OGH 13Os146/94

OGH13Os146/9431.8.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 31.August 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel und Dr.Rouschal als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Krumholz als Schriftführerin, in der bei dem Landesgericht Leoben zum AZ 15 Vr 617/94 anhängigen Strafsache gegen Sebastian K***** und Karl M***** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 und 2 SGG und einer anderen strafbaren Handlung über die Grundrechtsbeschwerde des Karl M***** gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz vom 29.Juli 1994, AZ 11 Bs 327,328/94, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Durch den angefochtenen Beschluß wurde Karl M***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Karl M***** wurde am 7.Juli 1994 (um 17 Uhr) auf Grund des Haftbefehles des Landesgerichtes Leoben vom 5.Juli 1994, GZ 15 Vr 617/94-7, auf der Flucht (die bisher zur Begründung für das Vorliegen des entsprechenden Haftgrundes nicht herangezogen wurde, S 199) festgenommen. Am 8.Juli 1994 wurde gegen ihn die Voruntersuchung wegen Verdachtes des Verbrechens nach § 12 Abs 1 und 2 SGG und wegen des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 ABs 2 StGB eingeleitet (S 2, 125). Mit Beschluß vom 11.Juli 1994 wurde über ihn die Untersuchungshaft aus den Gründen des § 180 Abs 2 Z 2 und 3 lit a und b StPO verhängt (ON 19). Dieser Verfügung lag der dringende Verdacht zugrunde, daß er im April 1993 in Z***** 300 Gramm Kokain von Helmut W***** gekauft und an den im vorliegenden Verfahren mitbeschuldigten Sebastian K***** weiterverkauft habe. Nach Durchführung einer Haftverhandlung beschloß das Erstgericht am 15. Juli 1994 die Fortsetzung der Untersuchungshaft wegen dringenden Verdachtes des Verbrechens nach § 12 Abs 1 und 2 SGG aus den Gründen des Haftbeschlusses mit Wirksamkeit bis längstens 15.August 1994 und stützte den dringenden Tatverdacht auch auf weitere im Verfahren hervorgekommene (illegale) Suchtgiftaktivitäten des Beschuldigten (ON 25).

Über dessen Beschwerde gegen diesen Beschluß ordnete das Oberlandesgericht die Fortsetzung der Untersuchungshaft aus den bereits vom Erstgericht angenommenen Haftgründen an und erklärte die Untersuchungshaft aus dem Grund des § 180 Abs 2 Z 2 StPO bis längstens 12.September 1994, jene aus dem Grund der Z 3 lit a und b leg.cit. bis längstens 29.September 1994 für wirksam (ON 29).

Zum dringenden Tatverdacht des Inverkehrsetzens von 300 Gramm Kokain stützte sich das Oberlandesgericht auf die Verantwortung des Joachim S***** in dem gegen diesen geführten (und mittlerweile rechtskräftig abgeschlossenen) Verfahren zu 10 Vr 1164/94 des Landesgerichtes Leoben, die mit dessen (in Form von zwei Amtsvermerken festgehaltenen) Angaben vor der Gendarmerie vom 3.November 1993 und 16. Juni 1994 (S 111 bis 115) korrespondieren, zu Erwerb und Weitergabe von weiteren 25 bis 60 Gramm Kokain (von Dezember 1993 bis Juli 1994) auf das diesbezügliche (mittlerweile jedoch widerrufene) Geständnis des im vorliegenden Verfahren mitbeschuldigten Sebastian K***** vor dem Untersuchungsrichter (S 120 a), bezüglich (bereits weiter zurückliegender, seit 1987 erfolgter) Verkäufe und Weitergabe von Haschisch auf die Aussage des Harald H***** vor der Gendarmerie (S 239 ff). In seine Überlegungen bezog das Oberlandesgericht auch die aktenkundigen Umstände zur eingeleiteten Voruntersuchung wegen Verdachtes des Vergehens des Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB (Vortäuschung von Verkehrsunfällen mit anderen Verkehrsteilnehmern gegenüber Versicherungsanstalten, Schaden 245.033 S; siehe ON 14) ein, auf die sich das Erstgericht bei der bekämpften Fortsetzung der Untersuchungshaft noch nicht gestützt hatte.

Die Haftgründe nahm das Oberlandesgericht mangels gerichtlicher Vernehmung von Zeugen zum Handel mit 300 Gramm Kokain bis zum Zeitpunkt seiner Entscheidung (§ 180 Abs 2 Z 2 StPO) sowie infolge einschlägiger Vorverurteilung und Wiederholung des Suchtgifthandels durch den selbst seit Jahren süchtigen und in der Suchtgiftszene integrierten Beschuldigten an (Z 3 lit a und b leg.cit.).

Rechtliche Beurteilung

Die gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes gerichtete, den dringenden Tatverdacht und das Vorliegen der angenommenen Haftgründe bestreitende Grundrechtsbeschwerde ist nicht berechtigt.

Das Vorbringen zum dringenden Tatverdacht beschränkt sich auf den Erwerb und Verkauf von 300 Gramm Kokain, wobei die Beschwerde zur Entkräftung der Dringlichkeit des Tatverdachtes verschiedene, aus dem Zusammenhang gelöste Teile von Aussagen des Zeugen Joachim S***** im vorliegenden und in dem gegen ihn geführten Verfahren anführt. Dabei aufgetretene Divergenzen beziehen sich jedoch im wesentlichen nur auf den Umstand, ob die Mengenangabe von 300 Gramm Kokain tatsächlich von diesem Zeugen selbst stammt oder auf eine Schätzung der vernehmenden Gendarmeriebeamten nach Demonstration der Paketgröße durch den Zeugen zurückzuführen ist, wobei diese Beamten allerdings nach dem Inhalt der Grundrechtsbeschwerde selbst darauf hinwiesen, daß der Zeuge die Menge von 300 Gramm selbst angegeben hat. Durch dessen letzte Vernehmung (als Zeuge) vor dem Untersuchungsrichter im vorliegenden Verfahren, die gegenüber den bis dahin erfolgten, als die Belastung des Beschwerdeführers abschwächend einzustufen ist (ON 31), bleibt aber die Dringlichkeit des Tatverdachtes begründet. Dieser Zeuge gab dabei nämlich an, daß ihm der Beschwerdeführer auf der Fahrt vom Kauf nach Hause ein Paket Kokain vorwies, das er kurz vorher gekauft hatte, welches nach den mengenmäßigen Schätzungen der den Zeugen vernehmenden Beamten rund 300 Gramm Kokain enthalten habe und er Karl M***** damit zum anderen Beschuldigten Sebastian K***** fahren mußte, weil M***** diesem das Suchtgift verkaufen wollte. Die mehrfach wiederholten Angaben des Joachim S***** sind jedenfalls auch in ihrer zuletzt aufrecht erhaltenen Form so konkret, daß sie im Zusammenhang mit den übrigen Erhebungsergebnissen auch den leugnenden Verantwortungen der Beschuldigten gegenüber die Dringlichkeit des Tatverdachtes zu dem in der Grundrechtsbeschwerde relevierten Faktum begründen. Die vom Verteidiger im Rahmen des Grundrechtsbeschwerdeverfahrens (verspätet) vorgelegte Briefablichtung vermag eine durch den angefochtenen Beschluß verursachte Grundrechtsverletzung ebensowenig aufzuzeigen.

Insgesamt versucht diese mit Überlegungen zur Glaubwürdigkeit der Angaben des genannten Zeugen aus der Sicht des Beschuldigten die Dringlichkeit des Tatverdachtes zu widerlegen.

Das Grundrechtsbeschwerdeverfahren kann Ergebnisse eines Erkenntnisverfahrens in keinem Fall vorwegnehmen. Die endgültige Feststellung des Sachverhaltes liegt nach dessen freier Beweiswürdigung ausschließlich beim Urteilsgericht, die Überlegungen zum Tatverdacht ergeben jedoch im vorliegenden Fall derzeit ein derartiges Überwiegen der belastenden Momente, daß dessen Dringlichkeit im gegebenen Zusammenhang vom Oberlandesgericht zu Recht bejaht wurde.

Es ist aber auch dessen Überlegungen zum Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 3 lit a und b StPO zu folgen. Die einschlägige Vorverurteilung bleibt von der Beschwerde unbestritten (Landesgericht Feldkirch vom 4.August 1992, 20 Vr 753/92, § 15 StGB, § 12 Abs 1 SGG; § 12 StGB, § 16 Abs 1 SGG; ua Einfuhr von 418,4 Gramm Cannabisharz und insgesamt 70 Gramm Kokain, Tatzeiten dazu 1989 bis Juni 1992). Die nunmehr dem Beschuldigten nach § 12 Abs 1 und 2 SGG vorgeworfene Straftat stellt schon nach der Menge des Suchtgiftes, dessen Verhandeln der Beschuldigte dringend verdächtig ist, und damit der Größe des gefährdeten Personenkreises eine strafbare Handlung mit schweren konkreten Tatauswirkungen für die gesellschaftliche Wirklichkeit dar (siehe 12 Os 38/93). Die Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 3 lit a StPO wird dadurch begründet. Das Oberlandesgericht ist aber auch berechtigtermaßen vom Haftgrund der lit b leg.cit. ausgegangen, indem es die weiteren (und von der Beschwerde nicht bestrittenen) dringenden Verdachtsmomente (Inverkehrsetzen von 25 bis 60 Gramm Kokain in der Zeit von November 1993 bis Juli 1994) des selbst süchtigen, keiner regelmäßigen Beschäftigung nachgehenden und auf eine Notstandshilfe angewiesenen Beschuldigten berücksichtigte (siehe S 85, ON 18; vgl wie bereits vom Oberlandesgericht herangezogen 13 Os 26/93).

Infolge Vorliegens des Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr kann im Grundrechtsbeschwerdeverfahren die Überprüfung des weiteren vom Oberlandesgericht angenommenen Haftgrundes dahingestellt bleiben. Zu dem in der Grundrechtsbeschwerde erhobenen Vorwurf der Verzögerung im Zusammenhang mit diesem Haftgrund sei nur der Vollständigkeit halber darauf hingewiesen, daß nach Einlangen des Beweisantrages der Verteidigung am 15.Juli 1994 bei Gericht (ON 21) vom Untersuchungsrichter am 21.Juli 1994 die beantragten Vernehmungen für den 1.August 1994 veranlaßt wurden (S 2), worin eine zu beanstandende Verzögerung nicht zu erblicken ist. Im übrigen hat die Vernehmung der Zeugin Rosemarie K***** keineswegs die vom Beschuldigten erhoffte Entlastung gebracht (siehe ON 32).

Da durch den angefochtenen Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz das Grundrecht des Karl M***** auf persönliche Freiheit nicht verletzt wurde (§ 2 Abs 1 iVm § 7 GRBG), war die Beschwerde in Übereinstimmung mit der (nicht weiter ausgeführten) Meinung der Generalprokuratur abzuweisen.

Demzufolge entfiel ein Ausspruch über den Ersatz der Beschwerdekosten (§ 8 GRBG).

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