OGH 7Ob559/94

OGH7Ob559/9429.6.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz P*****, vertreten durch Dr.Hermann Holzmann, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagten Parteien 1. Ing.Hans K*****, und 2. Margit K*****, beide vertreten durch Dr.Helmut Rantner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Räumung, hier wegen Ablehnung des Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Innsbruck Dr.Gert D***** als Vorsitzenden des Senates 3 und die Richter des Oberlandesgrichtes Innsbruck *****Dr.Bernd R***** und Dr.Johann H***** als weitere Mitglieder dieses Senates, infolge Rekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 6.Mai 1994, GZ Jv 1700-1/94-1, womit dem Ablehnungsantrag der beklagten Parteien nicht Folge gegeben wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien haben die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Kläger ist Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch 81201 G*****, die er am 11.1.1990 durch Zuschlagserteilung im Zwangsversteigerungsverfahren gegen den Voreigentümer Friedrich V***** erwarb. Das auf dieser Liegenschaft zugunsten der beiden Beklagten einverleibte Bestandrecht, das nach den Versteigerungsbedingungen vom Ersteher in Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen war, wurde gelöscht. Der Erstbeklagte betreibt auf dem zur Liegenschaft gehörenden Grundstück Nr 429/2 eine Bienenzucht. Er hat in den Jahren 1974 bis 1981 mit Zustimmung des Friedrich V***** ein Bienenhaus, vier sogenannte Freistände und ein Arbeitshaus errichtet.

Der Kläger begehrt die Räumung der Liegenschaft durch die Beklagten wegen titelloser Benützung.

Die Beklagten beantragten Klagsabweisung, weil sie mit Friedrich V***** einen dem MRG unterliegenden Mietvertrag geschlossen hätten, der von der Zwangsversteigerung unberührt bleibe.

Der Kläger behauptete hiezu, daß es sich bei dem zwischen den Beklagten und Friedrich V***** geschlossenen, der Verbücherung des Bestandrechtes zugrundeliegenden Vertrag um ein Umgehungsgeschäft gehandelt habe. In Wahrheit liege ein Kaufvertrag vor. Mit der von den Vertragsparteien gewählten Vorgangsweise sollte das Tiroler Grundverkehrsgesetz, das eine Genehmigung vorsehe, umgangen werden. Im übrigen betreibe der Erstbeklagte die Bienenzucht als Hobby, so daß die auf dem Grundstück errichteten Bauwerke nicht als Geschäftsräumlichkeiten im Sinn des MRG anzusehen seien. Da die Bauwerke ohne baubehördliche Genehmigung errichtet worden seien, erkläre der Kläger hilfsweise die Vertragsauflösung wegen erheblichen nachteiligen Gebrauchs gemäß § 1118 ABGB; für den Fall der Rechtsunwirksamkeit dieser Erklärung kündige er das Bestandverhältnis zum 30.11.1984 auf und stelle das Eventualbegehren auf Räumung zu diesem Termin.

Lezteres Begehren wurde vom Erstgericht rechtskräftig zurückgewiesen.

Das auf titellose Benützung gestützte Räumungsbegehren wies das Erstgericht im zweiten Rechtsgang ab. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes ist nicht erwiesen, daß mit dem als Pachtvertrag bezeichneten Bestandvertrag das Tiroler Grundverkehrsgesetz umgangen werden sollte. Eine eigentümerähnliche Stellung sollte den Beklagten nicht eingeräumt werden. Ein Kaufvertrag war nicht beabsichtigt. Die der Bienenzucht dienenden Superädifikate seien als Geschäftsräumlichkeiten im Sinn des § 1 MRG zu beurteilen, so daß der als Mietvertrag zu qualifizierende Bestandvertrag dem MRG zu unterstellen sei. Das Mietverhältnis sei daher noch aufrecht. Ein nachteiliger Gebrauch liege nicht vor.

In der mündlichen Berufungsverhandlung vom 20.4.1994 über die vom Kläger erhobene Berufung beschloß das Gericht zweiter Instanz eine Beweiswiederholung über den Inhalt der zwischen Friedrich V***** und den Beklagten getroffenen Vereinbarungen, zu den Umständen dieser Vereinbarungen und den von den Vertragsparteien verfolgten Absichten sowie zur Widmung der Zahlungen der Beklagten. Hierauf wurden mit Einverständnis der Streitteile die Aussagen zweier Zeugen verlesen, die Urkunden erörtert und die Tagsatzung zur Einvernahme eines weiteren Zeugen und der Parteien auf den 18.5.1994 erstreckt.

Gegen den Beschluß auf Beweiswiederholung erhoben die Beklagten ein als "außerordentlicher Revisionsrekurs mit Antrag auf Befangenheit" bezeichnetes Rechtsmittel, in dem sie unter anderem sinngemäß die Mitglieder des erkennenden Senates des Gerichtshofes zweiter Instanz als befangen ablehnen. Aufgrund des Inhaltes des angefochtenen Beschlusses, dessen Begründung und insbesondere des Ablaufes, wie es zur Beschlußfassung gekommen sei, müsse die Befangenheit der Richter angenommen werden. Wie sich aus der Formulierung der Berufung ergebe, sei die Beweiswürdigung überhaupt nicht bekämpft worden. Der Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung sei nicht gesetzmäßig ausgeführt worden; die Berufung sei von vornherein unschlüssig. Ein Umgehungsgeschäft könne sich, wenn überhaupt, nur auf einen Teil der Bestandfläche beziehen. Die Bedenken des Berufungsgerichtes gegen die Beweiswürdigung des Erstgerichten wiesen daher auf eine Befangenheit hin.

Die Mitglieder des erkennenden Senates des Gerichtshofes zweiter Instanz erklärten, nicht befangen zu sein. Die Modalitäten des Zustandekommens des Beschlusses auf Beweiswiederholung und der diesbezüglichen Bekanntgabe an die Parteien hätten den Bestimmungen der ZPO und insbesondere jenen des § 488 Abs 4 ZPO entsprochen.

Der zur Entscheidung über Ablehnungsanträge zuständige Senat des Oberlandesgerichtes Innsbruck erklärte den Ablehnungsantrag der Beklagten für nicht gerechtfertigt. Aus den pauschalen Behauptungen der Befangenheitsanzeige seien keine Befangenheitsgründe abzuleiten. Die Berufungsverhandlung vom 20.4.1994 und der darin gefaßte Beschluß hätten den Bestimmungen der ZPO entsprochen.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Rekurs der Beklagten ist zulässig (§ 24 Abs 2 JN), aber nicht berechtigt.

Gemäß § 19 Z 2 JN kann ein Richter in bürgerlichen Rechtssachen abgelehnt werden, wenn ein zureichender Grund vorliegt, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Richter dann als befangen anzusehen, wenn Umstände vorliegen, die es nach objektiver Prüfung und Beurteilung rechtfertigen, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Das Wesen der Befangenheit besteht in der Hemmung einer unparteiischen Entschließung durch unsachliche psychologische Motive. Es genügt, daß eine solche Befangenheit mit Grund befürchtet werden muß (JBl 1990, 122 mt weiteren Nachweisen; RZ 1984/81; SZ 43/104 ua; Fasching I, 200 und Lehrbuch2 Rz 164), wenn mit Rücksicht auf die gegebenen Verhältnisse die Besorgnis nicht von der Hand zu weisen ist, daß bei seiner Entscheidung andere als rein sachliche Erwägungen eine Rolle spielen könnten (JBl 1990, 122 ua). Das Vertreten einer, sei es auch in der Rechtsprechung abgelehnten, Rechtsmeinung bildet im allgemeinen keinen Ablehnungsgrund. Selbst Verfahrensverstöße begründen im allgemeinen keine Befangenheit. Nur bei schwerwiegenden Verstößen gegen Verfahrensgrundsätze, insbesondere bei auffallender und damit bedenklicher Verletzung von Rechtsgrundsätzen - etwa des Schutzes des Parteiengehörs - , die die Objektivität des Richters mit Grund bezweifeln lassen, wird sich die Ablehnung als berechtigt erweisen (RZ 1989/110 mwN). Von solchen Verstößen kann hier aber keine Rede sein.

Das Berufungsgericht hat das Recht und die Pflicht, bei Bekämpfung der Beweiswürdigung des Erstgerichtes und entsprechenden Bedenken dagegen die bereits in erster Instanz erfolgte Beweisaufnahme zu wiederholen (§ 488 Abs 1 ZPO), wobei es sich mit der Verlesung der Aussagen in erster Instanz unter den in § 488 Abs 4 ZPO genannten Voraussetzungen begnügen darf. Diesen Bestimmungen hat das Berufungsgericht, wie sich aus dem nicht weiter strittigen Protokoll über die Berufungsverhandlung ergibt, entsprochen. Die Beklagten behaupten zwar nunmehr im Rekurs, daß ihr Parteienvertreter nach der Berufungsverhandlung vom 20.4.1994 "einen nicht namentlich nachzuvollziehenden Hinweis über den Ablauf der Beratung der Berufungsverhandlung" erhalten habe. Es bleibt jedoch unklar, was die Rekurswerber damit meinen und welchen Vorwurf sie damit erheben wollen.

Der gesamte Akteninhalt spricht gegen die Argumentation der Beklagten, daß der zur Entscheidung über die Berufung zuständige Senat des Gerichtshofes zweiter Instanz willkürlich einen Vorwand gesucht habe, um eine Beweiswiederholung durchzuführen. Bei Billigung des eigenen Prozeßstandpunktes der Beklagten, daß das Mietverhältnis den Bestimmungen des MRG (oder MG) zu unterstellen und durch die Zwangsversteigerung unberührt aufrecht geblieben sei, stellt sich die (auch von beiden Parteien im gesamten bisherigen Verfahren als entscheidungswesentlich angesehene) Frage, ob überhaupt ein wirksamer Mietvertrag geschlossen wurde. Der hiezu vom Erstgericht festgestellte Sachverhalt wurde in der Berufung des Klägers als Ergebnis einer unrichtigen Beweiswürdigung bekämpft, wenn auch die diesbezüglichen Ausführungen mit "mangelhafte Feststellung" und "unrichtige rechtliche Beurteilung" überschrieben sind. Abgesehen davon, daß in der Einleitung der Berufung ausdrücklich der Berufungsgrund der unrichtigen Beweiswürdigung angeführt ist, kommt es für die Überprüfungsbefugnis des Rechtsmittelgerichtes nicht auf die Bezeichnung des Rechtsmittelgrundes, sondern auf den Inhalt der Rechtsmittelausführungen an.

Ein Eingehen auf die im Ablehnungsantrag und im Rekurs anklingende Rechtsfrage, ob auch bei Richtigkeit des Sachverhaltsvorbringens des Klägers vom Vorliegen eines rechtswirksamen, den Kündigungsschutzbestimmungen unterliegenden Mietvertrages auszugehen ist, verbietet sich bei der hier zu fällenden Entscheidung, weil es nicht Aufgabe des zur Beurteilung eines aus der richterlichen Entscheidung abgeleiteten Ablehnungsantrages berufenen gerichtlichen Organes ist, die Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen (RZ 1989/110). Eine Befangenheit des Vorsitzenden und der weiteren Mitglieder des Senates 3 des Oberlandesgerichtes Innsbruck kann aus den aufgezeigten Gründen nicht angenommen werden, sodaß der Ablehnungssenat des Oberlandesgerichtes Innsbruck den Antrag der Beklagten zutreffend als nicht gerechtfertigt angesehen hat.

Dem Rekurs war daher nicht Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Rekurskosten gründet sich auf die §§ 40 und 50 ZPO.

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