Spruch:
1. Der zu 9 ObA 8/94 gefaßte Beschluß vom 16.März 1994, mit dem die Revision als verspätet zurückgewiesen wurde, wird aufgehoben.
2. Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 19.717,20 (darin S 3.286,20 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Rechtliche Beurteilung
Mit Beschluß des Obersten Gerichtshofs vom 16.3.1994 wurde die Revision des Klägers als verspätet zurückgewiesen, weil das Berufungsurteil dem Klagevertreter am 13.10.1993 zugestellt worden war, dieser die Revision nach dem Amtsvermerk des Erstgerichts (§ 108 Abs 3 GeO) aber erst am 11.11.1993 zur Post gegeben hatte. Durch die seinem Aufhebungsantrag beigelegten postamtlichen Bestätigungen hat der Kläger nunmehr bescheinigt, daß er die Revision bereits am 10.11.1993 beim Postamt 6010 aufgegeben hatte und diese am 12.11.1993 beim Erstgericht eingelangt ist. Der durch die frühere Aktenlage gedeckte, aber sachlich unrichtige Zurückweisungsbeschluß ist in Analogie zu § 419 Abs 1 ZPO aufzuheben (vgl SZ 60/192 mwH).
Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Das Berufungsgericht hat die Frage, ob das Dienstverhältnis des Klägers auf einem "Sondervertrag" im Sinne des § 1 Abs 2 lit c des Kollektivvertrags für Angestellte der Versicherungsunternehmen, Innendienst (kurz KVI) beruhte, so daß die Kündigungsbeschränkungen der §§ 33 ff KVI nicht zur Anwendung kommen, zutreffend bejaht. Es reicht daher insofern aus, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 48 ASGG).
Den Ausführungen des Revisionswerbers, er sei nicht aufgrund eines Sondervertrags, sondern als ein dem KVI unterliegender Angestellter beschäftigt gewesen, ist ergänzend entgegenzuhalten, daß er damit nicht sämtliche Feststellungen der Vorinstanzen berücksichtigt. Nach diesen war der Kläger Gebietsdirektor (Landesleiter) für Tirol und Vorarlberg und als solcher dem Vorstand der beklagten Partei unterstellt. Er leitete eine Landesdirektion (Geschäftsstelle). Auch wenn die übrigen Mitarbeiter der Geschäftsstelle (Betreuung und Außendienst) Angestellte der S*****-Versicherungsservice Gesellschaft mbH waren und der Vertrieb über die Mitarbeiter der regionalen Sparkassen erfolgte (die beklagte Partei spricht von ca 1.400 Sparkassenangestellten, die vom Kläger zu führen waren), ändert dies nichts daran, daß der Kläger das Geschäftsaufbringen zu fördern und das diesen Bundesländern zugeordnete Personal der "S-Versicherung" zu führen hatte. Auf die formelle Gestaltung der Dienstverhältnisse (besondere Organisation des Außendienstes) kommt es in diesem Zusammenhang wegen der engen Verflechtung der Gesellschaften und des Unternehmenszwecks ebensowenig an wie auf die Frage, ob dadurch ein selbständiger Betrieb im Sinne der Betriebsverfassung entstanden ist.
Die wesentliche Aufgabe des Klägers war, die jeweiligen Umsatzziele, an deren Planung er teilnahm, selbständig und eigenverantwortlich zu erreichen. Dazu war es ua erforderlich, die Ausbildung der Mitarbeiter zu koordinieren, Schulungen durchzuführen, Kontakte zu den Sparkassendirektoren herzustellen, die Mitarbeiter zu motivieren, Wettbewerbe zu veranstalten und die Gesellschaft zu repräsentieren. Als Landesleiter kam ihm auch eine Vorauswahl in Personalfragen zu; er hatte ein Landesbudget für verkaufsfördernde Werbemaßnahmen zur Verfügung. Bei der Festlegung der Zielvorgaben durch die beklagte Partei hatte er ein Mitspracherecht. Aufgrund dieses umfassenden und eigenständigen Aufgaben- und Führungsbereichs sind die Vorinstanzen daher zutreffend davon ausgegangen, daß der Kläger Leiter einer sogenannten "Geschäftsstelle" im Sinne des § 1 Abs 2 lit c KVI war. Er hatte aber auch einen Dienstvertrag, der ihn aus der übrigen Zahl der Mitarbeiter hervorhob und mangels näherer Definition (das Zusatzprotokoll zum KVI vom 3.10.1951 wurde erst am 7.7.1992 kundgemacht) insofern als "Sondervertrag" angesehen werden kann.
Während die übrigen 80 bis 90 Dienstnehmer der beklagten Partei über ihre Dienstverträge nur Dienstzettel erhalten, haben die Landesleiter, der Fachvorgesetzte der Landesleiter und die Vorstandsmitglieder der beklagten Partei schriftliche Dienstverträge. Für die Qualifikation des Dienstvertrages des Klägers als Sondervertrag ist entgegen seiner Ansicht nicht dessen Bezeichnung, sondern dessen Ausgestaltung maßgeblich. Der Kläger bezog vereinbarungsgemäß einschließlich der Prämien ein Entgelt, das im Vergleich zum Gesamtentgelt eines langjährigen Angestellten im Innendienst (KVI) mindestens doppelt so hoch war. Darüberhinaus stand ihm ein Dienstwagen der "gehobenen Klasse" zu. Daß der Kläger dafür erhebliche Mehrleistungen zu erbringen hatte, spricht nicht gegen, sondern für seine Sonderstellung. Neben einer umfassenden Vordienstzeitenanrechnung wurde ihm eine Entgeltfortzahlung im Fall der Dienstverhinderung für die Dauer von 12 Monaten zugebilligt. Der Dienstvertrag gewährt überdies einen Anspruch auf Sterbegeldbezug für die Witwe und die Kinder und enthält die Verpflichtung der beklagten Partei, zugunsten des Klägers eine Unfallversicherung abzuschließen. Der Kläger gehörte damit zu einem kleinen Kreis der Beschäftigten, denen ein erheblich überkollektivvertragliches Entgelt neben sonstigen Vergünstigungen gewährt wurde. Der Dienstvertrag schließt die Geltung des KVI zwar nicht ausdrücklich, aber implicite aus, da lediglich die Valorisierung der Bezüge nach diesem Kollektivvertrag erfolgen sollte, während er hinsichtlich aller anderen Ansprüche auf den KVA (als lex contractus) und die einschlägigen Gesetzesbestimmungen (etwa AngG, UrlG) verweist. Diäten und Reisespesen waren nach den Richtlinien der Gesellschaft zu vergüten. Darauf, welche Dienstverträge Beschäftigte anderer Gesellschaften haben, kommt es im vorliegenden Fall nicht an. Dem Kläger mußte schon aus den festgestellten Vertragsverhandlungen klar sein, daß die Landesleiter durch ihre Sonderverträge von den Bestimmungen des KVI ausgeschlossen werden sollten. Soweit der Revisionswerber darauf hinweist, daß ein Sondervertrag nur dann vorliege, wenn er die wichtigsten Rechte und Pflichten aus dem Dienstverhältnis anders regle als der Kollektivvertrag, ist ihm entgegenzuhalten, daß die Hauptpflichten im Dienstverhältnis eben in der synallagmatischen Beziehung zwischen Dienstleistung und Entgelt bestehen (Spielbüchler in Floretta-Spielbüchler-Strasser, ArbR3 I 172; Krejci in Rummel2 ABGB § 1155 Rz 1 ua).
Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 Abs 1 iVm § 392 Abs 1 ZPO begründet.
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