OGH 1Ob543/94

OGH1Ob543/9422.6.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker und Dr. Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Arno R*****, 2. Ingrid R*****, beide vertreten durch Dr. Rudolf Breuer, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17, wegen DM 412.726,17 s.A., infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 18. Jänner 1994, GZ 12 R 247/93-10, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 12. Juni 1993, GZ 23 Cg 213/92-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit S 25.659,97 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Aufgrund des Versäumungsurteils des Handelsgerichtes Wien vom 4.6.1991 steht den Klägern gegen eine in einem Antillenstaat ansässige Bank eine vollstreckbare Forderung von DM 412.726,17 s.A. zu. Aufgrund dieses Versäumungsurteils bewilligte ihnen das Exekutionsgericht Wien mit Beschluß vom 4.9.1991 die Exekution durch Pfändung und Überweisung des Anspruchs der verpflichteten Partei gegen das Landesgericht für Strafsachen Wien auf Herausgabe der mit Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien bei der Verwahrstelle des Oberlandesgerichts Wien erlegten beweglichen Sachen aller Art sowie der in § 296 EO angeführten Wertpapiere und Einlagebücher sowie durch Verwahrung und Verkauf dieser Vermögenswerte. In Vollziehung dieser Exekutionsbewilligung wurde am 31.10.1991 ein Sparbuch mit einem Einlagestand von 3,5 Mio S gepfändet.

Das Landesgericht für Strafsachen Wien hatte schon vorher in einer Strafsache gegen mehrere Beschuldigte wegen § 146, § 147 Abs 3, § 148 zweiter Fall, § 156 Abs 1 und 2 StGB sowie § 34 Abs 2 KWG mit einstweiliger Verfügung vom 13.3.1991 gemäß § 144a Abs 1 und 2 StPO iVm § 379 Abs 3 Z 1 EO die Hinterlegung des bei der Verwahrungsabteilung beim Oberlandesgericht Wien erliegenden Sparbuchs angeordnet und zur Begründung ausgeführt, einer der Beschuldigten stehe im Verdacht, in Österreich ohne entsprechende Bewilligung Bankgeschäfte zweier Banken geführt und Personen, die bei diesen Banken Gelder angelegt hatten, diese Beträge betrügerisch herausgelockt zu haben, um sie sich oder Dritten zuzueignen; die vermutliche Schadenshöhe belaufe sich auf etwa 170 Mio sfr. Dadurch solle eine laufende Einnahmequelle geschaffen worden sein. Letztlich solle dieser Beschuldigte im Zuge der Liquidation der beiden Banken einen Safe geräumt und im Ausland Gelder der Banken abgehoben haben oder abheben haben lassen, wodurch das Vermögen der Banken betrügerisch zum Nachteil von Gläubigern geschmälert worden sein solle. Eine andere Beschuldigte stehe in Verdacht, sich an diesen Tathandlungen durch zum Zwecke der Kundentäuschung erstellte falsche Bilanzen sowie Weisungen an Angestellte beteiligt zu haben. Nach den bisherigen Verfahrensergebnissen sei anzunehmen, daß diese Bereicherung gemäß § 20a StGB abgeschöpft werden wird. Am Tag der Beschlußfassung habe ein Rechtsanwalt für einen unbekannten Mandanten unter anderem 3,5 Mio S erlegt. Der „Antrag auf Annahme eines Erlages“ sei unter dem Hinweis auf die Strafsache im Namen einer nicht genannten, unbekannten Person gestellt worden, die - wie die Bezugnahme des Antrags auf § 34 Z 15 und § 167 StGB einerseits und die enorme Höhe der hinterlegten Werte andererseits deutlich machten - offenkundig an den dem zunächst genannten Beschuldigten zur Last gelegten, schwerwiegenden Betrugshandlungen in strafbarer Weise beteiligt gewesen sei. Die bezeichneten Vermögenswerte stellten nach den vorliegenden Erkenntnissen betragsmäßig nur einen Bruchteil der durch die untersuchten Taten erzielten Bereicherung dar. Da jederzeit die Ausfolgung der freiwillig erlegten Gelder begehrt oder eine sich darauf beziehende Entscheidung eines anderen Gerichts erlassen werden könnte, sei zu befürchten, daß die Einbringung des Abschöpfungsbetrages ohne Erlassung der einstweiligen Verfügung gefährdet oder wesentlich erschwert würde.

Mit Beschluß des Exekutionsgerichts Wien vom 13.4.1992 wurde den Klägern die Behebung der Spareinlage auf dem bei der Verwahrungsabteilung des Oberlandesgerichtes Wien erliegenden Sparbuch durch den Gerichtsvollzieher bis zur Höhe der vollstreckbaren Forderung und die Aushändigung des behobenen Betrags an sie bewilligt.

Am 16.7.1992 teilte das Landesgericht für Strafsachen dem Exekutionsgericht auf Anfrage mit, der Herausgabe des Sparbuchs zur Verwertung werde nicht zugestimmt, weil nicht feststehe, daß der gepfändete Anspruch der verpflichteten Partei tatsächlich bestehe.

Die Kläger begehrten die Verurteilung der beklagten Partei zur Zahlung von DM 412.726,17 zum Tagesumrechnungskurs der Österreichischen Nationalbank samt 5 % Zinsen seit 12.4.1991 und der Prozeßkosten von S 61.720,66, hilfsweise zur Herausgabe des genannten Sparbuchs an den Gerichtsvollzieher des Exekutionsgerichts zwecks Behebung der darauf eingezahlten Spareinlage bis zur Höhe der vollstreckbaren Forderung und ferner hilfsweise zur Einwilligung durch das Landesgericht für Strafsachen Wien zur Herausgabe des Sparbuchs an den Gerichtsvollzieher des Exekutionsgerichts zur Behebung der darauf befindlichen Spareinlage bis zur Höhe der vollstreckbaren Forderung. Sie führten dazu aus, der schon genannte Beschuldigte habe seit 10.10.1989 über sämtliche Anteile an der im Antillenstaat domizilierten Bank verfügt und die tatsächliche Geschäftsleitung innegehabt. Auch die Kläger seien geschädigte Anleger, denen die nunmehr titelmäßig gesicherte Forderung aus der vorgenommenen Anlage gegen die Bank zustehe. Beim Landesgericht für Strafsachen Wien seien in der genannten Strafsache insgesamt rund 146 Mio S - darunter auch der hier maßgebliche Betrag von 3,5 Mio S - hinterlegt worden; diese Vermögenswerte rührten aus den dem Beschuldigten angelasteten Straftaten her. Angesichts der gewaltigen Höhe der hinterlegten Werte sei davon auszugehen, daß diese aus Anlagegeldern stammendes Vermögen der Bank darstellten und somit der von den Klägern gepfändete Anspruch dieser Bank tatsächlich zu Recht bestehe. Die vom Landesgericht für Strafsachen Wien gemäß § 144a StPO erlassene einstweilige Verfügung stehe dem Klagebegehren nicht entgegen, weil die Abschöpfung von Vermögen der Bank nach § 20a StGB nicht möglich sei.

Die beklagte Partei wendete insbesondere ein, die einstweilige Verfügung stehe dem Klagebegehren entgegen; auch stehe nicht fest, daß der Bank gegen die beklagte Partei ein Anspruch zustehe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

In rechtlicher Hinsicht meinte es, die bereits vor der Pfändung des von den Klägern behaupteten Herausgabeanspruchs der Bank erlassene einstweilige Verfügung hindere eine Verwertung des Sparbuchs. Ob der Bank ein Herausgabeanspruch überhaupt zustehe, könne demgemäß unerörtert bleiben. Die Zustimmung des Drittschuldners zur Pfändung eines allfälligen Herausgabeanspruchs ersetze den Nachweis dieses Anspruchs durch den betreibenden Gläubiger nicht.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es führte aus, für die Wirksamkeit einer gerichtlichen Entscheidung sei immer nur der Inhalt des Spruchs entscheidend. Auf außerhalb der Entscheidung liegende Erwägungen - hier also die Bedeutung des § 20a StGB als Strafbestimmung und die Möglichkeit eines Ausschlusses der Abschöpfung nach der genannten Gesetzesstelle durch Schadensgutmachung aus dem von der einstweiligen Verfügung betroffenen Betrag - schieden demnach aus. Durch die genannte einstweilige Verfügung sei die Hinterlegung eines Sparbuchs mit einem Einlagenstand von 3,5 Mio S rechtskräftig angeordnet worden, die beklagte Partei somit ähnlich wie beim Zweitverbot gegen jeden Zugriff dritter Personen auf den hinterlegten Geldbetrag gesichert, so daß sie ungeachtet der rechtskräftig bewilligten und vollzogenen Pfändung eine exekutive Befriedigung der klagenden Parteien aus dem hinterlegten Geldbetrag mit Recht verweigere. Soweit die Kläger ins Treffen führten, der Bank stehe der Anspruch auf Ausfolgung des hinterlegten Geldbetrags zu, so daß im Strafverfahren gegen andere Beschuldigte eine Abschöpfung solcher Mittel nicht möglich und damit auch eine einstweilige Verfügung nach § 144a StPO unerheblich sei, seien sie auf die von ihnen selbst zitierte Bestimmung des § 20a Abs 3 zweiter Satz StGB zu verweisen, wonach unter Umständen auch eine juristische Person zur Zahlung eines Abschöpfungsbetrags zu verhalten sei. Angesichts der eingangs geschilderten Beziehungen des Beschuldigten zur Bank sei eine gegen diese gerichtete Abschöpfungsanordnung durchaus zu erwarten. Der Sachverhalt wäre daher auch dann nicht anders zu beurteilen, stünde der Anspruch auf den von der einstweiligen Verfügung vom 13.3.1991 betroffene Geldbetrag von 3,5 Mio S - wie von den Klägern behauptet - der Bank zu. Die Anwendung des § 373b StPO sei derzeit noch nicht aktuell.

Die Revision der Kläger ist im Ergebnis nicht berechtigt.

Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt, wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat, nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Rechtliche Beurteilung

Von den Klägern wurde gegen die Bank die Exekution auf Ansprüche auf Herausgabe oder Leistung körperlicher Sachen gemäß den §§ 325 ff betrieben und ihnen die Pfändung und Überweisung des Anspruchs der Bank gegen die beklagte Partei zur Einziehung bewilligt. Mit der vorliegenden Drittschuldnerklage macht sie somit nicht etwa eigene Ersatzansprüche, sondern Ansprüche der Bank auf Herausgabe des Sparbuchs bzw Geldbetrags durch den beklagten Rechtsträger geltend, dessen Hinterlegung die Ratskammer des Landesgerichts für Strafsachen Wien als dessen Organ im Zuge des gegen Personen, die zumindest als leitende Angestellte der Bank anzusehen sind, geführten Strafverfahrens mittels einstweiliger Verfügung gemäß § 144a StPO zur Sicherung der Abschöpfung dieses Betrags als unrechtmäßige Bereicherung nach § 20a StGB verfügt hat.

Da auf solche einstweilige Verfügungen gemäß § 144a Abs 1 letzter Satz StPO die Bestimmungen der Exekutionsordnung über einstweilige Verfügungen sinngemäß anzuwenden sind, kommt dem Beschuldigten bzw dem Eigentümer des durch eine strafbare Handlung eines leitenden Angestellten unrechtmäßig bereicherten Unternehmens (§ 20a Abs 1 und 3 StGB) in Ansehung der Wirkung einer gemäß § 144a StPO erlassenen einstweiligen Verfügung jene Rechtsstellung zu, von der bei gemäß § 379 EO bewilligten einstweiligen Verfügungen der Gegner der gefährdeten Partei betroffen ist. Wenn daher auch mit der einstweiligen Verfügung der Erwerb eines Pfandrechts (des Bundes zur Sicherung der Abschöpfung) nicht verbunden ist, können andere Gläubiger doch darauf nicht exequieren, weil das Gericht, das die einstweilige Verfügung erlassen hat, als Drittdetentor die Herausgabe ablehnen muß (§ 262 EO). Wohl steht dem Gegner der gefährdeten Partei (bzw. Beschuldigten bzw Eigentümer des bereicherten Unternehmens) dem Gericht gegenüber ein Ausfolgungsanspruch zu, der - was im vorliegenden Fall auch geschehen ist - gepfändet und zur Einziehung überwiesen werden kann. Damit erwirbt der betreibende Gläubiger zwar ein Pfandrecht am Ausfolgungsanspruch, eine Verwertung ist jedoch erst nach Aufhebung der einstweiligen Verfügung (§ 144a Abs 4 StPO) möglich (Holzhammer, Zwangsvollstreckungsrecht4, 425; Petschek/Hämmerle/Ludwig, Zwangsvollstreckungsrecht, 233; Rechberger/Simotta, Exekutionsverfahren2 Rz 884; ähnlich Konecny, Der Anwendungsbereich der einstweiligen Verfügung, 338 f, der dort ausführt, dem Gegner stehe im Hinblick auf die Hinterlegung für die Dauer der Wirksamkeit der einstweiligen Verfügung kein Anspruch auf Herausgabe zu, so daß dem betreibenden Gläubiger nichts überwiesen werden könne). Daraus folgt für den vorliegenden Fall, daß der Bank als einer jener Personen, die von der einstweiligen Verfügung betroffen sind, vom Strafgericht die Herausgabe der hinterlegten Beträge für die Dauer der Wirksamkeit dieser Verfügung zu verweigern wäre, selbst wenn bewiesen werden könnte, daß die hinterlegten Vermögenswerte (noch) in deren Eigentum stünden. Zu Recht hat das Strafgericht den Klägern, die nur den ihnen überwiesenen Herausgabeanspruch der Bank geltend machen, daher die in Anspruch genommenen Vermögenswerte nicht ausgefolgt bzw ausfolgen lassen.

Daran ändert auch die Zustimmung (eines nicht näher festgestellten Organs) des Strafgerichts zur Pfändung des Herausgabeanspruchs nichts. Da zur Pfändung dieses Anspruchs - im Gegensatz zur Fahrnispfändung (§ 262 EO) - die Zustimmung des Dritten, in dessen Gewahrsame sich die Sache befindet, nicht erforderlich ist, kann darin auch nicht die Anerkennung eines gegenwärtigen Verwertungsanspruchs durch dieses Gericht bzw die beklagte Partei erblickt werden.

Aber auch auf die Bestimmung des § 373b StPO können die Kläger ihren Anspruch nicht mit Erfolg stützen. Danach hat der Geschädigte unbeschadet des § 373a StPO - der hier nicht in Frage kommt - das Recht zu verlangen, daß seine Ansprüche aus dem vom Bund vereinnahmten Geldbetrag befriedigt werden, sofern im Falle einer Abschöpfung der Bereicherung nach § 20a StGB dem durch die strafbare Handlung Geschädigten eine Entschädigung zwar rechtskräftig zuerkannt, aber noch nicht geleistet worden ist. Mit Recht verweist das Gericht zweiter Instanz darauf, daß die Durchsetzung eines solchen Anspruchs derzeit (noch) nicht in Frage kommt. Dieser Anspruch setzt nämlich voraus, daß das Strafgericht bereits auf Abschöpfung der unrechtmäßigen Bereicherung nach § 20a StGB erkannt und der Bund den Geldbetrag vereinnahmt hat. Daß dies bei Schluß der Verhandlung erster Instanz bereits geschehen sei, hat das Erstgericht nicht festgestellt, ist aber selbst von den Klägern nicht behauptet worden. Nur unter diesen Voraussetzungen könnten die Kläger den Anspruch auf eine Entschädigung - nach dem Vorbild einer bereits verfallenen Haftkaution (§ 191 Abs 3 StPO) - im Zivilrechtsweg durchsetzen (JAB, 359 Blg 17.GP, 48), müßten sich dann aber eine verhältnismäßige Befriedigung gefallen lassen, wenn mehrere Geschädigte andrängen und die vereinnahmten Geldbeträge zur Deckung aller Ansprüche nicht ausreichten (vgl EvBl 1970/244).

Aus all diesen Erwägungen ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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