OGH 8ObS14/94

OGH8ObS14/9430.6.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Adamovic, sowie die fachkundigen Laienrichter Kunc und Dr.Zörner als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Gerhard L*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr.Peter Astner, Sekretär der Kammer für Arbeiter und Angstellte für Steiermark, Haus Reselgasse 8-10, 8020 Graz, wider die beklagte Partei Arbeitsamt Graz, Graz, Babenbergerstraße 33, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen Insolvenzausfallgeld 2.207,-- S sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17.November 1993, GZ 7 Rs 77/93-9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 5.Mai 1993, GZ 31 Cgs 57/93a-5, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 1.August 1989 bis 31.Jänner 1992 bei der B*****-Computer Handels- und EntwicklungsgmbH beschäftigt. Auf Grund der vom Kläger, vertreten durch die Kammer für Arbeiter und Angestellte für Steiermark in Graz, am 3.Juli 1992 eingebrachten Mahnklage wurde die genannte Gesellschaft als ehemalige Arbeitgeberin verurteilt, dem Kläger den Betrag von S 55.435,80 brutto abzüglich S 15.796,81 netto sA für Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis zu zahlen. Zur Hereinbringung dieser vollstreckbaren Forderung bewilligte das Bezirksgericht für ZRS Graz mit Beschluß vom 1.September 1992 (AZ 14.447/92) die Exekution durch Pfändung, Verwahrung und Verkauf beweglicher Sachen der ehemaligen Dienstgeberin. In diesem Verfahren wurde der Kläger als betreibende Partei durch Dr.Heinz K*****, Rechtsanwalt in Graz, vertreten, der sich auf seine Bevollmächtigung samt Geldvollmacht gemäß § 30 Abs 2 ZPO berief. An Exekutionskosten sind insgesamt S 2.307,24 - entstanden; diese Kosten wurden von der Kammer für Arbeiter und Angestellte in zwei Teilbeträgen dem Rechtsanwalt Dr.Heinz Kallan am 13.August und 21.Dezember 1992 überwiesen. Mit Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 16. Dezember 1992 wurde über das Vermögen der ehemaligen Arbeitgeberin das Konkursverfahren eröffnet.

Mit Bescheid der beklagten Partei vom 23.Feber 1993 wurde dem Kläger Insolvenz-Ausfallgeld in der Höhe von S 35.527,-- zuerkannt, mit weiterem Bescheid vom selben Tag jedoch die Zuerkennung von Insolvenz-Ausfallgeld in der Höhe von S 2.207,-- mit der Begründung abgelehnt, daß der Kläger die Kammer für Arbeiter und Angestellte zur Hereinbringung der offenen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis bevollmächtigt habe, die zusätzlichen Kosten dadurch entstanden seien, daß sie Aufgaben dem Rechtsanwalt Dr.K***** delegiert habe und diese Mehraufwendungen keine notwendigen Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung darstellen würden.

Die gegen die vorgenannte Zahlungsablehnung erhobene Klage wies das Erstgericht mit der Begründung ab, die Klagsforderung sei im Verhältnis zwischen dem Rechtsanwalt Dr.Heinz K***** und der Kammer für Arbeiter und Angestellte entstanden und dieser sei auch der Betrag in Rechnung gestellt und von ihr beglichen worden. Demnach sei aber davon auszugehen, daß es sich hiebei nicht um Rechtsverfolgungskosten handle, die dem Kläger erwachsen seien.

Das Berufungsgericht gab der gegen das erstgerichtliche Urteil aus den Gründen der unvollständigen Tatsachenfeststellung - dieser Grund geht als Geltendmachung von Feststellungsmängeln im Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung auf - und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobenen Berufung des Klägers Folge. Es führte aus, gemäß § 1 Abs 2 Z 4 IESG habe der Arbeitnehmer auch Anspruch auf Insolvenzausfallgeld hinsichtlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten. Formeller und materieller Gläubiger der Kosten des Exekutionsverfahrens sei der Kläger. Im § 1 Abs 2 Z 4 lit c IESG seien auch die Exekutionskosten genannt. Der Gesetzgeber unterstelle, daß diese Kosten dem Arbeitnehmer zu Durchsetzung und Hereinbringung seiner Ansprüche gegen den Arbeitgeber entstanden oder erwachsen seien. Es sei nicht entscheidend, ob diese Prozeß- oder Verfahrenskosten von dritter Seite vorgestreckt oder allenfalls sogar endgültig getragen würden. Im übrigen sei es Sache des Klägers, wen er zur Durchsetzung seiner Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis bevollmächtige.

Das Berufungsgericht erklärte die Revision für unzulässig, weil der Rechtsfrage, ob dem Kläger Insolvenzausfallgeld für rechtskräftig zugesprochene Prozeß- und Exekutionskosten gebühre, eine erhebliche Bedeutung iSd § 46 Abs 1 Z 1 ASGG nicht zukomme.

Gegen das berufungsgerichtliche Urteil richtet sich die außerordentliche Revision des beklagten Arbeitsamtes aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es abzuändern und das Urteil erster Instanz wieder herzustellen. Hiezu wird vorgebracht, die Revision sei zulässig, denn der Rechtsfrage, ob einem durch die Arbeiterkammer unentgeltlich vertretenen Arbeitnehmer ein Kostenersatz gebühre, komme erhebliche Bedeutung zu. Hätte die Arbeiterkammer den Kläger im Exekutionsverfahren selbst vertreten, wären keine tarifmäßigen Exekutionskosten entstanden. Die Barauslagen hätte sie wegen ihres unentgeltlichen Vertretungsauftrages aus eigenem Mittel bestreiten müssen. Bei den Barauslagen (Gerichts- und Vollzugsgebühren) handle es sich nicht um dem Arbeitnehmer erwachsene Kosten, sondern um Kosten eines Dritten, für die eine Ersatzpflicht des Arbeitnehmers nicht bestehe. Eine Überwälzung der Kosten für Barauslagen auf den unterliegenden Prozeßgegner sei nur im Rahmen des "Barauslagengesetzes" - vermutlich ist damit das Bundesgesetz über den Aufwandersatz von gesetzlichen Interessenvertretungen und freiwilligen kollektivvertragsfähigen Berufsvereinigungen in Arbeitsrechtssachen (Bundesgesetz über den Aufwandersatz sowie über die Änderung des Arbeits- und Sozialgerichtgesetzes BGBl Nr 28/1993 gemeint - zulässig. Gleiches müsse auch für tarifmäßigen Kosten eines Rechtsanwaltes gelten, dessen sich die Arbeiterkammer für die Erfüllung ihres Vertretungsauftrages bediene. Auch für diese Kosten bestehe keine Ersatzpflicht des Klägers, weshalb ihm hierfür kein Insolvenzausfallgeld gebühre.

Mit Beschluß vom 13.4.1994, 8 Ob S 1001/94, wurde dem Kläger die Erstattung einer Revisionsbeantwortung freigestellt. Die durch die Zustellung am 6.5.1994 in Gang gesetzte Frist endete am 3.6.1994, ohne daß sich der Kläger am Revisionsverfahren beteiligt hätte.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

Gemäß § 508a Abs 1 ZPO ist der Oberste Gerichtshof an einen Ausspruch des Berufungsgerichtes nach § 500 Abs Z 3 ZPO sowie sinngemäß auch nach § 46 Abs 1 Z 1 ASGG nicht gebunden.

Eine Rechtsprechung über den Kostenersatz für die Vertretung durch einen Rechtsanwalt im Exekutionsverfahren nach vorausgehender Vertretung im titelschaffenden Verfahren durch die Arbeiterkammer fehlt; dabei handelt es sich um eine für die Rechtsentwicklung erhebliche Frage, deren Lösung wegen zu erwartender gleichartiger Fälle über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat (vgl RZ 1994/45, 138 mwN).

Ungeachtet der Rechtsschutzgewährungspflicht der Arbeiterkammer gemäß § 7 Arbeiterkammergesetz (BGBl 626/1991) besteht keine Verpflichtung des Arbeitnehmers, sich nur durch die Arbeiterkammer vertreten zu lassen; sein Recht, sich durch einen Rechtsanwalt vertreten zu lassen bzw. das Recht der Arbeiterkammer, einzelne Vertretungsaufgaben an Rechtsanwälte zu übertragen, bleibt davon unberührt.

Das Aufwandersatzgesetz, BGBl. 28/1993, das gemäß § 1 Abs 1 leg cit nur für Rechtsstreitigkeiten nach § 50 Abs 1 ASGG, nicht aber für Sozialrechtssachen gemäß § 65 Abs 1 Z 7 ASGG anwendbar ist, ist auf Vertretungshandlungen vor dem 1.1.1993 nicht anzuwenden. Davon abgesehen handelt es sich bei dem Aufwandersatzanspruch gemäß § 1 Abs 1 leg. cit. um einen eigenen Anspruch der gesetzlichen Interessenvertretung oder freiwilligen Berufsvereinigung (RV 802 BlgNR 18. GP, 4), der Anspruch der vertretenen Partei auf Kostenersatz bleibt grundsätzlich unberührt. Gemäß § 1 Abs 4 leg cit ist der Aufwandersatz nur im Verfahren nach § 58 a ASGG geltend zu machen, das sich für die Geltendmachung von Exekutionskosten des Titel schaffenden Verfahrens nicht eignet, weil auf die Aufgaben des Exekutionsgerichtes im ASGG nicht Bedacht genommen wird. Somit bleibt die Geltendmachung von zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Exekutionskosten zur Hereinbringung der Ansprüche der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber (§ 1 Abs 2 Z 4 lit. c IESG) von der - erst ab 1. Jänner 1993 bestehenden - Möglichkeit der Arbeiterkammer, Aufwandersatz zu begehren, durch den Arbeitnehmer unberührt. Der Pauschalbetrag (Verordnung BGBl 55/1993) umfaßt nur den Aufwand des Titelverfahrens einschließlich des Berufungsverfahrens, nicht aber das Exekutionsverfahren.

Somit steht es dem Arbeitnehmer weiterhin frei, sich im Exekutionsverfahren durch Rechtsanwälte vertreten zu lassen und ungeachtet des Aufwandersatzgesetzes gehören die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Exekutionskosten zu den gesicherten Ansprüchen im Sinne des § 1 Abs 2 Z 4 lit c IESG.

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