OGH 7Ob585/94

OGH7Ob585/9413.7.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache des Klägers und Gegners der gefährdeten Partei Zoran R*****, vertreten durch Dr.Raimund Hora, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte und gefährdete Partei Erna R*****, vertreten durch Dr.Adolf Kriegler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ehescheidung, hier wegen einstweiliger Verfügung, infolge Revisionsrekurses des Klägers und Gegners der gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 15.Februar 1994, GZ 43 R 3074/93-32, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 5.Oktober 1993, GZ 8 C 63/92-25, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes in der Hauptsache wiederhergestellt wird.

Die Entscheidung über den gegen die Kostenentscheidung der ersten Instanz gerichteten Kostenrekurs bleibt dem Gericht zweiter Instanz vorbehalten.

Die beklagte und gefährdete Partei ist schuldig, dem Kläger und Gegner der gefährdeten Partei die mit S 7.971,84 (darin S 1.328,64 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Streitteile sind seit 1985 verheiratet. Mit am 20.5.1992 eingebrachter Scheidungsklage begehrte der Kläger und Gegner der gefährdeten Partei die Scheidung aus dem Verschulden der Beklagten und nunmehr gefährdeten Partei, die ihrerseits mit am 30.6.1992 eingebrachter Widerklage die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Klägers begehrte.

Der Gegner der gefährdeten Partei war seit 1980 Mieter einer Wohnung im Haus 1090 Wien, H*****gasse *****, das im Eigentum der W***** steht. Diese Wohnung diente den Streitteilen als Ehewohnung. Im Zuge des seitens der Vermieterin gegen den Gegner der gefährdeten Partei geführten Kündigungsstreites schloß der Gegner der gefährdeten Partei Ende 1992 ohne Kenntnis der gefährdeten Partei einen außergerichtlichen Räumungsvergleich, wonach die Wohnung am 5.7.1993 zu räumen war. Hievon setzte er die gefährdete Partei Mitte Mai 1993 in Kenntnis. Der Gegner der gefährdeten Partei übersiedelte in eine Wohnung in 1080 Wien, W*****gasse *****. Er forderte die gefährdete Partei nicht auf, mit ihm in diese Wohnung mitzuziehen. Die nunmehr vom Gegner der gefährdeten Partei benützte Wohnung in der W*****gasse war niemals als Ehewohnung in Aussicht genommen.

Mit ihrem am 30.7.1993 eingebrachten Antrag begehrte die gefährdete Partei die Erlassung einer einstweiligen Verfügung dahin, daß ihr die Wohnung in der W*****gasse zur einstweiligen Benützung zugewiesen werde; der Gegner der gefährdeten Partei sei bei sonstiger Exekution schuldig, den Zutritt der gefährdeten Partei zu dieser Wohnung zu dulden und ihr binnen einem Tag nach Zustellung der einstweiligen Verfügung passende Schlüssel für diese Wohnung auszufolgen. Sie brachte vor, daß der Gegner der gefährdeten Partei die Wohnung in der W*****gasse mit einem Teil des ihm als Gegenleistung für die Räumung der Ehewohnung in der H*****gasse seitens der W***** gezahlten Betrages von S 3 Millionen angemietet habe. Die gefährdete Partei sei auf die Weiterbenützung der Ehewohnung dringend angewiesen, sodaß die Wohnung in der W*****gasse "naturgemäß" der Aufteilung unterliege, weil sie ein Surrogat der Wohnung in der H*****gasse darstelle. Da ihr auf Dauer ein Weiterwohnen in der Ehewohnung nicht möglich sei, sei ihr Sicherungsantrag gemäß § 382 Z 8 lit c EO und § 97 ABGB berechtigt.

Der Gegner der gefährdeten Partei beantragte die Abweisung dieses Antrages, weil die nunmehr von ihm benützte Wohnung nicht der Aufteilung nach den §§ 81 ff EheG unterliege, ein derartiger Anspruch im § 97 ABGB nicht vorgesehen sei und er der gefährdeten Partei ohnehin über 1 Mill S im Vergleichweg angeboten habe, sodaß diese in der Lage sei, sich eine Ersatzwohnung anzuschaffen.

Das Gericht erster Instanz wies den Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung ab und sprach dem Gegner der gefährdeten Partei Verfahrenskosten von S 12.693,60 zu. Da die Wohnung in der W*****gasse niemals als Ehewohnung der Streitteile gedient habe, unterliege sie nicht der Aufteilung und könne auch nicht Gegenstand der Regelung der einstweiligen Benützung nach § 382 Z 8 lit c EO sein. Die Sicherung eines sich aus § 97 ABGB ergebenden Anspruches setze die Erhebung oder zumindest die Ankündigung einer entsprechenden Unterlassungsklage voraus und könne nicht im Zusammenhang mit einem Verfahren auf Ehescheidung erlassen werden.

Das Gericht zweiter Instanz änderte diese Entscheidung im Sinne einer Antragstattgebung ab und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zugelassen werde. Es vertrat die Ansicht, daß die gefährdete Partei durch den einseitigen Abschluß des Räumungsvergleiches durch den Gegner der gefährdeten Partei der Obdachlosigkeit ausgesetzt sei und deshalb ein dringendes Wohnbedürfnis habe. Die vom Gegner gesetzten Handlungen verstießen gravierend gegen die Grundsätze des § 97 ABGB. Im Hinblick auf den vom Gesetzgeber angestrebten umfassenden Schutz der ihrer Wohnmöglichkeit beraubten Ehegattin sei im Zusammenhang mit § 382 Abs 1 Z 8 lit c EO die Sicherung eines aus ehelichen Ersparnissen entstandenen Surrogates jedenfalls dann möglich, wenn aus den Ersparnissen eine Wohnung für den einen Ehepartner angeschafft werde, der die bisherige Ehewohnung dritten Personen mit der Wirkung überlassen habe, daß der andere Ehepartner der Obdachlosigkeit ausgesetzt sei. Da nach den Verfahrensergebnissen davon auszugehen sei, daß die nunmehr vom Gegner der gefährdeten Partei bewohnte Mietwohnung aus Mitteln angeschafft worden sei, die als eheliche Ersparnisse anzusehen seien, sei dem Antrag stattzugeben gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Gegners der gefährdeten Partei ist zulässig und berechtigt.

Die Entscheidung zweiter Instanz widerspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, daß unter den Begriff der Ehewohnung nur jene Wohnung zu subsumieren ist, die der gemeinsamen Lebensführung gewidmet ist (EFSlg 63.553). Dies setzt unter anderem voraus, daß die Wohnung während der Ehe einmal gemeinsam benützt worden sein muß oder zumindest im allseitigen Einvernehmen der Ehepartner seinerzeit als Ehewohnung bestimmt war (JBl 1980, 536 ua; vgl auch die Zusammenstellung der Rechtsprechung bei Pichler in Rummel2 II, Rz 4 zu § 81 EheG). Die Wohnung des Klägers in der W*****gasse war niemals die Ehewohnung und war auch nicht als Ehewohnung bestimmt. Sie gehört daher als solche nicht zum ehelichen Gebrauchsvermögen der Streitteile. Dem alleinigen persönlichen Gebrauch eines Ehegatten dienende Sachen aber unterliegen - abgesehen davon, daß sich dies schon aus § 81 EheG mangels Zutreffens des Begriffes "eheliches Gebrauchsvermögen" ergibt (vgl Pichler aaO Rz 5 zu § 82 EheG) - nach der ausdrücklichen Regelung des § 82 Abs 1 Z 2 EheG nicht der Aufteilung.

Bei der Abgrenzung zwischen Gebrauchsvermögen und Ersparnis kommt es auf den tatsächlichen Gebrauch an. Liegt ein solcher - zum Unterschied von Eigentum oder Besitz als bloße Wertanlage - vor, so fällt die Sache unter den Begriff des Gebrauchsvermögens und nicht bzw nicht auch unter den Begriff der Ersparnis (vgl ebenfalls Pichler aaO Rz 6-8 zu § 81 EheG). Schon aus diesem Grund kann weder der Erlös für die Aufgabe der Ehewohnung noch eine aus diesem Erlös finanzierte andere Wohnung unter den Begriff der ehelichen Ersparnisse fallen. Es ist daher weder die Rechtsfrage zu erörtern, ob ein um erspartes Vermögen angeschafftes Surrogat der Aufteilung unterliegt, noch die Tatfrage weiter zu prüfen, ob oder inwieweit die gefährdete Partei die Anschaffung der Ehewohnung überhaupt mitfinanziert hat.

Da es sich weder bei der vom Gegner der gefährdeten Partei nunmehr benützten Wohnung noch um sein daran bestehendes Mietrecht um eine der Aufteilung unterliegende Sache handelt, kann die gefährdete Partei weder eine Sicherung noch eine einstweilige Regelung der Benützung im Sinn des § 382 Abs 1 Z 8 lit c EO daran erreichen.

Ebensowenig findet der geltend gemachte Anspruch in § 97 ABGB Deckung. Der Befriedigung des behaupteten dringenden Wohnbedürfnisses der gefährdeten Partei dient nicht die Wohnung in der W*****gasse, sondern die ehemals von beiden Streitteilen gemeinsam und auch jetzt noch von der gefährdeten Partei benützte Ehewohnung in der H*****gasse. Insoweit deckt sich der Begriff der Ehewohnung mit jenem der Wohnung im Sinn des § 97 ABGB (Pichler aaO, Rz 4 zu § 81 Ehe), der demnach, wie bereits ausgeführt, voraussetzt, daß zumindest die Absicht auf den Gebrauch auch durch den anderen Partner besteht. Nichts anderes ergibt sich auch aus den vom Gericht zweiter Instanz zitierten Ausführungen von Schwimann in Schwimann, ABGB, Bd 1, Rz 3 zu § 97 ABGB. Der hieraus vom Gericht zweiter Instanz zitierte Satz, daß sich der Schutz des § 97 ABGB auch auf eine niemals gemeinsam benützte und auf eine getauschte Wohnung beziehe, ist im Zusammenhang mit den vorangehenden Ausführungen und den Judikaturzitaten nur dahin zu verstehen, daß es nicht auf das tatsächliche gemeinsame Wohnen ankommt, sondern daß bereits die Absicht des gemeinsamen Wohnens bzw die Widmung der Wohnung als Ehewohnung genügt. Nach den Feststellungen der Untergerichte aber diente die Wohnung in der W*****gasse der gefährdeten Partei niemals als Wohnung und war auch niemals als Ehewohnung gewidmet. Die gefährdete Partei könnte daher nur Maßnahmen zur Sicherung der derzeit noch von ihr benützten Ehewohnung in der H*****gasse anstreben. Daß es hiefür allenfalls bereits zu spät ist, weil der Gegner der gefährdeten Partei sein Mietrecht an der Wohnung aufgegeben und sich zur Räumung verpflichtet hat, vermag nichts daran zu ändern, daß ihr an der Wohnung in der W*****gasse weder ein Anspruch nach § 97 ABGB noch ein gemäß § 382 Abs 1 Z 8 lit c EO zu sichernder Anspruch zusteht.

Es war daher die antragsabweisende Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Über die im Rekurs der gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Erstgerichtes enthaltene Anfechtung der Kostenentscheidung wird vom Gericht zweiter Instanz zu entscheiden sein.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens in erster und zweiter Instanz gründet sich auf die §§ 402, 78 EO, §§ 41 und 50 ZPO.

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