OGH 1Ob29/94

OGH1Ob29/9429.8.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser, Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker und Dr.Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Leopold K*****, vertreten durch Dr.Franz Huber und Dr.Gunther Huber, Rechtsanwälte in Traun, wider die Antragsgegnerin Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen Feststellung der Nichtberechtigung einer Kostenvorschreibung gemäß § 31 Abs 3 WRG, infolge Revisionsrekurses der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 21.April 1994, GZ 18 R 779/93-5, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Linz-Land vom 8.November 1993, GZ 6 Nc 30/93-2, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Die Revisionsrekursbeantwortung wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Das Erstgericht wies den auf § 117 WRG gestützten Antrag auf Feststellung, daß der Antragsteller die ihm mit Bescheid der örtlich zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde vom 19.8.1993 auferlegten Kosten für die Entsorgung von Erdmaterial im Betrag von S 192.706,50 nicht zu tragen habe, zurück und führte zur Begründung aus, der Ersatz der in einem Verwaltungsvollstreckungsverfahren aufgelaufenen Kosten unterliege nicht der nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichte, weil es sich dabei nicht um eine Angelegenheit der "civil rights", sondern um einen öffentlich-rechtlichen Kostenanspruch handle.

Das Gericht zweiter Instanz hob diesen Beschluß auf, trug dem Erstgericht die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens auf und sprach aus, daß der Entscheidungsgegenstand S 50.000,-- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es führte aus, dem Antragsteller sei mit dem auf § 31 Abs 3 WRG gestützten Bescheid der Bezirksverwaltungsbehörde vom 2.8.1993 die Durchführung verschiedener Entsorgungsmaßnahmen auf seine Kosten zur Vermeidung einer Grundwasserverunreinigung aufgetragen worden. Mit Schreiben vom 19.8.1993 habe ihm die Bezirksverwaltungsbehörde unter Hinweis auf den Bescheid vom 2.8.1993 die Rechnung einer Abfallverwertungsgesellschaft für entsprechende Entsorgungsmaßnahmen über den Betrag von S 192.706,50 zur Begleichung übermittelt. Gemäß § 117 Abs 4 WRG trete die Entscheidung der Wasserrechtsbehörde über die Pflicht zur Leistung unter anderem von Kosten, die entweder im Wasserrechtsgesetz oder in Sondervorschriften vorgesehen sind, außer Kraft, soweit vor Ablauf von zwei Monaten nach Zustellung des Bescheids die gerichtliche Entscheidung beantragt werde. Dem von dieser Gesetzesstelle verwendeten Begriff "Kosten" seien auch solche Kosten zu unterstellen, die bei Durchführung von gemäß § 31 Abs 3 WRG behördlich angeordneten Maßnahmen zur Hintanhaltung der Gefahr einer Gewässerverunreinigung entstehen. Dabei zähle die Vorschreibung von Kosten gemäß § 31 Abs 3 WRG - anders als die Enteignungsentschädigung - zweifellos nicht zum Kernbereich der "civil rights". Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes werde auch im § 31 Abs 3 WRG der Ausdruck "Kosten" verwendet, ohne daß dem Gesetz eine vom § 117 WRG abweichende Sonderregelung für die behördliche Auferlegung dieser Kosten entnommen werde könne. Somit ergebe sich aus dem "unzweideutigen" Wortlaut des § 117 Abs 1 iVm Abs 4 WRG, daß die sukzessive Gerichtszuständigkeit nicht nur für Entschädigungen, sondern auch für Kosten gelten solle, die im Wasserrechtsgesetz vorgesehen seien, somit auch für solche iS des § 31 Abs 3 WRG. Nach dieser Gesetzesstelle seien dem Verpflichteten nach Durchführung der Maßnahmen die dabei entstandenen notwendigen und zweckmäßigen Kosten bescheidmäßig vorzuschreiben. Das Schreiben der Bezirksverwaltungsbehörde vom 19.8.1993 sei zwar nicht als Bescheid bezeichnet, der Mangel einer solchen ausdrücklichen Bezeichnung schließe die Bescheidqualität indessen nicht aus; stelle sich eine Erledigung ihrem Inhalt nach als Entscheidung oder Verfügung dar, sei sie dennoch als Bescheid zu beurteilen. Das Schreiben entspreche dadurch, daß es Angaben über den Adressaten, die ausstellende Behörde und die Unterschrift des Ausstellers enthalte und einen normativen Inhalt aufweise, indem es den Antragsteller zur Begleichung der Rechnung auffordere, den Inhaltserfordernissen eines Bescheids im Sinne des § 58 AVG, sodaß gemäß § 117 Abs 4 WRG aufgrund dieses Schreiben das ordentliche Gericht angerufen werden könne.

Rechtliche Beurteilung

Der von der Antragsgegnerin dagegen erhobene Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Die Antragsgegnerin führt darin ins Treffen, das Schreiben der Bezirksverwaltungsbehörde vom 19.8.1993 sei kein Bescheid, sondern eine schlichte Zahlungsaufforderung, aber selbst bei Annahme der Bescheidqualität sei die sukzessive Gerichtszuständigkeit zu verneinen, weil es sich dabei nicht um die Vorschreibung von Kosten von bei Gefahr im Verzug angeordneten Vorkehrungen im Sinne des § 31 Abs 3 WRG, sondern von Kosten der Ersatzvornahme gemäß § 4 VVG handle. Keines dieser Argumente hält einer näheren Prüfung stand:

Wie der erkennende Senat in seiner Entscheidung vom 18.3.1992, 1 Ob 6/92 (= EvBl 1992/186 = SZ 65/1; ebenso 1 Ob 12/94) unter Berufung auf die dort zitierte Rechtsprechung und Lehre aussprach, sind Bescheide jene hoheitlichen Erledigungen von Verwaltungsbehörden, in denen in konkreten Angelegenheiten der Verwaltung individuell bestimmten Personen gegenüber im Außenverhältnis über Rechtsverhältnisse des materiellen oder des Verfahrensrechts formell und der Rechtskraft fähig abgesprochen wird; es muß demnach eine Rechtsvorschrift vollzogen werden, wodurch subjektive Rechte von (rechtsunterworfenen) Personen berührt werden. Wohl sind Bescheide gemäß § 58 AVG als solche zu bezeichnen, der Willensäußerung der Behörde, die ihrem Inhalt nach Bescheid ist, kann jedoch die Qualität eines solchen nicht deshalb abgesprochen werden, weil die Behörde sie selbst nicht als solchen bezeichnet hat. Maßgeblich ist der Bescheidwille der Behörde, der stets dann anzunehmen ist, wenn der individuelle Verwaltungsakt seinem Inhalt nach als Äußerung des autoritativen Willens der Behörde zur (hoheitlichen) Regelung einer bestimmten Angelegenheit zu verstehen ist. Schon aus Rechtschutzerwägungen messen die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes im Zweifel behördlichen Willensäußerungen Bescheidcharakter zu, sodaß sie von den Parteien zur Klärung der sie berührenden Rechtsfragen auch im Rechtsmittelweg bekämpft werden können (Antonioli-Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht2, 475 mwN in FN 88). Demgemäß hat der erkennende Senat auch die nach § 25 Abs 2 VermG mündlich erlassene Aufforderung, binnen sechs Wochen ein für die Bereinigung des Grenzstreits bestimmtes gerichtliches Verfahren anhängig zu machen, als Bescheid beurteilt.

Nichts anderes kann für das Schreiben der Bezirksverwaltungsbehörde vom 19.8.1993 gelten, mit dem der Antragsteller unter Hinweis auf den Bescheid dieser Behörde vom 2.8.1993 zur Begleichung der angeschlossenen Rechnung eines Entsorgungsunternehmens für diesem von der Behörde aufgetragenen Entsorgungsmaßnahmen aufgefordert wurde. Mit dem Bescheid vom 2.8.1993 hatte die Bezirksverwaltungsbehörde dem Antragsteller die unter Punkt I. näher umschriebenen Vorkehrungen zur Beseitigung von Mißständen auf dessen Grundstücken zur Vermeidung der Grundwasserverunreinigung aufgetragen und ihn zur Tragung der damit verbundenen Kosten verpflichtet (Punkt II.). Aus der angeschlossenen Rechnung ist ersichtlich, daß das Entsorgungsunternehmen die ihm von der Bezirksverwaltungsbehörde aufgetragenen Maßnahmen bereits am 2.8.1993, also am Tag der Ausfertigung des Bescheids, der dem Antragsteller dessen Behauptungen zufolge erst am folgenden Tag zugestellt wurde, getroffen hat. Dieser Bescheid vom 2.8.1993 wurde ausdrücklich auf § 31 Abs 3 WRG gestützt, nach dem die Wasserrechtsbehörde, wenn die zur Vermeidung der Gewässerverunreinigung erforderlichen Maßnahmen nicht oder nicht rechtzeitig getroffen werden, die ensprechenden Maßnahmen dem Verpflichteten aufzutragen (was in Punkt I. des Bescheids auch in der Tat angeordnet wurde) oder bei Gefahr im Verzuge unmittelbar anzuordnen und gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten nötigenfalls unverzüglich durchführen zu lassen hat. Obwohl sich die Behörde dem Wortlaut des Bescheids zufolge für die erstere Alternative entschieden und dem Antragsteller nach Punkt I. 5. hiefür eine Frist bis "längstens" 6.8.1993 bestimmt hatte, hat sie doch - wie der Rechnung zwanglos entnommen werden kann - die Entsorgungsmaßnahme noch am Tag der Ausfertigung des Bescheids und noch vor dessen Zustellung an den Antragsteller unmittelbar angeordnet und dem Entsorgungsunternehmen in Auftrag gegeben. Entgegen dem Wortlaut des Bescheids vom 2.8.1993 hat die Behörde also - offensichtlich wegen der angenommenen Dringlichkeit - die zweite Alternative des § 31 Abs 3 WRG gewählt. In diesem Fall hat die Behörde nach der Durchführung der angeordneten Vorkehrungen die daraus erwachsenen notwendigen und zweckmäßigen Kosten vorzuschreiben; gegen diese Kostenvorschreibung kann nicht Berufung erhoben, wohl aber kann das ordentliche Gericht gemäß § 117 Abs 4 WRG angerufen werden (RdU 1994/5 ua; Raschauer, Wasserrecht § 31 Rz 12 mwN). Als eine solche bescheidmäßige Kostenvorschreibung im Sinne des § 31 Abs 3 WRG ist auch das Schreiben der Wasserrechtsbehörde vom 19.8.1994 aufzufassen, mit den dem Antragsteller - als Adressat des Bescheids vom 2.8.1994 - die durch die Rechnung ausgewiesenen Kosten der unmittelbar angeordneten Entsorgungsmaßnahmen unter Hinweis auf die im früheren Bescheid ausgesprochene Kostentragungspflicht vorgeschrieben wurden; daß dieses Schreiben seinem Inhalt nach als Äußerung des autoritativen Behördenwillens zur Regelung der Kostentragung gemäß § 31 Abs 3 WRG und damit als Ausdruck eines Bescheidwillens zu beurteilen ist, muß deshalb schon im Zweifel angenommen werden. Zu Recht hat daher der Antragsteller das Schreiben als Bescheid aufgefaßt.

Verfehlt ist auch deshalb die im Revisionsrekurs weiters vertretene Ansicht, mit dem Schreiben vom 19.8.1993 habe die Bezirksverwaltungsbehörde dem Antragsteller die Kosten einer - offenbar in Vollstreckung des Bescheids vom 2.8.1993 - nach § 4 VVG angeordneten Ersatzvornahme gemäß § 11 Abs 1 VVG vorgeschrieben, was im Gegensatz zur Kostenvorschreibung gemäß § 31 Abs 3 WRG die im § 117 Abs 4 WRG vorgesehene sukzessive Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte nicht auslöse. Den Ausführungen der Antragsgegnerin kann nicht entnommen werden, daß die Behörde überhaupt eine Vollstreckungsverfügung (§ 10 VVG) erlassen habe, die als Bescheid, der unmittelbar der Vollstreckung dient, aufgrund des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes ergeht und die Vollstreckungshandlung (zB Ersatzvornahme) anordnet, einen der wesentlichen Teile des Verwaltungsvollstreckungsverfahrens bildet (Walter-Mayer, Verwaltungverfahren5 Rz 990). Nach der dargestellten Verfahrenslage hätte übrigens eine Ersatzvornahme im Sinne des § 4 VVG am 2.8.1983 auch noch gar nicht angeordnet werden dürfen, weil der als Exekutionstitel in Betracht kommende Bescheid vom selben Tag noch gar nicht zugestellt worden und damit wirksam war, geschweige denn die in diesem Bescheid angeordnete Paritionsfrist abgelaufen war.

Die Entsorgungsvorkehrungen beruhten daher - wie gesagt, unabhängig vom Wortlaut des Bescheids vom 2.8.1993 - auf einer wegen Gefahr im Verzuge unmittelbar aufgrund des § 31 Abs 3 WRG getroffenen Anordnung der Wasserrechtsbehörde vom 2.8.1993, sodaß der Antragsteller angesichts der Kostenvorschreibung zu Recht die gerichtliche Entscheidung gemäß § 117 Abs 4 WRG begehrt und das Gericht zweiter Instanz dem Erstgericht zutreffend die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens aufgetragen hat.

Dem Revisionsrekurs ist deshalb der Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über die Verfahrenskosten beruht auf § 44 EisbEG.

Da die Bestimmungen des § 30 Abs 2 bis 5 EisbEG nur für Rekurse über die zu leistende Entschädigung gelten, die Anfechtung anderer Beschlüsse in diesem Verfahren an den §§ 9 ff AußStrG zu messen sind, die die Zweiseitigkeit des Rechtsmittels nicht vorsehen, erweist sich die Beantwortung der Rechtsmittelschrift als nicht zulässig (5 Ob 592/82; 1 Ob 27/93).

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