschwerde. Sie ist zum Teil berechtigt.

Die Mängelrüge (Z 5) wegen unzureichender Begründung der Urteilsfeststellungen über die subjektive Tatseite befaßt sich zunächst in Wahrheit nicht mit der Tragfähigkeit erstgerichtlicher Schlußfolgerungen, sondern bestreitet die Einsicht des Angeklagten in die Beamteneigenschaft eines Krankenpflegers im Sinne des § 302 StGB. Des weiteren wird eingewendet, das Mitrauchenlassen an einer Wasserpfeife mit Haschisch sei keine Weitergabe von Suchtgift. Derartige Wissensinhalte hat das Erstgericht jedoch gar nicht festgestellt. Diese Einwände rechtlicher Natur werden deshalb im Rahmen der Behandlung der Rechtsrügen erörtert.

Die Urteilsfeststellungen über die Weitergabe von Haschisch durch den Angeklagten an andere Personen wurden der Beschwerde zuwider keineswegs ohne Begründung getroffen. Das Schöffengericht stützte die Aussprüche vielmehr ausdrücklich auf die Verantwortung des Gerhard L*****, welcher entgegen der Beschwerde auf Haschischübergaben im Besucherraum der Justizanstalt Göllersdorf hinwies (S 35/I = 31/II). Soweit dem Angeklagten ein Mitrauchenlassen von Haschisch zur Last liegt, erübrigt sich schon wegen der diesbezüglichen Tatsachengeständnisse (S 183 ff/II) eine nähere Begründung. Bei den Annahmen des Erstgerichtes über die jeweiligen Haschischmengen handelte es sich um keine für die Subsumtion oder den anzuwendenden Strafsatz entscheidenden Tatsachen, weshalb dieser Einwand auf sich beruhen kann.

Die Tatsachenrüge (Z 5 a) versucht die belastenden Angaben des Gerhard L***** in Zweifel zu ziehen und besteht solcherart weitgehend im Versuch, gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung anzukämpfen. Sie vermag jedoch (auf Aktengrundlage) keine erheblichen Bedenken im Sinne objektiv vernünftiger Zweifel gegen die Richtigkeit entscheidungsrelevanter Urteilsfeststellungen zu erwecken.

Dem Standpunkt der Rechtsrüge (Z 9 lit a) zuwider ist ein Bediensteter einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher, dem zum eigentlichen Anstaltsbetrieb gehörende Tätigkeiten obliegen, ein Beamter im Sinne des Strafrechts (§ 74 Z 4 StGB), weil er Aufgaben der Bundesverwaltung erfüllt (§ 158 StVG, § 6 Abs 2 der Sprengelverordnung BGBl 1989/236). Die Unkenntnis eines Täters über diese Subsumtionsgegebenheit bedeutet keineswegs einen sogenannten Verbotsirrtum nach § 9 StGB, welcher im übrigen niemals als Strafaufhebungsgrund im engeren Sinn wirkt, sondern unter Umständen die Strafbarkeit mangels Schuld (Unrechtsbewußtseins) nicht entstehen läßt.

Ein Rechtsirrtum im eingewendeten Sinn liegt nur dann vor, wenn dem Täter nicht bewußt ist, daß sein Verhalten gegen die Rechtsordnung verstößt und nicht erst bei dessen Unkenntnis über die richtige strafgesetzliche Beurteilung oder über die bestehende Strafdrohung. Für eine Annahme, der Angeklagte habe anläßlich der Unterstützung des Mißbrauches des Gerhard L***** den Widerspruch seines Verhaltens zur Rechtsordnung nicht erkannt, lassen aber die von ihm gar nicht bekämpften Urteilsfeststellungen über sein Wissen von der Vorschriftswidrigkeit des Tuns des Angeklagten L***** und der Vereitelung des Gesetzeszwecks von vornherein keinen Raum.

Nicht zielführend ist auch der weitere materiellrechtliche Einwand, das Ermöglichen des Haschischkonsums mit einer Wasserpfeife sei keine Suchtgiftüberlassung an die anderen Pfeifenbenützer gewesen. Entscheidend ist, daß zuvor an dem gerauchten Haschisch Alleingewahrsam des Angeklagten bestand und durch seine Vorgangsweise den anderen Konsumenten jeweils Mitgewahrsam an dem durch Rauchen verbrauchten Suchtgift verschafft wurde, was dem Begriff des Überlassens an einen anderen im Sinne des § 16 Abs 1 SGG entsprach (SSt 50/43). Die in der Nichtigkeitsbeschwerde implicit aufgeworfene Frage nach einem diesbezüglichen Verbotsirrtum des Angeklagten stellte sich angesichts seiner Einlassung, wonach ihm das gesetzliche Verbot des Haschischrauchens bekannt war (S 185 f/II), somit gar nicht.

Für die vom Beschwerdeführer abschließend geforderte Anwendung des (bedingten) Strafausschließungsgrundes nach §§ 17 und 19 SGG (inhaltlich Z 9 lit b) in Ansehung seines Erwerbes und Besitzes von Haschisch ergab sich keine Grundlage, weil dazu auch noch anderer Suchtgiftmißbrauch festgestellt wurde (B/II/2; SSt 45/14).

Im dargestellten Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten daher zu verwerfen.

Im Ergebnis ist allerdings der in der Mängelrüge erhobene Einwand gegen jenen Teil des Schuldspruches wegen Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG (B/II/2) berechtigt, der dem Angeklagten die Überlassung von ungefähr 50 Gramm Haschisch an Michael Z***** bei Freigängen in Wien am 25.Februar 1992 und vom 26. bis 29.März 1992 anlastet. Mit der Bestreitung von Grundlagen für diesen Schuldspruch wird vom Beschwerdeführer (sachlich) zutreffend auch der Umstand bezeichnet, daß das Erstgericht zu diesem Schulderkenntnis überhaupt keine Urteilsfeststellungen getroffen hat, woraus sich eine Nichtigkeit im Sinne des § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO ergibt (Mayerhofer-Rieder StPO3 § 281 Z 9 lit a ENr 8).

Die unterlaufene Nichtigkeit erforderte deshalb eine Aufhebung des davon betroffenen Schuldspruchs und eine diesbezügliche Verfahrenserneuerung.

Es war daher der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten teilweise Folge zu geben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch des Hermann Z***** wegen Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG zu B II 2 im bezeichneten Umfang und demgemäß auch in dem den Beschwerdeführer treffenden Strafausspruch aufzuheben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

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