OGH 10Ob520/94

OGH10Ob520/9419.7.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier, Dr.Bauer, Dr.Ehmayr und Dr.Steinbauer als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des am 23.März 1953 geborenen Karl H***** infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Sachwalters Landeshauptstadt Linz, Magistrat, Amt für soziale Angelegenheiten, Hauptstraße 1-5, 4041 Linz, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 4.Mai 1994, GZ 18 R 171/94-171, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden im Umfang der Entscheidung über den Antrag auf Enthebung des Sachwalters aufgehoben und dem Erstgericht die Bestellung eines anderen Sachwalters aufgetragen.

Text

Begründung

Der am 23.3.1953 geborene Kläger wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes Enns vom 5.2.1968, L 1/67-21 wegen Geistesschwäche voll entmündigt. Mit Beschluß desselben Gerichtes vom 19.5.1976, P 19/76-71 wurde die volle Entmündigung in eine beschränkte Entmündigung umgewandelt. Mit Beschluß vom 28.3.1984 enthob das Bezirksgericht Enns den mit Beschluß vom 13.7.1973 bestellten Kurator (bzw seit Umwandlung der Entmündigung - Beistand Norbert G*****) und bestellte das Wohlfahrtsamt des Magistrates Linz zum Beistand.

Am 29.12.1993 ersuchte die Landeshauptstadt Linz, Magistrat, Amt für soziale Angelegenheiten um Enthebung von der Funktion eines Sachwalters für Karl H***** und beantragte weiter, die Sachwalterschaft wegen Zwecklosigkeit aufzuheben. Die Bediensteten des Sachwalters würden vom Kuranden wiederholt bedroht und angegriffen; er entweiche immer wieder aus dem Krankenhaus und entziehe sich jeder medizinischen Behandlung; sein extrem agressives Verhalten mache eine sinnvolle Betreuung unmöglich und stelle für die Bediensteten, aber auch für andere Klienten eine unverantwortbare Gefährdung dar.

Das Erstgericht wies diesen Antrag ab. Die Aufhebung der Sachwalterschaft wegen Zwecklosigkeit finde im Gesetz keine Grundlage. Der Betroffene leide massiv an einer geistigen Krankheit und sei deshalb nicht in der Lage, seine Angelegenheiten ohne Schaden für sich selbst zu besorgen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Sachwalters nicht Folge. Es liege weder ein Grund für die Aufhebung der Sachwalterschaft noch für die Enthebung des bestellten Sachwalters vor. Der außerordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der außerordentliche Rekurs der Landeshauptstadt Linz, Magistrat, Amt für soziale Angelegenheiten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß die Enthebung von der Funktion eines Sachwalters ausgesprochen werde.

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel ist zulässig und im Ergebnis berechtigt.

Das Amt für soziale Angelegenheiten (früher Wohlfahrtsamt) genießt als organisatorische Abteilung des Magistrates der Stadt Linz keine Rechtspersönlichkeit und wäre daher als solches zur Erhebung von Rechtsmitteln nicht legitimiert. Der Revisionsrekurs wurde aber nicht namens dieser Abteilung, sondern namens der Landeshauptstadt Linz erhoben und auch mit dem Beisatz "Für die Stadt Linz" unterfertigt. Da die Landeshauptstadt Linz (bzw eine Abteilung ihres Magistrates) zum Sachwalter bestellt ist, ist die Rekurslegitimation gegeben.

Zutreffend ist die Begründung der Vorinstanzen, soweit sie den Antrag auf Aufhebung der Sachwalterschaft wegen Zwecklosigkeit ablehnten. Der Sachwalter gesteht ausdrücklich zu, daß der Kurand an einer geistigen Krankheit leidet und daher nicht in der Lage ist, sein Einkommen sinnvoll zu verwalten. Damit liegen aber die Voraussetzungen für die weitere Aufrechterhaltung der Sachwalterschaft vor. Eine Beendigung der Maßnahme wegen Zwecklosigkeit ist im Gesetz nicht vorgesehen. Dazu bringt die Rekurswerberin im übrigen in ihrem Rechtsmittel auch nichts Konkretes vor. Im Mittelpunkt ihrer Ausführungen steht vielmehr das Begehren, sie von der Funktion eines Sachwalters zu entheben.

Gemäß § 17 Abs 1 JWG in der Fassung vor Inkrafttreten des Jugendwohlfahrtsgesetzes 1989 BGBl 1989/161 wurde die Bezirksverwaltungsbehörde mit der Geburt eines unehelichen Kindes österreichischer Staatsbürgerschaft im Inland Amtsvormund des Kindes. Gemäß § 22 Abs 1 leg cit konnte das Vormundschaftsgericht die Bezirksverwaltungsbehörde mit ihrer Zustimmung auch in anderen Fällen und abgesehen vom Sonderfall des § 21 zum Vormund, Mitvormund oder Kurator eines Minderjährigen bestellen. Nunmehr findet sich eine der letztgenannten Norm entsprechende Bestimmung im ABGB. Gemäß § 213 ABGB idF Art I Z 30 KindRÄG BGBl 1989/162 hat das Gericht den Jugendwohlfahrtsträger zum Vormund oder Sachwalter eines Minderjährigen zu bestellen, wenn sich eine hiefür geeignete Person nicht finden läßt. Diese Bestimmungen dürften dem Erstgericht offenbar vorgeschwebt sein, als es die Landeshauptstadt Linz (Wohlfahrtsamt) zum Beistand bestellte bzw die Sachwalterbestellung aufrecht erhielt. Es handelt sich dabei jedoch um Sonderbestimmungen für Minderjährige. Entsprechende Regelungen sah das Gesetz für die Bestellung eines Kurators oder Beistandes eines voll- oder teilentmündigten Erwachsenen nicht vor und sie fehlen auch derzeit für die Bestellung eines Sachwalters. Wohl bestimmte § 281 ABGB idF vor Inkrafttreten des BGBl 1983/136 daß jeder, der die gehörigen Eigenschaften zum vormundschaftlichen Amt besitzt, auch eine Kuratel übernehmen kann und verwies damit hinsichtlich der persönlichen Voraussetzungen für die Bestellung zum Kurator oder Beistand, der Entschuldigungsgründe und Vorzugsrechte auf die diesbezüglichen Bestimmungen über die Vormundschaft. § 281 ABGB erteilte damit drei Verweisungsnormen, aus denen sich die Geltung der Rechtssätze über die Untauglichkeit einer Person (§§ 191 bis 194), die - freiwilligen - Entschuldigungsgründe (§ 195) und die Vorzugsrechte (§§ 196, 198, 259) ergaben (Klang2 I/2 534). Diese Bestimmung kann jedoch nicht so weit gesehen werden, daß damit auch auf die Geltung der Normen des JWG (aF) verwiesen worden wäre. Bei den Bestimmungen des JWG handelte es sich um spezifische Sondernormen für Minderjährige, was auch schon in der Bezeichnung des Gesetzes selbst zum Ausdruck kommt; dies stand einer Anwendung der Normen dieses Gesetzes auf die Bestellung von Kuratoren oder Beiständen für voll- oder beschränkt entmündigte Erwachsene entgegen.

Abgesehen vom Fall der Amtsvormundschaft und der Bestellung der Bezirksverwaltungsbehörde zum Vormund eines Minderjährigen konnte aber nach der früheren Rechtslage nur eine physische Person zum gesetzlichen Vertreter bestellt werden. In dieser Hinsicht ist auch durch die gesetzliche Neuregelung durch BGBl 1983/136 keine Änderung eingetreten. Dies kommt in § 281 ABGB (nF) zum Ausdruck, wo angeordnet wird, daß in erster Linie eine der behinderten Person nahestehende Person zum Sachwalter zu bestellen ist. Eine solche Beziehung kann naturgemäß nur zwischen dem Behinderten und einer anderen physischen Person bestehen. Gemäß Abs 2 dieser Bestimmung ist dann, wenn es das Wohl der behinderten Person erfordert, soweit verfügbar, ein Sachwalter aus dem Kreis der von einem geeigneten Verein namhaft gemachten Personen zu bestellen. Auch hier kommt klar zum Ausdruck, daß nur die Bestellung einer physischen Person vorgesehen ist; es ist nicht etwa der Verein zum Sachwalter zu bestellen, sondern eine konkrete, von diesem benannte physische Person. Auch in Abs 3 wird unter den dort genannten Voraussetzungen die Bestellung eines Rechtsanwaltes (Rechtsanwaltsanwärters) oder Notars (Notariatskandidaten) und damit einer physischen Person zum Sachwalter vorgesehen.

Die Bestellung des Wohlfahrtsamtes des Magistrates Linz zum Beistand entsprach daher nicht dem Gesetz. Die Funktion der Landeshauptstadt Linz, Amt für soziale Angelegenheiten als Sachwalter läßt sich auch mit der aktuellen Gesetzeslage nicht in Einklang bringen. Der Enthebungsantrag ist daher auch unter diesem Gesichtspunkt zu prüfen.

Dem könnte nun entgegengehalten werden, daß die Bestellung der Rekurswerberin zum Beistand bzw Sachwalter in Rechtskraft erwachsen ist und eine Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Bestellung nicht mehr stattzufinden habe. Ein solcher Einwand wäre jedoch nicht stichhältig. Bei der Bestellung eines Sachwalters handelt es sich nämlich lediglich um eine verfahrenstechnische Maßnahme, von der das Gericht nicht anders als im Falle des § 425 Abs 2 ZPO nach eigenem Ermessen wieder abgehen kann. Nur über Rechtsschutzanträge ergehende Beschlüsse im Außerstreitverfahren können aber in materielle Rechtskraft erwachsen. Davon kann jedoch in Verbindung mit der Frage der Sachwalterbestellung keine Rede sein (JBl 1969, 93 mwN).

Schon weil die Bestellung des derzeitigen Sachwalters dem Gesetz nicht entspricht, ist mit der Bestellung eines anderen Sachwalters vorzugehen, bei der die Bestimmungen der §§ 280, 281 ABGB zu beachten sein werden. Die vom Sachwalter vorgebrachten Enthebungsgründe bedurften daher keiner weiteren Prüfung.

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