OGH 2Ob54/94

OGH2Ob54/9430.6.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hilda M*****, vertreten durch Dr.Alois Nußbaumer, Dr.Stefan Hoffmann, Rechtsanwälte in Vöcklabruck, wider die beklagte Partei Z***** Versicherungen AG, 1015 Wien, Schwarzenbergplatz 15, vertreten durch Dr.Tilman Schwager, Rechtsanwalt in Steyr, wegen restlicher S 148.020,93 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 15.Februar 1994, GZ 4 R 181/93-24, womit das Urteil des Landesgerichtes Steyr vom 20.April 1993, GZ 4 Cg 205/90-18, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S

8.370 (darin S 1.395 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin wurde bei einem Verkehrsunfall am 10.5.1987 verletzt. Die Beklagte hat für ihre Schäden zu haften.

Streitgegenstand im Rechtsmittelverfahren ist nur mehr das Begehren der Klägerin auf Ersatz des Verdienstentganges aus der Landwirtschaft für den Zeitraum vom 1.6.1988 bis 31.3.1992, welchen die Klägerin auf Grundlage der Kosten einer ständig beschäftigten fiktiven Ersatzkraft unter Berücksichtigung von Sozialversicherungsleistungen und einer Zahlung der Beklagten mit S 152.545,90 bezifferte.

Die Beklagte wendete ein, daß der landwirtschaftliche Betrieb unmittelbar nach dem Verkehrsunfall auf die Deckung des Eigenbedarfes eingeschränkt worden sei. Es sei der Klägerin kein konkreter Verdienst entgangen; der Zuspruch der Kosten einer fiktiven Arbeitskraft würde zu einer unzulässigen Bereicherung der Klägerin führen. Ihr Anspruch sei mit der Höhe des konkreten Verdienstentganges zu limitieren. Darauf müsse sie sich die Einkünfte aus Verpachtung ebenso anrechnen lassen, wie die Prämien für die Aufgabe des Milchkontingents.

Das Erstgericht folgte dem Standpunkt der Beklagten und sprach der Klägerin lediglich eine restliche Verdienstentgangsentschädigung aus der ehemaligen Landwirtschaft in Höhe von S 4.524,97 zu.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und ließ die ordentliche Revision nicht zu.

Es sei schon richtig, daß nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes der Schaden, den ein selbständig Erwerbstätiger infolge eines Unfalles erleide, sich nicht nur in der Verringerung seines wirtschaftlichen Ertrages, sondern auch in den Kosten aufgenommener Ersatzkräfte ausdrücken könne, und daß die letztgenannte Berechnung auch dann stattfinden könne, wenn tatsächlich Ersatzarbeitskräfte nicht aufgenommen oder bezahlt würden, sondern die Verringerung des wirtschaftlichen Ertrages durch Hilfe von Nachbarn und Familienmitgliedern oder durch erhöhten Arbeitseinsatz ausgeglichen worden sei. Dies werde damit begründet, daß die unentgeltliche Hilfeleistung nicht dazu diene, den Schädiger zu entlasten; es käme einer ungerechtfertigten Begünstigung des Schädigers gleich, wollte man ihm die Tatsache, daß Nachbarn und Angehörige dem Geschädigten zur Hand gingen, durch eine Verringerung seiner der Schadensgutmachung dienenden Auslagen gratifizieren (für viele ZVR 1987/56). All diesen Entscheidungen sei eine Betriebsfortführung des Geschädigten zugrunde gelegen. Werde aber, wie hier, der Betrieb eingestellt, und liege der dadurch verursachte Entgang des betrieblichen Ertrages unter den fiktiven Kosten für Arbeiten, die wegen der Betriebseinstellung gar nicht verrichtet worden seien, würde der Zuspruch von fiktiven Kosten für fiktive Ersatzarbeitskräfte zu einer unzulässigen Bereicherung der Geschädigten führen, die den Prinzipien des Schadenersatzrechtes widerspräche (Reischauer in Rummel2 Rz 12 zu § 1323; SZ 51/7; JBl 1990, 721). Infolge Betriebseinstellung stehe somit der Klägerin ein über den konkreten Verdienstentgang hinausgehender Ersatzanspruch auf Bezahlung der fiktiven Kosten fiktiver Ersatzarbeitskräfte nicht zu. Gegen die Berechnung des konkreten Verdienstentganges werde in der Berufung ebensowenig etwas vorgetragen, wie dagegen, daß das Erstgericht den Verdienstentgang der Klägerin in dem Umfang, in dem die Landwirtschaft zur Eigenversorgung aufrecht erhalten worden sei, bei der Hausfrauenrente mitberücksichtigt habe.

Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, da von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht abgegangen worden sei.

Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß ihr ein weiterer Betrag von S 148.020,93 sA zuerkannt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage fiktiver Ersatzkraftkosten bei Betriebseinstellung nicht vorliegt; sie ist aber nicht berechtigt.

Die Klägerin macht geltend, jede Beeinträchtigung des Gutes "Arbeitskraft" stelle einen positiven Schaden dar, der nach Wahl des Geschädigten über die Kosten einer fiktiven Ersatzkraft berechnet werden könne. Da die Beeinträchtigung bzw Vernichtung des Rechtsgutes zu ersetzen sei, sei es irrelevant, ob der Betrieb, in dem die Klägerin ihre Arbeitskraft bisher eingesetzt habe, ganz oder teilweise eingestellt worden sei.

Dem ist nicht zuzustimmen.

Festzuhalten ist, daß die Forderung der Klägerin auf Bezahlung einer fiktiven Ersatzarbeitskraft für die Zeit bis zur Betriebseinstellung von der Beklagten vergleichsweise anerkannt wurde. Für die Zeit danach wurde ihr nur noch der anteilige Verdienstentgang aus dem vormaligen Nebenerwerbsbetrieb (abzüglich auszugleichender Vorteile bzw Teilzahlung) zugesprochen.

Zutreffend hat schon das Berufungsgericht ausgeführt, daß der Schaden, den ein selbständig Erwerbstätiger infolge eines Unfalles erleide, sich entweder im eingetretenen Verdienstentgang (Gewinnentgang) oder in den Kosten aufgenommener Ersatzkräfte ausdrücken kann. Der Ersatzanspruch richtet sich demnach entweder auf die wegen des verletzungsbedingten Wegfalles der persönlichen Tätigkeit entstandene Verminderung des wirtschaftlichen Ertrages bzw Verhinderung einer sonst möglichen Steigerung desselben, also den Gewinnausfall, oder aber auf die Kosten der für den Verletzten tätig gewordenen Ersatzkräfte, wodurch ein solcher Gewinnentgang verhindert worden ist (ZVR 1985/47, 1988/84 mwN; vgl Reischauer in Rummel2 § 1325 ABGB Rz 37; Harrer in Schwimann § 1325 ABGB Rz 18; Apathy EKHG § 13 Rz 11). Wird der Gewinnausfall durch Nachbarschaftshilfe und Mehrleistungen von Angehörigen verhindert, können die fiktiven Kosten einer Ersatzkraft begehrt werden, da der Schädiger nicht begünstigt werden soll (ZVR 1980/231, 1987/56, 1989/30; vgl Reischauer aaO; Apathy aaO).

Fingiert wird in der Rechtsprechung allenfalls, daß Ersatzkräfte eingestellt werden, nicht fingiert wird, daß überhaupt ein Betrieb besteht, in dem ein Gewinn erzielt werden bzw ausfallen kann. Wird der Betrieb unfallsbedingt aufgegeben, kann nicht mehr als der hiedurch verursachte Einkommensverlust abgegolten werden. Mehr als der Verdienst, den die Klägerin bei Weiterführung des Betriebes erzielt hätte, kann ihr durch den Unfall nicht entgangen sein. Hiefür hat sie aber ohnehin Ersatz erhalten.

Auch in ZVR 1989/107 wurde auf den Ersatz von Ersatzkraftkosten nur für den weitergeführten Gasthausbetrieb abgestellt, für den unfallsbedingt auf Hühnerzucht eingeschränkten landwirtschaftlichen Betrieb hingegen ausschließlich auf den Minderertrag wegen Nichterreichung der früheren Einkommen aus dem Landwirtschaftsbetrieb.

Hinzuweisen ist auch darauf, daß nach nunmehr ständiger Rechtsprechung zum Ersatz von fiktiven Reparaturkosten dieser mit der objektiven Wertminderung begrenzt ist (SZ 55/28; ZVR 1984/344, 1988/129; JBl 1990, 718; SZ 63/46; vgl Reischauer aaO § 1323 Rz 12; Apathy aaO § 16 Rz 15 mwN). Steht (etwa wegen Verkaufes der beschädigten Sache) fest, daß die Reparatur nicht durchgeführt wird, so ist im Sinne dieser Judikatur ein über die objektive Wertminderung hinausgehendes Begehren abzuweisen (2 Ob 5/94). Der hiebei betonte Ausgleichsgedanke ist auch im vorliegenden Fall heranzuziehen. Der Zuspruch von fiktiven Ersatzkraftkosten über den durch die Betriebseinstellung entgangenen Verdienst hinaus würde zu einer Bereicherung der Klägerin führen, der Geschädigte soll aber nicht besser gestellt werden, als er ohne Schadensfall stünde.

Das Begehren der Klägerin, trotz Betriebseinstellung Verdienstentgang in Höhe der Kosten einer fiktiven Ersatzarbeitskraft zu erhalten, ist somit nicht berechtigt, weshalb ihrer Revision ein Erfolg zu versagen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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