OGH 7Ob552/94

OGH7Ob552/9429.6.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Außerstreitsache des Antragstellers Johann W*****, vertreten durch Dr.Helmut Kientzl und Dr.Gerhard Schultschick, Rechtsanwälte in Wiener Neustadt, gegen die Antragsgegner 1. Johann W*****, und 2. Marianne W*****, vertreten durch Dr.Edwin Schubert und Dr.Rudolf Rammel, Rechtsanwälte in Neunkirchen, wegen Einräumung eines Notweges, infolge Rekurses der Antragsgegner gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 25.Februar 1994, GZ R 569/93-9, womit infolge Rekurses des Antragstellers der Beschluß des Bezirksgerichtes Aspang vom 24.November 1993, GZ Nc 382/93-2, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Rekurskosten sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Antragsteller begehrte die Einräumung eines Notweges zugunsten seiner Liegenschaft EZ ***** Grundbuch 23005 G***** und zu Lasten der Grundstücke Nr.287 Baufläche, 94 Baufläche, 449/2 Garten und 443/2 Wald je inneliegend der EZ ***** Grundbuch 23005 G*****. Er brachte vor: Es gebe derzeit zwei Möglichkeiten, zu seiner Liegenschaft zu gelangen. Einerseits existiere ein Güterweg, der über die im Alleineigentum der Elisabeth H***** stehende Liegenschaft EZ 249 führe. Dieser Güterweg weise jedoch im letzten Teil vor der Einmündung in die Liegenschaft des Antragstellers ein derart hohes Gefälle auf, daß er nur mit landwirtschaftlichen Maschinen und nicht mit PKWs befahren werden könne. Bei Schneelage sei das letzte Gefälle überhaupt unpassierbar. Schon nach kurzen Regenfällen sei das Straßenstück unbegehbar. Eine weitere Zufahrtsmöglichkeit bestehe über die im Antrag angeführten Grundstücke der Antragsgegner. Diese hätten zwar in einer Niederschrift vom 28.8.1984 dem Antragsteller den "Zugang" zu seiner Liegenschaft über den Weg gestattet. Sie hätten jedoch angekündigt, die Zufahrtsmöglichkeit für den Fall des Verkaufes der Liegenschaft durch den Antragsteller zu sperren.

Das Gericht erster Instanz wies den Antrag "zurück" (inhaltlich ab). Da nach den Antragsbehauptungen der Zugang zur Liegenschaft des Antragstellers aufgrund einer Benützungsregelung möglich sei und Schwierigkeiten nur für den Fall des Verkaufes der Liegenschaft auftreten könnten, aber nicht behauptet sei, daß ein Verkauf zu erwarten sei, mangle es an den Voraussetzungen des § 1 NWG.

Das Gericht zweiter Instanz hob den Beschluß auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Bei der Frage, ob ein Notweg einzuräumen sei, komme es nicht auf die Bedürfnisse des jeweiligen Eigentümers der Liegenschaft an, sondern auf deren objektive Wegebedürftigkeit aufgrund ihrer unverändlichen Lage. Das allenfalls gute Einvernehmen eines bestimmten Liegenschaftseigentümers mit seinem Grundnachbarn könne daher kein Hindernis sein, einen Antrag auf Einräumung eines Notweges zu stellen, der für die künftigen Eigentümer erforderlich sein werde. Dazu komme, daß zur Benützung der Liegenschaft auch deren Verwertung gehöre, die nach dem Vorbringen des Antragstellers ohne Notweg erschwert werde. Schließlich ergebe sich auch aus § 3 NWG, wonach der Notweg in einer (regelmäßigen) Dienstbarkeit bestehe, daß die bloß einem bestimmten Eigentümer erteilte Benützungserlaubnis dem vorliegenden Antrag nicht entgegenstehe. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil keine oberstgerichtliche Entscheidung zur Frage vorliege, ob ein Anspruch auf Einräumung eines Notweges auch dann bestehe, wenn das Wegerecht zwar dem derzeitigen Eigentümer, nicht aber dessen Rechtsnachfolgern gestattet werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Antragsgegner ist aus dem vom Gericht zweiter Instanz angeführten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Im § 4 NWG kommt zwar der Wille des Gesetzgebers zum Ausdruck, daß die Bewilligung einer neuen Weganlage möglichst unterbleiben soll. Wegen des einschneidenden Eingriffs in das Eigentumsrecht sind die Bestimmungen des NWG einschränkend auszulegen (RZ 1989/45 mwN). Dessen ungeachtet verweist das Gericht zweiter Instanz zu Recht darauf, daß der Notweg gemäß § 3 NWG als Legalservitut konstruiert ist, die durch Richterspruch rechtliche Wirksamkeit erlangt (SZ 38/19). Es kommt nicht auf den bloß zufälligen Bedarf des Antragstellers bzw. von dessen Angehörigen an, sondern auf den Bedarf der Liegenschaft, also darauf, ob dieser Bedarf aller Wahrscheinlichkeit nach auch bei jedem späteren Erwerber und Bewohner der Liegenschaft bestehen wird (JBl. 1967, 529; 1 Ob 40/86).

Die Rechtsprechung hat zwar die Einräumung eines Notweges dann abgelehnt, wenn der Antragsteller das Bestehen einer Wegdienstbarkeit behauptet hat und darüber entweder ein Verfahren anhängig war oder der Antragsteller einem solchen Verfahren durch den Antrag auf Einräumung eines Notweges ausweichen wollte (7 Ob 242/55; 2 Ob 647/56; 8 Ob 262/63). Denn in diesen Fällen konnte auf die im Gesetz vorgesehenen Mittel (vgl. § 1 Abs.1 NWG) zur Durchsetzung des behaupteten Wegerechtes verwiesen werden. Die Behauptung des Antragstellers (im streitigen Rechtsweg), der Antragsgegner sei schuldig, ihm das Geh- und Fahrtrecht zu verschaffen, stellt jedoch für den Antrag auf Einräumung eines Notweges kein Hindernis dar, weil dem Antragsteller selbst im Fall des Obsiegens in einem derartigen Rechtsstreit noch immer kein Anspruch auf Einräumung eines Wegerechtes, sondern nur ein Verschaffungsanspruch zustehen würde (6 Ob 804/77). Ebensowenig vermag daher die Zusicherung des Grundnachbarn, nur dem Antragsteller persönlich die Zufahrt zur Liegenschaft zu gestatten, das Begehren auf Einräumung eines Notweges zu hindern.

Durch die Rechtsunsicherheit über das Bestehen einer Wegeverbindung für einen allfälligen Rechtsnachfolger wird der Wert der Liegenschaft entscheidend vermindert. Damit wird der Liegenschaftseigentümer in seiner Dispositionsmöglichkeit erheblich eingeschränkt. Nach nunmehriger Rechtsprechung kann bereits der Ankauf eines Grundstückes ohne notwendige Verbindung mit dem öffentlichen Wegenetz eine auffallende Sorglosigkeit begründen, die gemäß § 2 Abs.1 NWG dem Begehren auf Einräumung eines Notweges entgegensteht (RZ 1989/45 mwN). Auffallende Sorglosigkeit wurde etwa angenommen, wenn sich der Käufer bei den Antragsgegnern bezüglich des Fahrtrechtes nicht erkundigte, obwohl er vom Verkäufer wußte, daß die Antragsgegner zunächst das Fahrtrecht erlaubt, später aber versagt hätten (6 Ob 684/83). Da den Rechtsnachfolgern Erkundigungspflichten auferlegt werden und nach den Antragsbehauptungen im vorliegenden Fall mit dem Ergebnis zu rechnen ist, daß einem allfälligen Rechtsnachfolger die entsprechende Zufahrtsmöglichkeit nicht gestattet wird, hätten allfällige Liegenschaftskäufer kaum jemals Aussicht, ein Wegerecht gegen die Antragsgegner durchzusetzen. Da zudem nur der jeweils verbücherte, nicht aber auch der potentielle Eigentümer den Antrag nach dem NWG stellen kann (EvBl. 1992/115), könnte bei Billigung der Ansicht, daß ein dem Antragsteller persönlich zustehendes, bloß obligatorisches Wegerecht die Einräumung eines Notweges hindere, überhaupt niemand - zumindest nicht bei Eigentumserwerb unter Lebenden - eine vom guten Willen der Nachbarn unabhängige Wegeverbindung mit dem öffentlichen Wegenetz erreichen.

Aus all diesen Erwägungen kann die Ansicht Feils in Liegenschaftsrecht Bd.I, 205, daß es nicht an einer Verbindung zum öffentlichen Wegenetz fehle, wenn der Eigentümer unter Ausnützung eines ihm zustehenden, auch bloß persönlichen Rechtes über fremde Grundstücke zum öffentlichen Weg gelangen könne, wobei ein rein obligatorischer Anspruch, solange er bestehe, genüge (ähnlich auch LGZRS Wien in RPflSlg. A 4333), nicht geteilt werden.

Der im Rekurs an den Obersten Gerichtshof aufgestellten Behauptung der Antragsgegner, der Antragsteller könne über andere Grundstücke seine Liegenschaft erreichen und diese ordentlich bewirtschaften, steht die noch zu prüfende Antragsbehauptung entgegen, daß die andere Zufahrtsmöglichkeit hiefür ungeeignet sei.

Schon deshalb, weil die Antragsgegner in erster Instanz noch gar keine Gelegenheit hatten, zum Antrag Stellung zu nehmen, kommt die Durchführung des weiteren Verfahrens vor dem Gericht zweiter Instanz nicht in Betracht. Von der im Rekurs behaupteten Mangelhaftigkeit des Verfahrens zweiter Instanz im Sinn des § 496 Abs.3 ZPO kann daher keine Rede sein.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 25 NWG im Zusammenhang mit § 52 (1) ZPO.

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