Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben.
Dem Erstgericht wird eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Aufgrund des von den betreibenden Parteien vorgelegten mit der Bestätigung der Rechtskraft und der sofortigen Vollstreckbarkeit versehenen Urteiles des Rayonsgerichtes in Lodz vom 26.6.1992, Zl XIII RC 1701/91, nach welchem der Verpflichtete anstelle der bisherigen Unterhaltsverpflichtung von monatlich 400.000 Zloty je Kind aufgrund des Urteiles desselben Gerichtes vom 11.12.1989 ab 3.4.1992 zur Zahlung von monatlich 1,000.000 Zloty je Kind mit gesetzlichen Zinsen von 80 % p.a. verpflichtet wurde, bewilligte das Erstgericht den betreibenden Parteien die Fahrnis- und Gehaltsexekution gemäß § 294a EO. Im Vollstreckungsantrag wurde darauf hingewiesen, daß der Verpflichtete über die Gerichtsverhandlung beim polnischen Gericht "rechtsgemäß" benachrichtigt worden sei und in einer handgeschriebenen Eingabe vom 27.5.1992 gegen die Klage Argumente vorgebracht habe, welche das erkennende polnische Gericht in Erwägung gezogen habe. Außerdem wurde die Kopie eines Übernahmescheines der österreichischen Post- und Telegraphenverwaltung vorgelegt, aus dem hervorgeht, daß am 6.4.1992 eine an den Verpflichteten adressierte Sendung von einem Mitarbeiter der Firma H***** in L***** (für den Verpflichteten) übernommen wurde.
Der Verpflichtete erhob gegen die Exekutionsbewilligung Rekurs und Widerspruch und führte darin im wesentlichen aus, daß ihm zwar die Klage in Österreich zugestellt worden sei, nicht jedoch das den Exekutionstitel darstellende Urteil, so daß dieses mangels Beginns der Rechtsmittel- und Leistungsfrist weder Wirksamkeit noch Rechtskraft erlangt habe.
Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs des Verpflichteten nicht Folge und sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Die Bestimmungen der §§ 79 ff EO über die Exekution aufgrund im Ausland errichteter Akte und Urkunden kämen gemäß § 84 EO nicht zur Anwendung, weil im bilateralen Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Volksrepublik Polen vom 11.12.1963 über die wechselseitigen Beziehungen in bürgerlichen Rechtssachen und über Urkundenwesen, kundgemacht in BGBl 1974/79 (in der Folge: Abkommen) folgende Regelungen über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen enthalten seien:
Gemäß Art 48 Abs 1 des Abkommens sind Entscheidungen der Gerichte eines der Vertragsstaaten, die in personen- und familienrechtlichen und damit zusammenhängenden vermögensrechtlichen Angelegenheiten im streitigen oder außerstreitigen Verfahren gefällt worden sind, im anderen Vertragsstaat anzuerkennen, wenn sie folgenden Voraussetzungen entsprechen:
a) die Gerichte des Entscheidungsstaates müssen (im Sinne des Abkommens) zuständig gewesen sein;
b) die Entscheidung muß in Rechtskraft erwachsen sein; und
c) die Rechte der Verteidigung müssen gewahrt worden sein, insbesondere müssen die Parteien gesetzmäßig vertreten gewesen oder als säumig behandelt worden sein; diese Voraussetzung wird als nicht erfüllt angesehen, wenn im Fall einer in Abwesenheit einer Partei gefällten Entscheidung diese dem Gericht, bei dem die Entscheidung geltend gemacht wird, beweist, daß sie von dem Verfahren tatsächlich nicht zeitgerecht Kenntnis erhalten haben konnte, um sich daran zu beteiligen.
Die Zuständigkeit des polnischen Gerichtes werde nicht in Zweifel gezogen; die Rechtskraft des Exekutionstitels ergebe sich aus dem Vermerk im vorgelegten Urteil. Aber auch die Rechte der Verteidigung des Verpflichteten seien gewahrt worden, weil er sich mit einer im Verfahren berücksichtigten Eingabe am ausländischen Verfahren beteiligt habe.
Gemäß Art 51 des Abkommens sind Entscheidungen der Gerichte eines der Vertragsstaaten im anderen Vertragsstaat zu vollstrecken, wenn sie
a) eine der im Art 48 Abs 1 bezeichneten vermögensrechtlichen Angelegenheiten betreffen;
b) gemäß Art 48 bis 50 (die Art 49 und 50 kämen hier nicht zur Anwendung) anzuerkennen sind; und
c) in dem Vertragsstaat, in dem sie gefällt worden sind, vollstreckbar sind.
Alle diese Umstände träfen nach den dargelegten Bestimmungen des Abkommens und den vorgelegten Urkunden enthaltenen Beurkundungen zu. Dafür, daß Versagungsgründe nach Abs 2 des Art 48 vorliegen, fehlten jegliche Hinweise. Wenn in lit a des 2.Absatzes geregelt werde, daß dann die Anerkennung einer Entscheidung zu versagen sei, wenn die Entscheidung die Grundsätze der Gesetzgebung des Vertragsstaates, in dem sie geltend gemacht wird, verletzt, seien damit lediglich materiell-rechtliche Rechtsgrundsätze gemeint. Solche seien aber offenbar nicht verletzt worden.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen die rekursgerichtliche Entscheidung erhobene Revisionsrekurs des Verpflichteten ist berechtigt.
Soweit im Revisionsrekurs behauptet wird, neben den Bestimmungen des Vertrages vom 11.Dezember 1963 sei auch zu prüfen, ob nicht weitere Versagungsgründe nach autonomem österreichischen Recht vorlägen, kann dem nicht gefolgt werden. Für die Beurteilung der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Titel gilt ganz allgemein der Vorrang der wirksamsten, das ist der anerkennungsfreundlichsten Regelung (3 Ob 117/93 unter Hinweis auf Hoyer-Loewe in Heller-Berger-Stix 784 = Jus-extra 1994/1497; vgl Gottwald in Münchener Kommentar ZPO, Rz 12 zu § 328 dZPO; Mayoros in RabelsZ 1982, 95). Ganz abgesehen davon, daß sich aus Art 63 des Vertrages ergibt, daß die autonomen Rechtsvorschriften Österreichs und Polens nur subsidiär gelten, entspricht es einem allgemeinen Grundsatz, daß die vom autonomen Recht und die von einem Vertrag normierten Voraussetzungen für Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Titel je eine Einheit bilden, die nicht beliebig auseinandergerissen werden darf; es ist daher unzulässig derart vorzugehen, daß die Voraussetzungen für die Anerkennung oder deren Verweigerung teils dem einen, teils dem anderen Rechtsbereich entnommen werden (Matscher in JBl 1972, 359; derselbe in JBl 1977, 121; derselbe in ZZP 103, 311). Soweit die Anerkennung und Vollstreckung durch Staatsverträge geregelt ist (und dieser Vertrag wirksamer di. anerkennungsfreundlicher ist) geht der Staatsvertrag dem autonomen Recht vor (ÖBA 1990, 846; vgl Gottwald aaO; Rosenberg-Schwab-Gottwald, Zivilprozeßrecht15 942; Schumann in Stein-Jonas, ZPO20, Rz 41 zu § 328 dZPO; Hartmann in Baumbach ua ZPO52, 1117).
Im übrigen ist auf die ausführlichen und zutreffenden Darlegungen der Rechtslage (des österreichisch-polnischen Abkommens) in der angefochtenen Entscheidung zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO), denen im Revisionsrekurs vor allem insoweit entgegengetreten wird, als eine Verletzung des ordre public in der (angeblich) unterlassenen Zustellung des den Exekutionstitel darstellenden polnischen Urteils behauptet wird.
Soweit mit dieser Behauptung des Rechtsmittelwerbers die Rechtskraftbestätigung des ausländischen Gerichtes als unrichtig - weil vor der Zustellung der Entscheidung an den Verpflichteten (dortigen Beklagten) erfolgt - hingestellt wird, ist er auf die seinerzeitige Erledigung seines Widerspruches zu verweisen, in welchem diese Neuerung im Gegensatz zum vorliegenden Rekursverfahren berücksichtigt werden kann.
Ein Verstoß gegen den ordre public kann aber auch in der vom polnischen Gericht bestätigten vorläufigen (sofortigen) Vollstreckbarkeit des Unterhaltsurteiles nach Art 333 § 1 Abs 1 kpc (siehe Salustowicz in Unterhaltsrecht in Europa, Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht 187) nicht erblickt werden:
Gemäß Art 48 Abs 2 des Abkommens ist die Anerkennung einer Entscheidung auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des Abs 1 ua zu versagen, a) wenn die Entscheidung die Grundsätze der Gesetzgebung des Vertragsstaates, in dem sie geltend gemacht wird, verletzt. Diese Vertragsbestimmung sieht einen allgemeinen Vorbehalt zugunsten der Grundsätze der Gesetzgebung des anderen Vertragsstaates vor und berücksichtigt damit (wie auch die inländische Bestimmung des § 81 Z 4 EO) den ordre public dahin, daß die Anwendung von Bestimmungen des Vertrages nicht die Grundsätze der Rechtsordnung der Vertragsstaaten verletzt (389 BlgNR 10.GP 42). Nach herrschender Auffassung handelt es sich dabei um eine Ausnahmeregel, von der nur sehr sparsam Gebrauch gemacht werden darf: Eine Vollstreckung (oder Anerkennung) ist daher nur dann zu versagen, wenn dem Exekutionstitel mit der inländischen Rechtsordnung vollkommen unvereinbare ausländische Rechtsgedanken zugrunde liegen und daher die Vollstreckbarkeit des ausländischen Titels mit der inländischen Rechtsordnung völlig unvereinbar ist (RdW 1986, 114 mwN aus Lehre und Rechtsprechung). Wird nämlich in Betracht gezogen, daß etwa außerstreitige Unterhaltsentscheidungen (die dem vorliegenden Exekutionstitel vergleichbar sind) gemäß § 12 Abs 1 AußStrG regelmäßig sofort vollstreckbar sind und etwa nach § 61 ASGG selbst mit Berufung bekämpfte Urteile in bestimmten arbeitsrechtlichen Rechtsangelegenheiten vorläufig (sofort) vollstreckbar sind, so kann die dem vorliegenden Exekutionstitel nach den ausländischen Beurkundungen zukommende sofortige Vollstreckbarkeit nicht als wesentlicher Widerpruch oder gar Verstoß gegen die österreichische Rechtsordnung angesehen werden, die einen Verstoß gegen den ordre public im dargestellten Sinn bewirken könnte.
Allerdings haben die Vorinstanzen und die Parteien bislang Art 53 Abs 1 lit a) des Abkommens nicht beachtet: Darnach hat eine Partei, die sich in einem Vertragsstaat auf eine im anderen Vertragsstaat gefällte Entscheidung zum Zweck ihrer Anerkennung oder Vollstreckung beruft, eine Ausfertigung der Entscheidung samt Begründung, sofern eine solche nach dem Recht des Vertragsstaates, in dem die Entscheidung ergangen ist, erforderlich ist; falls nach diesem Recht keine Begründung erforderlich ist, eine hierüber ausgestellte Bestätigung des Gerichtes, das die Entscheidung gefällt hat, vorzulegen.
Die von den betreibenden Parteien im Original und beglaubigter deutscher Übersetzung vorgelegte, zu vollstreckende Entscheidung (Blg H) enthält indes nur die Bezeichnung des erkennenden Gerichtes und der Rechtssache sowie den Urteilsspruch, nicht hingegen eine Begründung oder eine Bestätigung, daß nach polnischem Recht keine Begründung erforderlich sei. Die im Art 53 Abs 1 lit a) des Abkommens enthaltenen, oben dargestellten Anforderungen an ausländische Entscheidungen sind unabdingbare materiellrechtliche Voraussetzungen für eine positive Erledigung des Vollstreckungsgesuches. Da sich die Notwendigkeit, eine Urkunde in bestimmter Form (Entscheidung samt Begründung) oder eine bestimmte Urkunde (die dargestellte Bestätigung) vorzulegen, aus dem im Gesetzesrang stehenden Abkommen ergibt, ist dieser Mangel des Exekutionsantrages verbesserungsfähig (vgl JBl 1989, 121 ua). Dies erfordert die Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen zur Ermöglichung des genannten Verbesserungsverfahrens.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 78 EO, 52 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)