OGH 1Ob12/94

OGH1Ob12/9419.4.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker und Dr. Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Ernestine E*****, und 2. Henriette H*****, beide vertreten durch DDr. Manfred Nordmeyer, Rechtsanwalt in Wels, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen Feststellung und Einwilligung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 14.Dezember 1993, GZ 4 R 134/93-97, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Wels vom 30.März 1993, GZ 1 Cg 238/92-87, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das berufungsgerichtliche Urteil wird aufgehoben; die Rechtssache wird an das Gericht zweiter Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung

Bei der vom örtlich zuständigen Vermessungsamt am 22.7.1986 durchgeführten Grenzverhandlung entstand ein Streit über den Verlauf der Grenze zwischen den Grundstücken der Streitteile, weil der Verwalter des öffentlichen Wasserguts der in der Natur vorhandenen Grenze zwischen den Grundstücken die Anerkennung verweigerte. Die im Lageplan Beilage ./A näher bezeichnete, umstrittene Grundfläche wurde vorbehaltlich einer anderslautenden gerichtlichen Entscheidung in das Verzeichnis des öffentlichen Wasserguts aufgenommen.

Bei dieser Grenzverhandlung wurden die Klägerinnen vom Vermessungsamt aufgefordert, binnen sechs Wochen ein zur Bereinigung des Grenzstreits bestimmtes gerichtliches Verfahren anhängig zu machen. Nach der Grenzverhandlung überreichten sie dem Vermessungsamt Unterlagen, worauf mit dem Vermessungsamt eine „Vertagung“ der Frist auf unbestimmte Zeit „vereinbart“ wurde. Die Behörde leitete diese Unterlagen an den Verwalter des öffentlichen Wasserguts weiter, der sie indes nicht als Eigentumsnachweis anerkannte. Darauf forderte das Vermessungsamt die Klägerinnen mit Schreiben vom 9.3.1987 „nochmals“ auf, binnen sechs Wochen ab Erhalt dieses Schreibens ein für die Bereinigung des Grenzstreits bestimmtes gerichtliches Verfahren anhängig zu machen.

Mit der ursprünglich an das örtliche zuständige Bezirksgericht gerichteten, bei diesem am 27.8.1987 eingelangten und von ihm am 2.9.1987 an das Erstgericht überwiesenen Klage begehrten die Klägerinnen die Feststellung ihres Eigentumsrechts an dem vorläufig in das Verzeichnis des öffentlichen Wasserguts aufgenommenen Grundstück und die Verurteilung der beklagten Partei zur Einwilligung, daß dieses Grundstück aus dem Gutsbestand der Liegenschaft der beklagten Partei abgeschrieben und dem Gutsbestand der den Klägerinnen je zur Hälfte gehörigen Liegenschaft zugeschrieben werde. Sie brachten vor, das umstrittene Grundstück sei von ihnen und ihren Rechtsvorgängern im gegenwärtigen Zustand, wie er sich seit über 100 Jahren gleichbleibend aus der Natur ergebe, in seinem gesamten Umfang rechtmäßig besessen worden. Eigentumsgrenze sei stets die Uferlinie gewesen, die sich seit mehr als 100 Jahren nicht verschoben habe. Die beklagte Partei sei nie Eigentümerin von Festland gewesen und habe in bezug auf diese Grundfläche auch nie Eigentums- oder Besitzhandlungen ausgeübt.

Die beklagte Partei wendete ein, die Klage sei erst nach Ablauf der vom Vermessungsamt bestimmten Frist bei Gericht eingebracht worden, daher gelte die zwingende Vermutung des § 25 Abs 5 VermG, nach der die Klägerinnen als dem von der beklagten Partei bei der Grenzverhandlung angegebenen Grenzverlauf zustimmend anzusehen seien. Die gegenwärtige Grenze zwischen dem von der Wasserwelle überspülten Teil des Seebetts und der strittigen Landfläche bilde eine Ufermauer. Der landeinwärts liegende Teil sei eine Anschüttung, die erst nach dem 31.10.1894 ohne Zustimmung der beklagten Partei oder deren Rechtsvorgänger und ohne behördliche Bewilligung vorgenommen worden sei. Außerdem wendete die beklagte Partei auch Verjährung wegen nichtgehöriger Fortsetzung des Rechtsstreits ein.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im Umfang des von den Punkten 1079-681-1022 umschriebenen Teils des Grundstücks laut Plan des Vermessungsamts vom 9.3.1987 statt und wies das Mehrbegehren ab. Es stellte fest:

Der Rechtsvorgänger der Klägerinnen habe deren Liegenschaft mit Kaufvertrag vom 31.8.1978 erworben. Das umstrittene Grundstück habe ursprünglich zur Seefläche gehört. Nach der zwischen 1823 und 1830 angelegten Urmappe sei das (nicht umstrittene) Grundstück der Klägerinnen ursprünglich nur etwa halb so breit gewesen, wie es sich heute darstelle. Diese Vergrößerung sei bereits eingetreten gewesen, als es etwa zwischen 1870 und 1875 zu einer Wiederbegehung diese Liegenschaft durch Vermessungsbeamte zum Zweck der Erneuerung der Katastralmappe gekommen sei. Im Zuge dieser „Reambulierung“ sei die Grenze des (nicht umstrittenen) Grundstücks der Klägerinnen auf der Linie der Punkte 1079-681 des Plans des Vermessungsamts vom 9.3.1987 festgelegt worden, die Größe des von den Punkten 681, 1022 und 1079 umschriebenen Grundstücksteils betrage 22 m2. Es könne dagegen nicht festgestellt werden, ob das umstrittene Grundstück, soweit es nicht innerhalb der Punkte 1079, 1022 und 681 liege, am 31.10.1894 bereits angeschüttet und somit Festland gewesen sei.

Das Gericht verneinte das Vorliegen der Voraussetzungen für die in § 25 Abs 5 VermG verankerte gesetzliche Vermutung unter Hinweis auf die zweite Aufforderung durch das Vermessungsamt ebenso wie die Verjährung infolge nichtgehöriger Fortsetzung des Rechtsstreits infolge Unterbleibens eines Fristsetzungsantrags. Soweit das Erstgericht dem Klagebegehren stattgab, nahm es den Nachweis des Ablaufs der 40-jährigen Ersitzungszeit noch vor dem 1.11.1934 deshalb an, weil diese Teilfläche bereits bei der Reambulierung im Jahre 1875 als Teil eines Grundstücks der Klägerinnen erfaßt worden sei. Darüber hinaus verneinte das Erstgericht den Nachweis der Ersitzung, „zumal nicht geklärt war, ob zum maßgeblichen Zeitpunkt, nämlich am 31.10.1894, das Grundstück nördlich der Bootshütte überhaupt schon existent war“.

Das Gericht zweiter Instanz wies das Klagebegehren zur Gänze ab, sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Es führte aus, mangels Einigung über den Grenzverlauf habe das Vermessungsamt gemäß § 25 Abs 2 VermG jenen Eigentümer, der behauptet, daß die Grenze nicht mit dem sich aufgrund der Behelfe ergebenden Grenzverlauf übereinstimme, aufzufordern, binnen sechs Wochen ein für die Bereinigung des Grenzstreits bestimmtes gerichtliches Verfahren anhängig zu machen. Bleibe der so aufgeforderte Eigentümer untätig, werde fingiert, daß er dem von den anderen Eigentümern behaupteten Grenzverlauf zustimmt. Nach § 3 Abs 1 VermG sei auf das behördliche Verfahren das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 anzuwenden und danach zu beurteilen, ob der in der Aufforderung nach § 25 Abs 2 VermG liegende Verwaltungsakt als Bescheid zu beurteilen sei. Bescheide seien jene hoheitlichen Erledigungen von Verwaltungsbehörden, durch die in konkreten Angelegenheiten der Verwaltung im Außenverhältnis gegenüber individuell bestimmten Personen in formeller und der Rechtskraft fähiger Weise über Rechtsverhältnisse materieller oder verfahrensrechtlicher Art abgesprochen werde. Maßgebend sei der Bescheidwille der Behörde, der stets anzunehmen sei, wenn der Verwaltungsakt als Äußerung autoritativen Behördenwillens zu deuten sei. Die nach § 25 VermG erlassene Aufforderung, ein bestimmtes gerichtliches Verfahren anhängig zu machen, entspreche allen Anforderungen der Bescheidqualität. An den ungenützten Ablauf der Frist knüpfe § 25 Abs 5 VermG als Rechtsfolge die Fiktion, daß er dem von den übrigen beteiligten Eigentümern angegebenen Grenzverlauf zustimme, was - bei Berechtigung seiner Antragstellung - dem Rechtsverlust gleichkomme. Ein Bescheid sei gemäß § 63 AVG mit Berufung anfechtbar. Der Instanzenzug sei durch die Hierarchie der Verwaltung vorgezeichnet und laufe bei unmittelbarer Bundesverwaltung im Zweifel bis zur obersten in Betracht kommenden Behörde. Die Klägerinnen hätten die Aufforderung, binnen sechs Wochen ein für die Bereinigung des Grenzstreits bestimmtes gerichtliches Verfahren anhängig zu machen, jedenfalls durch Unterfertigung der Niederschrift vom 22.7.1986 zur Kenntnis genommen und diesen Bescheid in Rechtskraft erwachsen lassen. Mit dessen Rechtskraft habe die sechswöchige Frist nach § 25 Abs 2 VermG zu laufen begonnen und sei mit der erst am 27.8.1987 anhängig gemachten Klage somit nicht wahrgenommen worden. An dieser Rechtslage habe das Schreiben des Vermessungsamts vom 9.3.1987 nichts ändern können, weil das ungenützte Verstreichen der Frist den Rechtsverlust nach sich ziehe und der Anrainer damit bereits materielle Rechte im Sinne der von ihm vertretenen Auffassung erwerbe. Der Eintritt dieser Rechtsfolgen könne durch neuerliche Fristerteilung seitens des Vermessungsamts nicht beeinflußt werden. Angesichts des Rechtsverlustes der Klägerinnen infolge fruchtlosen Verstreichens der ihnen am 22.7.1986 bestimmten Frist sei das Klagebegehren schon deshalb abzuweisen gewesen.

Die Revision der Klägerinnen ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Das Gericht zweiter Instanz schloß sich dem von der beklagten Partei vertretenen Standpunkt an, die Klägerinnen seien durch Versäumung der durch die vermessungsbehördliche Aufforderung vom 22.7.1986 in Gang gesetzten Frist jener Rechte verlustig gegangen, die sie nun klageweise geltend machten. Die Auffassung der Klägerinnen, in der Aufforderung durch das Vermessungsamt, ein für die Bereinigung des Grenzstreits bestimmtes gerichtliches Verfahren anhängig zu machen, sei kein Bescheid zu erblicken, ist zwar verfehlt, der erkennende Senat pflichtet jedoch den vom Gericht zweiter Instanz daran geknüpften Schlußfolgerungen in deren Ergebnis nicht bei:

Die besondere Bedeutung eines Rechtstreits im Zusammenhang mit der Neuanlegung des Grenzkatasters (§§ 15 ff VermG) liegt darin, daß dieser u.a. zum verbindlichen Nachweis der Grenzen der Grundstücke bestimmt ist (§ 8 Z 1 VermG) und ein auf die in der Natur ersichtlichen Grenzen eines Grundstücks gegründeter Anspruch demjenigen nicht entgegengesetzt werden kann, der ein Recht im Vertrauen auf die im Grenzkataster enthaltenen Grenzen erworben hat (§ 49 VermG); auch ist die Ersitzung von Teilen eines im Grenzkataster enthaltenen Grundstücks ausgeschlossen (§ 50 VermG). Bei der Neuanlegung des Grenzkatasters sind demnach, um die erwähnten rechtlichen Wirkungen herbeizuführen, erst zum Zwecke der Festlegung der Grenzen der Grundstücke an Ort und Stelle Grenzverhandlungen durchzuführen, zu denen sämtliche beteiligte Eigentümer zu laden sind (§ 24 VermG). Einigen sich die Eigentümer - wie hier - nicht über den Grenzverlauf und ist noch kein gerichtliches Verfahren anhängig, so ist der Eigentümer, der behauptet, daß die Grenze nicht mit dem sich aufgrund der Behelfe ergebenden Grenzverlauf übereinstimme, aufzufordern, binnen sechs Wochen ein für die Bereinigung des Grenzstreits bestimmtes gerichtliches Verfahren anhängig zu machen (§ 25 Abs 2 erster Satz VermG). Bringt der Eigentümer aufgrund einer solchen Aufforderung einen Antrag auf Berechtigung der Grenze nach den §§ 850 ff ABGB ein, so steht den Parteien die Möglichkeit, ihr besseres Recht im Prozeßweg geltend zu machen (§ 851 Abs 2 ABGB), nur innerhalb von sechs Wochen nach rechtskräftiger Beendigung des außerstreitigen Verfahrens offen (§ 25 Abs 4 VermG). Kommt der aufgeforderte Eigentümer der vermessungsbehördlichen Aufforderung nicht fristgerecht nach oder setzt er ein anhängiges gerichtliches Verfahren nicht gehörig fort, so ist er als dem von den übrigen beteiligten Eigentümern in der Grenzverhandlung angegebenen Grenzverlauf oder, wenn eine den Grenzverlauf festsetzende außerstreitige gerichtliche Entscheidung vorliegt, als dem Inhalt dieser Entscheidung zustimmend anzusehen (§ 25 Abs 5 VermG). Die Fristwahrung ist notwendig, um zu vermeiden, daß der Zeitpunkt des uneingeschränkten Inkrafttretens des Grenzkatasters ungebührlich verzögert wird; die Unterlassung der rechtzeitigen Antragstellung bzw Klageführung schafft die unwiderlegbare Fiktion der Zustimmung (SZ 62/59) und hat zur Folge, daß die Voraussetzungen für die Feststellung der Grenze durch das Gericht weggefallen sind (Dittrich-Hrbek-Kaluza, Vermessungsrecht2 102).

Nach dem Inhalt der angeschlossenen vermessungsbehördlichen Akten ist in der Niederschrift vom 22.7.1986 (Beilage ./1) die an die Klägerinnen gerichtete mündliche Aufforderung beurkundet, binnen der - schon im Gesetz vorgeschriebenen - Frist von sechs Wochen ein für die Bereinigung des Grenzstreits bestimmtes gerichtliches Verfahren anhängig zu machen. Innerhalb dieser Frist unterließen zwar die Klägerinnen die aufgetragenen gerichtlichen Schritte, sie legten dem Vermessungsamt jedoch weitere Unterlagen vor, die ihr Eigentumsrecht beweisen sollten, worauf - so die nicht bekämpfte erstinstanzliche Feststellung - „mit dem Vermessungsamt eine Vertagung der Frist auf unbestimmte Zeit vereinbart wurde“. Das Vermessungsamt leitete auch in der Tat die Unterlagen an den Verwalter des öffentlichen Wasserguts weiter, um dessen Stellungnahme einzuholen, dieser anerkannte indessen die vorgelegten Urkunden nicht als Eigentumsnachweis. Daraufhin forderte das Vermessungsamt die Klägerinnen mit Schreiben vom 9.3.1987 „nochmals“ auf, binnen sechs Wochen ab Erhalt dieses Schreibens ein für die Bereinigung des Grenzstreits bestimmtes gerichtliches Verfahren anhängig zu machen (Beilage ./D).

Am 17.4.1987 stellten die Klägerinnen beim Bezirkgericht des Lageorts den Antrag, die Grenze zwischen den Grundstücken der Streitteile dergestalt zu erneuern bzw zu berichtigen, daß die Uferlinie als Grenze festgesetzt und vermarkt werde. Den Antrag wies das angerufene Gericht mit Beschluß vom 21.4.1987 mangels Zulässigkeit des Verfahrens außer Streitsachen zurück, das Rekursgericht trug ihm jedoch die Einleitung des gesetzmäßigen streitigen Verfahrens über den als Klage zu behandelnden (verfahrenseinleitenden) Schriftsatz auf. Gleichzeitig mit der Zustellung der Rekursentscheidung forderte das Bezirksgericht die Klägerinnen auf, die Klage binnen vier Wochen zu verbessern. Diese Verfügung wurde - ein Zustellausweis fehlt im Akt - am 28.7.1987 abgefertigt. Der verbesserte Schriftsatz (Klage) langte am 27.8.1987 beim Bezirksgericht ein und wurde von diesem am 2.9.1987 an das Erstgericht überwiesen. Damit wäre - was die beklagte Partei letztlich auch nicht bestreitet - die vermessungsgesetzliche Frist gewahrt, sollte sie erst mit dem Zugang des Schreibens vom 9.3.1987 in Gang gesetzt worden sein. Vor Lösung dieser Frage ist zunächst die rechtliche Qualität der in § 25 Abs 2 erster Satz VermG vorgesehenen vermessungsbehördlichen Aufforderung zu klären:

Wie der erkennende Senat in seiner Entscheidung vom 18.3.1992, 1 Ob 6/92 (= EvBl 1992/186) unter Berufung auf die dort zitierte Rechtsprechung und Lehre aussprach, ist auf das Verfahren der Vermessungsbehörden gemäß § 3 Abs 1 VermG das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 anzuwenden; daran ist daher auch zu messen, ob der Aufforderung gemäß § 25 Abs 2 VermG Bescheidqualität zukommt. Bescheide sind jene hoheitliche Erledigungen von Verwaltungsbehörden, mit denen in konkreten Angelegenheiten der Verwaltung individuell bestimmten Personen gegenüber im Außenverhältnis über Rechtsverhältnisse des materiellen oder des Verfahrensrechts formell und der Rechtskraft fähig abgesprochen wird; es muß demnach eine Rechtsvorschrift vollzogen werden, wodurch subjektive Rechte von (rechtsunterworfenen) Personen berührt werden. Wohl sind Bescheide gemäß § 58 AVG als solche zu bezeichnen, der Willensäußerung der Behörde, die ihrem Inhalt nach Bescheid ist, kann jedoch die Qualität eines solchen nicht deshalb abgesprochen werden, weil die Behörde sie selbst nicht als solchen bezeichnet hat. Maßgeblich ist der Bescheidwille der Behörde, der stets dann anzunehmen ist, wenn der individuelle Verwaltungsakt seinem Inhalt nach als Äußerung des autoritativen Willens der Behörde zur (hoheitlichen) Regelung einer bestimmten Angelegenheit zu deuten ist. Schon aus Rechtsschutzerwägungen messen die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts im Zweifel behördlichen Willensäußerungen Bescheidcharakter zu, sodaß sie von den Parteien zur Klärung der sie berührenden Rechtsfragen auch im Rechtsmittelweg bekämpft werden können. Die gemäß § 25 Abs 2 VermG mündlich erlassene Aufforderung entspricht allen Anforderungen an die materielle Bescheidqualität. An ihre Nichtbefolgung ist gemäß § 25 Abs 5 VermG als Rechtsfolge die Fiktion geknüpft, der Aufgeforderte stimme dem von den übrigen beteiligten Eigentümern bei der Grenzverhandlung angegebenen Grenzverlauf zu. Bei Berechtigung seines Standpunkts ist die Unterlassung mit dem Verlust seiner Rechte verbunden; die Aufforderung greift daher in die Rechtsstellung des Aufgeforderten ein. Unerheblich ist es dann aber, ob die Behörde diese autoritative Willensäußerung als Bescheid zu bezeichnen, zu begründen und ihm eine Rechtsmittel- bzw Rechtsfolgenbelehrung beizufügen unterlassen hat. An dieser Rechtsauffassung ist festzuhalten; die gegenteiligen Ausführungen in der Revision nehmen auf die weitreichenden Rechtsfolgen dieser Aufforderung - nicht nur die an die Nichtbefolgung der Aufforderung geknüpfte Zustimmungsfiktion, sondern auch die mit der Zuweisung der Rolle, das Verfahren einzuleiten, verbundene Beweislastverteilung im nachfolgenden gerichtlichen Verfahren - bei der Beurteilung der Rechtsqualität der Aufforderung nicht genügend Bedacht.

Ist die vermessungsbehördliche Aufforderung demnach Bescheid, sind dessen Wirkungen an den Eintritt der (formellen) Rechtskraft - mangels Anfechtung daher an den Ablauf der Berufungsfrist - geknüpft, sodaß auch die sechswöchige Frist erst in Gang gesetzt wird, sobald der Bescheid unanfechtbar geworden ist (EvBl 1992/186).

Nun hat das Erstgericht unbekämpft festgestellt, daß das Vermessungsamt die mit seiner Aufforderung vom 22.7.1986 bestimmte sechswöchige Frist über deren Ansuchen, gleichzeitig vorgelegte neue Urkunden in die Grenzverhandlung einzubeziehen, „auf unbestimmte Zeit vertagt“, also erstreckt hat; wenngleich in dieser erstinstanzlichen Feststellung von einer „Vereinbarung“ der Klägerinnen mit dem Vermessungsamt die Rede ist, so hat doch die sich darin offenbarende Willensäußerung der Behörde die Aufhebung der (bescheidmäßigen) Aufforderung vom 22.7.1986 zum Inhalt und kann daher ihrerseits wiederum nur als Verwaltungsakt mit Bescheidcharakter verstanden werden. Das Ansuchen der Klägerinnen, das ohne Zweifel die Fortsetzung der Grenzverhandlung und deren Erledigung im Sinne ihres Rechtsstandpunkts zum Ziel hatte, kann, da es auf eine neue Beweisurkunden gestützt war, zwanglos als Antrag auf Wiederaufnahme des durch die Aufforderung vom 22.7.1986 beendeten Verwaltungsverfahrens gemäß § 69 Abs 1 Z 2 AVG aufgefaßt werden, die das Vermessungsamt durch die Erstreckung der Frist „auf unbestimmte Zeit“ bewilligt und den mit der Aufforderung erlassenen Bescheid vom 22.7.1986 damit aufgehoben hat (vgl hiezu Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze I § 70 AVG Anm 5). Die Vermessungsbehörde hat in der Folge auch die neuen Unterlagen an den Verwalter des öffentlichen Wasserguts zur Stellungnahme übermittelt und das wiederaufgenommene Verfahren nach dessen Äußerung durch die neuerliche („nochmalige“) Aufforderung der Klägerinnen vom 9.3.1988 - also durch Erlassung eines dem aufgehobenen Bescheid inhaltsgleichen Bescheids - beendet. Ist damit die Aufforderung vom 22.7.1986 im Wege der Wiederaufnahme beseitigt worden, ist auch die mit deren Nichtbefolgung verbundene Zustimmungsfiktion nicht eingetreten; maßgeblich war vielmehr die neuerliche Aufforderung vom 9.3.1988, die die Klägerinnen - wie schon weiter oben erläutert wurde - auch fristgerecht befolgt haben; ob und inwieweit das Vermessungsamt dem Gesetz gemäß vorgegangen ist, ist im Eigentumsstreit nicht nachzuprüfen.

Das Gericht zweiter Instanz hat somit sein das Ersturteil abändernde klagsabweisliche Urteil zu Unrecht auf die an die Nichtbefolgung der vermessungsbehördlichen Aufforderung vom 22.7.1986 geknüpfte Zustimmungsfiktion gemäß § 25 Abs 5 VermG gestützt. Den Klägerinnen kann auch entgegen dem Standpunkt der beklagten Partei die nicht gehörige Fortsetzung des Verfahrens infolge Unterlassung eines Fristsetzungsantrags (§ 91 GOG) nicht vorgeworfen werden. Ganz abgesehen davon, daß sich die Wendung in § 25 Abs 5 VermG: „... oder setzt er ein anhängiges gerichtliches Verfahren nicht gehörig fort ...“ ihrem Wortlaut nach ganz offensichtlich auf ein schon im Zeitpunkt der Grenzverhandlung anhängig gewesenes Verfahren bezieht, das eine Aufforderung, ein Verfahren zur Bereinigung des Grenzstreits anhängig zu machen, ausschließt (§ 25 Abs 2 VermG), aber auch entbehrlich macht, läßt die Unterlassung eines Fristsetzungsantrags im Zusammenhang mit einem (zumindest objektiv) säumigen Sachverständigen für sich allein noch nicht den Schluß zu, daß dem Kläger an der Erreichung seines Prozeßziels nicht gelegen sei (SZ 46/5 u.a.; Schubert in Rummel, ABGB2 § 1497 Rz 10), zumal der Kläger nicht verhalten ist, von sich aus das säumige Prozeßgericht zu betreiben (SZ 41/85 u.a.) und das Erstgericht ohnedies Betreibungsschritte unternommen hat.

Eine weitergehende Prüfung des Klagebegehrens ist dem Obersten Gerichtshof dagegen verwehrt, weil das Gericht zweiter Instanz - ausgehend von seiner Rechtsansicht - die Beweisrüge in beiden Berufungsschriften nicht erledigt hat; das wird es im fortgesetzten Verfahren nachzutragen und auf dieser Grundlage sodann die Berechtigung des Klagebegehrens zu prüfen haben.

Die Rechtssache ist daher an das Gericht zweiter Instanz zur Erledigung der beiden Beweisrügen sowie zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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