OGH 3Ob117/93

OGH3Ob117/9320.10.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger, Dr.Angst, Dr.Graf und Dr.Gerstenecker als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei K***** GmbH, Siezenheim 171, vertreten durch Dr.Volkmar Schicker, Rechtsanwalt in Wien, wider die verpflichtete Partei D*****, vertreten durch Dr.Richard Kaan u.a., Rechtsanwälte in Graz, wegen 4,000.000 S sA, infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz als Rekursgerichtes vom 30. April 1993, GZ 4 R 746/92-40, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Bad Radkersburg vom 25. November 1992, GZ E 237/89-33, abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die verpflichtete Partei hat die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen.

Die Kosten der betreibenden Partei werden für den Revisionsrekurs mit 28.519,20 S (darin 4.753,20 S Umsatzsteuer) als weitere Exekutionskosten bestimmt.

Text

Begründung

Der betreibenden Partei wurde vom Landesgericht für ZRS Wien gegen die verpflichtete Partei, die ihren Sitz in der Republik Slowenien hat, auf Grund des Schiedsspruches der Außenhandelsarbitrage bei der Wirtschaftskammer Jugoslawien in Belgrad vom 7.Juli 1988 zur Hereinbringung der Forderung von 4,000.000 S sA die Exekution durch Pfändung von Geschäftsanteilen an zwei Gesellschaften mit beschränkter Haftung bewilligt. Die Exekution wird vom Erstgericht vollzogen, soweit sie die in seinem Sprengel gelegene Gesellschaft betrifft.

Die verpflichtete Partei erhob am 26.September 1988 bei einem nunmehr im Hoheitsgebiet der Republik Slowenien gelegenen Gericht die Klage auf Aufhebung des den Exekutionstitel bildenden Schiedsspruchs. Nachdem die Klage von diesem Gericht und von dem ihm übergeordneten Berufungsgericht abgewiesen worden war, hob das Oberste Gericht der Republik Slowenien den Schiedsspruch mit Urteil vom 3.Juli 1992 in den hier bedeutsamen Teilen auf. Die Entscheidung wurde im wesentlichen damit begründet, daß Rechtsgrundlage für die Anfechtung des Schiedsspruchs die Bestimmungen des Europäischen Übereinkommens über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit seien. Nach diesem Übereinkommen bilde es einen Anfechtungsgrund, wenn durch den Schiedsspruch die öffentliche Ordnung des Landes verletzt werde, in dem er erlassen wurde. Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag habe für die beklagte (das ist die hier betreibende) Partei eine wenn schon nicht monopolartige, so doch privilegierte Stellung auf dem Markt geschaffen. Damit sei aber gegen Art 255 der damals geltenden Verfassung der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien verstoßen und deshalb die öffentliche Ordnung dieses Landes verletzt worden.

Die verpflichtete Partei beantragte auf Grund dieses Urteils des Obersten Gerichts der Republik Slowenien die Einstellung der Exekution gemäß § 39 Abs 1 Z 1 EO.

Das Erstgericht wies den Einstellungsantrag ab. Die Republik Österreich habe zwar am 5.Jänner 1992 die Republik Slowenien als unabhängigen Staat anerkannt. Die rechtlichen Auswirkungen dieser Anerkennung seien jedoch derzeit noch völlig ungeklärt, weshalb vorläufig davon auszugehen sei, daß die Entscheidung des Obersten Gerichts der Republik Slowenien in Österreich keine Rechtswirkungen habe.

Das Rekursgericht stellte infolge Rekurses der verpflichteten Partei die Exekution ein und sprach aus, daß der Revisionsrekurs zulässig sei. Das Urteil des Obersten Gerichts der Republik Slowenien sei nach der Anerkennung dieses Staates durch Österreich gefällt worden und daher als Entscheidung eines souveränen Staates grundsätzlich auch für Österreich beachtlich. Hier sei das Abkommen vom 18.März 1960 zwischen der Republik Österreich und der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über die gegenseitige Anerkennung von Schiedssprüchen und Schiedsvergleichen in Handelssachen, BGBl 1961/115, anzuwenden, weil es gegenüber dem Europäischen Übereinkommen vom 21.April 1961 über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit, BGBl 1964/107, die speziellere Norm sei und auch gegenüber Slowenien Gültigkeit habe. Gemäß Art 6 dieses Abkommens richte sich das Vollstreckungsverfahren nach der Rechtsordnung des vertragsschließenden Staates, in dem die Vollstreckung durchzuführen ist. Die Auswirkungen der erfolgreichen Anfechtung des den Exekutionstitel bildenden Schiedsspruches seien daher nach österreichischem Recht zu beurteilen. Nach österreichischem Recht bewirke aber die Aufhebung des Schiedsspruchs den Wegfall des Exekutionstitels, weshalb der Einstellungsgrund des § 39 Abs 1 Z 1 EO gegeben sei. Davon abgesehen wäre die Vollstreckbarkeit auch gemäß Art IX Abs 1 lit c des Europäischen Übereinkommens weggefallen, weil ein den ordre public verletzender Schiedsspruch schon kraft Gesetzes als die Grenzen einer zulässigen (zusinnbaren) und wirksamen Schiedsabrede überschreitend zu werten sei. Durch die Exekutionsbewilligung sei über den im Aufhebungsurteil angenommenen Verstoß gegen den ordre public nicht mit Rechtskraftwirkung abgesprochen worden.

Rechtliche Beurteilung

Der von der betreibenden Partei gegen diesen Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs ist berechtigt.

Für die hier zu treffende Entscheidung sind zwei zwischenstaatliche Übereinkommen von Bedeutung: zum einen das Abkommen vom 18.März 1960 zwischen der Republik Österreich und der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen und Schiedsvergleichen in Handelssachen, BGBl 1961/115 (im folgenden "Vollstreckungsabkommen" genannt), und zum anderen das Europäische Übereinkommen vom 21.April 1961 über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit, BGBl 1964/107 (im folgenden "Europäisches Übereinkommen" genannt). Vertragsstaat dieses Übereinkommens war neben Österreich auch die Föderative Volksrepublik Jugoslawien (vgl. BGBl 1964/107). Das Vollstreckungsabkommen wird zwischen Österreich und Slowenien "pragmatisch" angewendet (Tichy in Österreichische Zeitschrift für öffentliches Recht und Völkerrecht 1992, 134 f; RV 734 BlgNR 18. GP, 12; vgl. ferner die das vergleichbare Verhältnis zu Kroatien betreffende Entscheidung RdW 1993, 149, sowie nunmehr den Staatsvertrag über den Notenwechsel zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien betreffend die Weiteranwendung bestimmter österreichisch-jugoslawischer Staatsverträge, BGBl 1993/714, Punkt 2 mit Wirksamkeit 1. November 1993). Da dies bei multilateralen Abkommen nicht in Betracht kommt (Tichy aaO 125) und die Abgabe einer Erklärung der Republik Slowenien, daß sich diese an das Europäische Übereinkommen gebunden fühlt ("Kontinuitätserklärung"), im Bundesgesetzblatt nicht verlautbart worden war, hat der Oberste Gerichtshof hiezu in sinngemäßer Anwendung des § 4 Abs 1 IPRG die Auskunft des Bundesministeriums für Justiz eingeholt. Dieses teilte mit, daß die Republik Slowenien am 6.Juli 1992 die - im Bundesgesetzblatt noch nicht verlautbarte aber gemäß § 2 Abs 1 lit b BGBlG kundzumachende (Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts7, Rz 236) - Kontinuitätserklärung zum Europäischen Übereinkommen mit Wirkung vom 25.Juni 1991 beim Generalsekretär der Vereinten Nationen (Art X Pkt. 5 des Europäischen Übereinkommens) hinterlegt und damit abgegeben hat. Das BG über das Bundesgesetzblatt geht insofern über die Bestimmungen der Art 49,50 B-VG hinaus; nur für die im Bundesverfassungsgesetz genannten Staatsverträge beginnt ihre innerstaatliche Wirksamkeit, wenn nichts anderes bestimmt ist, nach Ablauf des Tages an dem das Bundesgesetzblatt versendet wird. Der Kundmachung von Beitrittserklärungen zu multilateralen Verträgen kommt daher keine konstitutive Wirkung zu, haben doch die österreichischen Gesetzgebungsorgane durch Ratifizierung des Europäischen Abkommens jedem Staat, der die Voraussetzungen nach Art X des Übereinkommens erfüllt, die Möglichkeit zum Beitritt erklärt. Slowenien ist Mitglied der Europäischen Wirtschaftskommission (Economic Commission for Europe - ECE; siehe Fischer Weltalmanach 1994, Sp 863). Slowenien ist daher als Vertragsstaat des Europäischen Übereinkommens anzusehen, wobei dies infolge der rückwirkend abgegebenen Erklärung schon für die Zeit zutrifft, in der die hier zu beurteilende Entscheidung des Obersten Gerichts der Republik Slowenien erging. Es gilt daher im Verhältnis zu Österreich auch der Art IX dieses Übereinkommens, worin die Versagung der Anerkennung und Vollstreckung eines Schiedsspruchs, der in einem Vertragsstaat aufgehoben worden ist, geregelt wird. Die Anwendung dieser Bestimmung ist entgegen der im Rekurs der verpflichteten Partei vertretenen Auffassung nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil auch Art 2 des Vollstreckungsabkommens eine Regelung darüber enthält, unter welchen Voraussetzungen die Anerkennung und Vollstreckung eines Schiedsspruchs zu versagen ist. Gemäß Art 8 des Vollstreckungsabkommens werden nämlich die Bestimmungen anderer zwischenstaatlicher Abkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen und Schiedsvergleichen durch das Vollstreckungsabkommen nicht berührt. Dies bedeutet, daß die Abkommen nebeneinander bestehen (vgl Neuteufel in ÖJZ 1967, 231). Der Verpflichtete kann die Vollstreckung daher nur abwehren, wenn nach jedem der Verträge ein Versagungsgrund gegeben ist (Hoyer-Loewe in Heller-Berger-Stix I 784, FN 45).

Die im Rekurs der verpflichteten Partei vertretene Ansicht, daß Art 8 des Vollstreckungsabkommens nicht zum Tragen komme, weil es sich beim Europäischen Übereinkommen um kein "Abkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen und Schiedsvergleichen" handle, überzeugt nicht. Entscheidend ist nämlich nicht der Titel, sondern der Inhalt, wobei es ausreicht, daß nur eine oder nur einzelne Bestimmungen die Anerkennung oder Vollstreckung von Schiedssprüchen oder Schiedsvergleichen zum Gegenstand haben. Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang ferner, daß im Art 3 des Vollstreckungsabkommens die Aufschiebung der Vollstreckung vorgesehen ist, wenn ein Grund glaubhaft gemacht wird, der die Anfechtung des Schiedsspruchs wegen Unwirksamkeit rechtfertigt. Dies ändert nichts an der Regelung des Art 8 des Vollstreckungsabkommens, wonach die Bestimmungen anderer die Vollstreckung von Schiedssprüchen oder Schiedsvergleichen regelnder Abkommen unberührt bleiben. Dabei kommt es entgegen der Meinung des Rekursgerichtes nicht darauf an, ob das Vollstreckungsabkommen im Verhältnis zu diesen Abkommen die "lex specialis" ist oder nicht.

Ist ein unter das Europäische Übereinkommen fallender Schiedsspruch - wie hier - in einem Vertragsstaat aufgehoben worden, so bildet dies gemäß dem demnach anzuwendenden Art IX dieses Übereinkommens nur dann einen Grund für die Versagung der Anerkennung oder der Vollstreckung, wenn die Aufhebung in dem Staat, in dem oder nach dessen Recht der Schiedsspruch ergangen ist, ausgesprochen wurde und sie auf einem der im folgenden näher bezeichneten Gründe beruht (Abs 1 des Art IX). Hier ist schon zweifelhaft, ob die Aufhebung in dem Staat ausgesprochen wurde, in dem oder nach dessen Recht der Schiedsspruch ergangen ist, weil es sich in beiden Fällen um die Föderative Volksrepublik Jugoslawien handelte und die Republik Slowenien nicht Nachfolgestaat dieses Staates ist. Dies muß hier aber nicht entschieden werden, weil zu den im Art IX Abs 1 des Europäischen Übereinkommens - erschöpfend - aufgezählten, die Versagung der Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruches rechtfertigenden Gründen schon bei wörtlicher Auslegung die Aufhebung des Schiedsspruches wegen Verletzung des ordre public des Vertragsstaates, in dem er ergangen ist, nicht gehört. Insbesondere kann dieser Umstand entgegen der Meinung des Rekursgerichtes nicht dem Tatbestand der lit c des Abs 1 unterstellt werden, wonach die Aufhebung anzuerkennen ist, wenn der Schiedsspruch eine Streitigkeit betrifft, die in der Schiedsabrede nicht erwähnt ist oder nicht unter die Bestimmungen der Schiedsklausel fällt, oder wenn er Entscheidungen enthält, welche die Grenzen der Schiedsabrede oder der Schiedsklausel überschreiten. Die Verletzung des ordre public hat nichts mit der Schiedsabrede oder Schiedsklausel zu tun. Während diese die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des schiedsgerichtlichen Verfahrens bilden, betrifft die Verletzung des ordre public den Inhalt des Schiedsspruches.

Überdies hat Klein (in ZZP 1963, 351 ff) unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte überzeugend dargelegt, daß die Verletzung des ordre public im Ursprungsland gerade nicht zu den Gründen gehört, denen Rechnung zu tragen ist (so auch Schlosser in Stein-Jonas, ZPO20 Anh § 1044, Rz 134). Er hat zutreffend darauf hingewiesen, daß dies die Aufnahme des Abs 2 in den Art IX des Europäischen Abkommens erklärt, weil damit die Einschränkung auch gegenüber Vertragsstaaten Wirksamkeit erlangen sollte, die sowohl dem Europäischen Übereinkommen als auch dem sogenannten New-Yorker Übereinkommen (Übereinkommen über die Anerkennung oder Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche, BGBl 1961/200) angehören. Es ist daher ohne Bedeutung, daß dies sowohl auf Österreich als infolge der hiezu abgegebenen Kontinuitätserklärung (vgl.BGBl 1992/781 idF BGBl 1993/290) auch auf Slowenien zutrifft und daß in diesem Abkommen die Gründe für die Versagung der Anerkennung oder Vollstreckung eines Schiedsspruches weiter als im Europäischen Abkommen gefaßt sind. Gemäß Art IX Abs 2 dieses Übereinkommens hat Abs 1 dieser Bestimmung nämlich die Wirkung, die Anwendung des Art V Abs 1 lit e des New-Yorker Übereinkommens, in dem die Aufhebung des Schiedsspruchs ohne Einschränkung als Versagungsgrund festgelegt wird, auf die Aufhebungsgründe zu beschränken, die im Art IX Abs 1 des Europäischen Übereinkommens aufgezählt sind. Dazu gehört aber die Verletzung des ordre public im Ursprungsland eben nicht.

Die Aufhebung des hier den Exekutionstitel bildenden Schiedsspruchs bildet somit zufolge Art IX des Europäischen Übereinkommens keinen Grund für die Versagung der Vollstreckung. Da es nach dem Gesagten nicht ausreichen würde, wenn dies nach dem Vollstreckungsabkommen der Fall wäre, muß auf die Ausführungen, die hiezu im Rekurs der verpflichteten Partei enthalten sind, nicht eingegangen werden.

Aus all dem folgt, daß aus dem von der verpflichteten Partei geltend gemachten Sachverhalt kein Grund für die Einstellung der Exekution abzuleiten ist, weshalb das Erstgericht ihren Einstellungsantrag im Ergebnis zu Recht abgewiesen hat und sein Beschluß wiederherzustellen war.

Der Ausspruch über die Kosten des Rekurses der verpflichteten Partei beruht auf § 78 EO iVm §§ 40 und 50 ZPO, jener über die Kosten des Revisionsrekurses der betreibenden Partei auf § 74 EO.

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