OGH 3Ob547/94

OGH3Ob547/9428.6.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Gerstenecker und Dr.Pimmer als weitere Richter in der Pflegschaftssache der am 10. April 1981 geborenen Katharina B*****, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung, Wien 9, Alserstraße 41, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Vaters Helmut L*****, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 28. Feber 1994, GZ 44 R 105/94-127, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Schwechat vom 7.Dezember 1993, GZ P 143/87-122, abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. Dem Rekursgericht wird die neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen.

Text

Begründung

Der Vater des am 10.4.1981 geborenen Kindes ist aufgrund des Beschlusses des Erstgerichtes vom 8.6.1990 verpflichtet, dem Kind einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 950 zu bezahlen.

Das unterhaltsberechtigte Kind stellte am 31.7.1990 den Antrag, den Vater ab 1.8.1990 zur Bezahlung eines monatlichen Unterhaltsbetrages von S 2.000 zu verpflichten. Zur Zeit der über die Unterhaltspflicht des Vaters ergangenen Beschlusses habe der Vater nur einen Pensionsvorschuß von S 6.378 (monatlich) bezogen. Nunmehr sei sein Antrag auf Zuerkennung der Invaliditätspension abgewiesen worden. Es sei ihm zuzumuten, in seinem Beruf als Elektroinstallateur zu arbeiten. Er könne dadurch ein monatliches Einkommen von zumindest S 15.000 erzielen.

Der Vater wendete ein, daß er zu 60 % (gemeint: im Sinn des Behinderteneinstellungsgesetzes BGBl 1988/721) behindert sei und seinen Beruf nicht mehr ausüben könne. Seine Ehefrau beziehe nur Karenzgeld und er sei noch für ein "weiteres", am 24.6.1990 geborenes Kind sorgepflichtig.

Das Erstgericht, das in der Zeit vom 9.4.1991 bis 5.8.1993 in der Frage der Unterhaltserhöhung untätig geblieben war, wies den Unterhaltserhöhungsantrag ab. Es stellt nach Einholung einer Auskunft des Arbeitsamtes Berufliche Rehabilitation im wesentlichen folgendes fest:

Der Vater ist seit 24.9.1990 bei dem angeführten Arbeitsamt als arbeitslos gemeldet. Seither werden laufend Vermittlungsversuche durchgeführt. Die vorgegebenen Beratungstermine werden eingehalten. Der Vater ist (gemeint: im Sinn des Behinderteneinstellungsgesetzes BGBl 1988/721) zu 50 % behindert. Er ist nunmehr auch für eine am 25.2.1992 geborene Tochter sorgepflichtig. Seine Ehefrau bezieht weiterhin Karenzgeld. Er selbst bezog die Notstandhilfe, die monatlich im Durchschnitt 1990 S 5.760, 1991 S 7.555, 1992 S 8.365, und 1993 S 9.453 betrug.

Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung der Sache führte das Erstgericht aus, daß es dem Vater mit dem festgestellten Einkommen nicht möglich sei, einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 2.000 zu bezahlen. Wegen seiner Behinderung sei es ihm auch nicht möglich, ein Arbeitsverhältnis einzugehen, das ihm ein entsprechendes Einkommen sichern würde.

Das Rekursgericht gab infolge Rekurses des Kindes dem Unterhaltserhöhungsantrag statt und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Es stellte im Jahr 1994 aufgrund des Urteils des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 5.9.1989 das im Verfahren über den Antrag des Vaters auf Zuerkennung der Invaliditätspension erging, fest, daß der Vater imstande sei, alle leichten und mittelschweren Arbeiten in jeder Lage bei den normalen Arbeitszeiten und mit den üblichen Unterbrechungen zu verrichten, daß als Einschränkung nur die Notwendigkeit eines Diätessen besteht, das auch zum Arbeitsplatz mitgebracht werden kann, und daß der Vater aufgrund seines körperlichen Zustands in der Lage ist, weiterhin seinen erlernten Beruf als Elektroinstallateur auszuüben.

Rechtlich war das Rekursgericht der Meinung, daß der Vater des Kindes seit August 1990 in seinem Beruf als Elektroinstallateur monatlich durchschnittlich etwa S 13.000,- verdienen hätte können. Das zuständige Arbeitsamt habe auch mitgeteilt, daß zwar laufend Versuche durchgeführt werden, dem Vater einen Arbeitsplatz zu vermitteln, daß es aber "vermutlich aufgrund seiner Persönlichkeit ....... bisher zu keiner konkreten Arbeitsaufnahme gekommen sein" dürfte. Aus der Stellungnahme des Arbeitsamtes ergeben sich daher keinerlei Hinweise darauf, daß es dem Vater nicht möglich wäre, einen seiner Ausbildung entsprechenden Arbeitsplatz zu finden. Das Kind habe im Jahre 1990 aufgrund seines Alters einen Unterhaltsanspruch von 18 % des vom Vater erzielbaren monatlichen Einkommens von S 13.000 gehabt. Hievon seien für das im Jahr 1990 geborene Kind 1 % und für die Karenzgeld beziehende Ehefrau 2 % abzuziehen. Der verbleibende Unterhaltsanspruch von 15 % ergebe eine gerundete Unterhaltsverpflichtung von S 2.000. Ab 1992 sei zwar eine weitere Sorgepflicht für das in diesem Jahr geborene Kind zu berücksichtigen, es habe sich aber der Unterhaltsanspruch des Kindes, das den Unterhaltserhöhungsantrag gestellt habe, aufgrund des Alters unter Berücksichtigung der Sorgepflichten des Vaters für zwei weitere Kinder und für seine Ehegattin auf 16 % erhöht, weshalb selbst dann, wenn man die Bemessungsgrundlage nicht erhöhe, ein monatlicher Unterhaltsbetrag von S 2.000 gerechtfertigt sei.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Vater gegen diesen Beschluß des Rekursgerichtes erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht in einem wesentlichen Punkt von einer unrichtigen Entscheidungsgrundlage ausgegangen ist; er ist auch berechtigt.

Der Revisionsrekurswerber wies in seinem Rechtsmittel mit Recht daraufhin, daß er nach dem Akteninhalt außer für das Kind, dessen Unterhaltsanspruch zu beurteilen ist, nicht bloß, wie dies das Rekursgericht angenommen hat, für zwei, sondern insgesamt für drei weitere Kinder sorgepflichtig ist, und zwar für einen am 1.7.1989 geborenen Sohn, für einen am 24.6.1990 geborenen Sohn und für eine am 25.2.1992 geborene Tochter. Er hat die Geburt aller drei Kinder dem Erstgericht bekanntgegeben. Bei dem ersten Sohn, auf den das Rekursgericht nicht Bedacht genommen hat, geschah dies mit dem Schreiben vom 10.12.1989 (ON 67 des erstgerichtlichen Aktes). Auf die Sorgepflicht für den am 1.7.1989 geborenen Sohn nahm das Erstgericht in seinem Beschluß vom 8.6.1990, ON 83 Bedacht. Die Entscheidung des Rekursgerichtes ist nicht zu entnehmen, warum es dem Vorbringen des Vaters in diesem Punkt nicht gefolgt ist.

Aber selbst wenn man von der weiteren Sorgepflicht des Revisionsrekurswerbers ausgeht, ist die Sache noch nicht zur Entscheidung reif. Nach der nunmehr herrschenden, auch im Schrifttum gebilligten Rechtsprechung der Gerichte zweiter Instanz darf nämlich der Unterhaltsschuldner auf ein von ihm tatsächlich nicht erzieltes Einkommen nur dann angespannt werden, wenn ihn ein Verschulden, also zumindest leichte Fahrlässigkeit daran trifft, daß er keine Erwerbstätigkeit ausübt (ao ausführlich LGZ Wien EF Bd 17/13; aus jüngerer Zeit etwa EF 53.305 und 45.087; KG Krems EF 58.917; Schlemmer/Schwimann in Schwimann, ABGB Rz 40 zu § 140, aM allerdings LGZ Wien EF 65.166 ua). Der erkennende Senat, der schon in seiner Entscheidung 3 Ob 607/90 davon ausgegangen ist, daß die Arbeitslosigkeit verschuldet sein müsse, hält an dieser Rechtsansicht weiter fest. Der vom Rekursgericht seiner Entscheidung zugrundegelegte Sachverhalt reicht aber nicht aus, um beurteilen zu können, ob es dem Revisionsrekurswerber als Verschulden anzulasten ist, daß er keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Während das Erstgericht - wenn auch bloß im Rahmen der rechtlichen Beurteilung - davon ausgegangen ist, daß es dem Revisionsrekurswerber wegen seiner Behinderung nicht möglich sei, einen Arbeitsplatz zu bekommen, hat das Rekursgericht unter Hinweis auf die Auskunft des für den Revisionsrekurswerber zuständigen Arbeitsamtes, wonach es bei ihm "vermutlich aufgrund seiner Persönlichkeit" nicht zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses gekommen sei, angenommen, daß er imstande wäre, einen Arbeitsplatz zu finden. Selbst wenn man diese Ausführung als Tatsachenfeststellungen ansieht, sind sie aber ungenügend, weil auch ein in der Persönlichkeit des Unterhaltsschuldners gelegener Grund ein Umstand sein kann, der die Annahme ausschließt, es sei ihm als Verschulden anzulasten, daß er keine Erwerbstätigkeit ausübt. Im fortzusetzenden Verfahren werden daher auch die Gründe näher zu klären und festzustellen sein, warum es dem Revisionsrekurswerber trotz allfälliger Vermittlungsversuche des für ihn zuständigen Arbeitsamtes und der von ihm darüberhinaus zu verlangenden (vgl EF 65.196; ÖA 1992, 55; ÖA 1991, 142 ua), von ihm auch behaupteten eigenen Versuche nicht gelungen ist, ein Arbeitsverhältnis einzugehen.

Die Entscheidung des Rekursgerichtes mußte daher zur Ergänzung des Verfahrens aufgehoben werden; diese Ergänzung hat, um weitere gravierende Verzögerungen hinanzuhalten, durch das Rekursgericht zu erfolgen.

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