OGH 15Os50/94

OGH15Os50/9416.6.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 16.Juni 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Dr.Mayrhofer, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr.Würzburger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Josef L***** wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Krems an der Donau als Schöffengericht vom 3. Dezember 1993, GZ 13 Vr 449/92-13, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Bassler, des Angeklagten und des Verteidigers Dr.Cudlin zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und die Höhe des Tagessatzes auf 450 S herabgesetzt.

Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Teilfreisprüche enthält, wurde Josef L***** des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er in S***** als Bürgermeister dieser Marktgemeinde, sohin als Beamter, mit dem Vorsatz, die Marktgemeine S***** und das Land Niederösterreich als Rechtsträger nach der nö Bauordnung, in der Folge kurz: nö BO, bzw dem nö Raumordnungsgesetz, in der Folge kurz:

nö ROG, an ihren Rechten zu schädigen, seine Befugnis, im Namen der Gemeinde als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich mißbraucht, daß er

1. ab dem Jahre 1984 bis 20.Oktober 1992 nach entsprechender Kenntnisnahme es unterließ, nach Durchführung von Verfahren nach der nö BO Abbruchbescheide bezüglich der in der als Grünland gewidmeten Riede "St*****" konsenslos errichteten Wochenendhäuser von Ernst N*****, Rudolf Z*****, Gertrude D*****, Leopold M*****, Edith und Peter Ste*****, Heribert H*****, (richtig: H***** - vgl S 127/I), Franz B*****, Franz W*****, Walter So*****, Heinz L*****, Karl R*****, Hermine T*****, Anna He*****, Sophie Be***** und Hermann Ho***** (richtig: Mo***** - vgl S 159/I) sowie des in der Ried "K*****" errichteten Wochenendhauses des Klaus G***** zu erlassen;

2. in der Zeit ab 2.Juli 1985 es unterließ, über den Antrag auf nachträgliche Baubewilligung für die Errichtung eines Wochenendhauses auf der Parzelle des Rainer Ti*****, Parzelle Nr 641/2, KatGem Dr***** abschlägig zu entscheiden, und

3. im September 1989 eine mündliche Genehmigung zur Errichtung eines Blockhauses in der als Grünland gewidmeten Riede "St*****" für Franz und Sieglinde Sch***** erteilte.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Der einen wissentlichen Befugnismißbrauch in Abrede stellende und Feststellungsmängel behauptende Beschwerdeeinwand gelangt insoweit nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung, als er nicht, was Voraussetzung für die gesetzmäßige Ausführung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes wäre, den gesamten Urteilssachverhalt mit dem darauf angewendeten Strafgesetz vergleicht.

Der Beschwerdeführer behauptet nämlich, er habe darauf vertraut, daß ab dem Jahr 1984 von den zuständigen Organen in Niederösterreich ein Kleingartengesetz erlassen werden wird, das eine Umwidmung der verfahrensgegenständlichen Grundstücke und damit eine nachträgliche Genehmigung dieser Bauten ohne schriftliche Baubewilligung ermöglichen wird, das Schöffengericht habe aber unterlassen, Feststellungen über die Versuche des Angeklagten, eine Umwidmung zu erzielen und über die ab dem Jahr 1984 geführten Gespräche im Zusammenhang mit dem zu erlassenden Kleingartengesetz zu treffen.

Dabei negiert der Beschwerdeführer, daß die Tatrichter ohnedies konstatiert haben, daß er sich in den Jahren nach 1984 bemüht habe, gemeinsam mit Bürgermeistern anderer Gemeinden, welche die selben Probleme hatten, doch noch eine "Sanierung" der im Grünland konsenslos errichteten Bauten zu erreichen, weshalb auch die Schaffung eines Kleingartengesetzes diskutiert worden sei (US 9). Er übergeht außerdem insbesondere die unmittelbar darauf folgende Feststellung, daß sich schon im Zuge der Besprechungen herausstellte, daß dieses Kleingartengesetz für die Häuser in der Siedlung "St*****" und das Haus des G***** unanwendbar sein werde, weil diese Liegenschaften und vor allem die Bauwerke zu groß waren und dies mit dem Inkrafttreten des Kleingartengesetzes am 1.Jänner 1989 gewiß war, wonach der Angeklagte pflichtwidrig weiterhin die Einleitung der Verfahren nach der Bauordnung unterließ; diese Konstatierungen aber lassen keinen Zweifel am wissentlichen Befugnismißbrauch des Beschwerdeführers zu. Abgesehen davon steht ein Bestreben um nachträgliche "Sanierung" eines gesetzwidrigen Zustandes durch erhoffte gesetzgeberische Maßnahmen in keinem logischen Bruch zu einem schon zuvor - auf der Basis der bisherigen gesetzlichen Regelung - gegeben gewesenen Befugnismißbrauch.

Auch dem Einwand der Nichtigkeitsbeschwerde gegen die Annahme eines Schädigungsvorsatzes kommt keine Berechtigung zu. Zwar wird vom Angeklagten konzediert, daß im Urteilsspruch festgestellt wird, er hätte mit dem Vorsatz gehandelt, die Marktgemeinde S***** und das Land Niederösterreich als Rechtsträger nach der nö BO bzw nach dem nö ROG an ihren Rechten zu schädigen; eine derartige Handlungsweise in subjektiver Hinsicht sei aber - nach seinem Vorbringen - den Feststellungen des Erstgerichtes nicht zu entnehmen.

Hier übersieht er jedoch, daß das Schöffengericht konstatiert hat, er habe durch all die Jahre seines Untätigseins gewußt, daß er Rechte der Hoheitsträger nach der nö BO, dem nö ROG und dem Flächenwidmungsplan der Gemeinde beeinträchtigt, weshalb demnach auch bezüglich der Schädigung Vorsatz vorliegt (US 7 f, 16).

Mit dem in diesem Zusammenhang wiederholten Vorbringen, der Beschwerdeführer habe auf Grund des geplanten Kleingartengesetzes mit der Möglichkeit einer Umwidmung der betreffenden Parzellen und einer nachträglichen Baugenehmigung gerechnet, ist er auf die Erwiderung zu seinem ersten Beschwerdevorbringen zu verweisen.

Das durch § 302 StGB geschützte Rechtsgut ist, wie das Erstgericht zutreffend ausführt (US 16), die Ordnungsgemäßheit und Sauberkeit der gesamten hoheitlichen Verwaltung und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Objektivität und Integrität der Beamten bei ihrer Amtsführung (Leukauf-Steininger Komm3 § 302 RN 2).

Dem Beschwerdeführer ist allerdings zuzugestehen, daß zur Tatbestandsverwirklichung überdies eine Schädigung an konkreten

Rechten anderer erforderlich ist (SSt 50/13 = EvBl 1979/162 = JBl

1979, 608; SSt 49/48 = EvBl 1979/82; 13 Os 140/93; 15 Os 59/92; 12 Os

90/89 uam). Das geschützte konkrete Recht muß keineswegs ein Vermögensrecht sein, die Tat kann ebenso in der Schädigung eines konkreten öffentlichen Rechtes bestehen, worunter auch die Vereitelung einer bestimmten in der Rechtsordnung festgelegten staatlichen Maßnahme zu verstehen ist, wenn damit der bestimmte Zweck beeinträchtigt werden soll, den der Staat mit der dieser Maßnahme

zugrundeliegenden Vorschrift erreichen will (SSt 49/48 = EvBl

1979/82; SSt 49/65; SSt 57/11; SSt 57/75 = EvBl 1987/46 uam).

Konkretes staatliches Recht ist demnach insbesondere auch die Verhinderung der Errichtung von Wohngebäuden im Grünland - ausgenommen in gesetzlich umschriebenen Ausnahmefällen - (SSt 51/55 = EvBl 1982/158), die Einstellung konsenswidriger Bauführungen (EvBl 1982/158; SSt 58/92; Leukauf-Steininger Komm3 § 302 RN 39 p) und der Abbruch konsenswidrig errichteter Bauten (JBl 1992, 56), das auch durch Untätigbleiben des zur Entscheidung berufenen Organs beeinträchtigt werden kann (erneut SSt 51/55; SSt 57/76; JBl 1992, 56; sowie EvBl 1992/182).

Im gegenständlichen Fall hat der Angeklagte derartige Rechte verletzt, indem er nachstehende gesetzliche Bestimmungen mißachtete:

1. Neubauten von Gebäuden bedürfen einer schriftlichen Bewilligung der Baubehörde (§§ 92 Abs 1 Z 1, 118 Abs 3 nö BO).

2. Anträge auf Baubewilligung sind abzuweisen, wenn sie der Festlegung der Widmungs- und Nutzungsart im Flächenwidmungsplan oder dem Bebauungsplan widersprechen (§ 98 Abs 2 nö BO).

3. Die Baubewilligung ist zu versagen, wenn durch die Ausführung des

Vorhabens Bestimmungen .... über die Zulässigkeit von Bauführungen

auf Flächen mit bestimmten Widmungs- und Nutzungsarten .... verletzt

werden (§ 100 Abs 2 nö BO).

4. Die Herstellung des ursprünglichen Zustandes ist bei konsensloser Bauausführung zu verfügen (§ 109 Abs 3 nö BO).

5. Der Abbruch eines Bauwerks ist anzuordnen, wenn für das Bauwerk keine baubehördliche Bewilligung vorliegt und die fehlende Bewilligung nicht erteilt werden darf, weil das Bauvorhaben nicht zulässig ist (§ 113 Abs 3 Z 3 lit a nö BO).

6. Im Grünland dürfen Neu-, Zu- und Umbauten nur errichtet werden, wenn sie für eine Nutzung nach Abs 2 - was nach Lage dieses Falles nicht zutrifft - erforderlich sind (§ 19 Abs 4 nö ROG).

Unerheblich ist, ob "den Entscheidungsträgern des Landes Niederösterrreich" die im Grünland errichtete Siedlung St***** "bekannt sein mußte" und der Beschwerdeführer "niemals aufgefordert wurde, irgendwelche Schritte in diesem Zusammenhang zu unternehmen", weil sich seine Verpflichtung als Baubehörde erster Instanz aus dem Gesetz ergibt und die Verpflichtung zur gesetzeskonformen Tätigkeit eines Beamten nicht von einer dahingehenden Weisung einer Aufsichtsbehörde abhängig ist.

Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 302 Abs. 1 StGB unter Anwendung der §§ 28 Abs. 1 und 43 a Abs. 2 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten, die gemäß § 43 Abs. 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, sowie eine (unbedingte) Geldstrafe von 180 Tagessätzen, im Falle der Uneinbringlichkeit neunzig Tage Ersatzfreiheitsstrafe, wobei die Höhe des einzelnen Tagessatzes mit 500 S festgesetzt wurde.

Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend die fast achtjährige Untätigkeit des Angeklagten, insbesonders aber sein Verhalten 1985 (Faktum Rainer Ti*****) und besonders 1989 (ersichtlich gemeint: Faktum Sch*****), als er in gleicher Weise wie sein Amtsvorgänger H***** agierte, obwohl schon feststand, daß nicht einmal eine Umwidmung in Kleingarten möglich war, als mildernd hingegen seinen bisherigen ordentlichen Lebenswandel und seinen Beitrag zur Wahrheitsfindung.

Zusätzlich wurde dem Angeklagten zugute gehalten, daß sein Amtsvorgänger, der wegen Verjährung nicht mehr verfolgt werden könne, im Faktum 1 die Bauführungen (obschon ohne Erlassung eines Bescheides, so doch informell mündlich) genehmigt hatte.

Da ähnliche Fälle (konsensloses Bauen im Grünland) häufig vorkämen und die strafrechtliche Ahndung als einzig wirksame Sanktion anzusehen sei, seien - wie das Erstgericht ausführt - bei der Strafbemessung auch generalpräventive Belange zu berücksichtigen. Aus diesem Grund erachteten die Tatrichter zusätzlich zur Verhängung der bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe auch eine unbedingt Geldstrafe für erforderlich.

Mit seiner Berufung begehrt der Angeklagte die gänzliche Ausschaltung der über ihn verhängten Geldstrafe, in eventu deren Herabsetzung sowohl in bezug auf die Anzahl der Tagessätze als auch auf die Höhe des einzelnen Tagessatzes.

Zuzugeben ist dem Berufungswerber, daß "sein Verhalten 1985 und besonders 1989, als er in gleicher Weise wie sein Vorgänger H***** agierte, obwohl schon feststand, daß nicht einmal eine Umwidmung in Kleingarten möglich war keinen besonderen Erschwerungsgrund darstellt, denn zum einen ist das Verhalten des Angeklagten in den Jahren 1985 bis 1989 das schuldspruchbegründende tatbildliche Verhalten in den Fakten 2 und 3, zum anderen aber ist dem Ersturteil nicht zu entnehmen, worin ein wesentlich über das tatbestandserfüllende hinausgehendes straferschwerendes Verhalten des Berufungswerbers zu erblicken wäre.

Da die Unterlassungen des Angeklagten sich auf einen Zeitraum von sieben bis acht Jahren erstreckten und diese sich in Punkt 1 des Schuldspruches auf sechzehn Einzelfakten bezogen, kann jedoch von einem geringen Schuldgehalt, wie in der Berufung vermeint, nicht die Rede sein, haben doch die einzelnen Bauführer - ungeachtet allfälligen eigenen Mitverschuldens - durch die drohenden behördlichen Abbruchmaßnahmen mit gravierenden vermögensrechtlichen Nachteilen zu rechnen. Außerdem fällt die Umweltbeeinträchtigung durch die "wilde", nicht an ein Kanalnetz angeschlossene Siedlung ins Gewicht.

Es ist dem Erstgericht beizupflichten, daß nach Lage des Falls die Verhängung der im § 302 Abs. 1 StGB normierten Mindeststrafe dem Schuldgehalt des Täters und dem Unrechtsgehalt seiner Verfehlungen nicht gerecht wird. Insbesondere aus generalpräventiven Erwägungen - allein beim Obersten Gerichtshof ist zu beobachten, daß eine beträchtliche Zahl der hier anfallenden Amtsmißbrauchssachen Bürgermeister in ihrer Funktion als Baubehörde betreffen - ist im gegenständlichen Fall die Kombination aus einer nicht bedingt nahgesehenen Geldstrafe und einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe geboten. Die an Stelle des sechs Monate übersteigenden Teils der Freiheitsstrafe verhängte Geldstrafe im Ausmaß von 180 Tagessätzen ist tätergerecht und schuldangemessen und somit nicht reduktionsbedürftig.

Was die Höhe des einzelnen Tagessatzes anlangt, so ist von den unbedenklichen erstinstanzlichen Urteilsfeststellungen auszugehen, wonach der nur für seine Gattin sorgepflichtige Angeklagte eine 38 ha große Landwirtschaft, davon 3 ha Weingärten bewirtschaftet. Ungeachtet des Umstandes, daß diese Wirtschaft im Miteigentum seiner Gattin steht und daß zwei seiner selbsterhaltungsfähigen Söhne in dieser Landwirtschaft mitarbeiten, sind beim Angeklagten - bei fühlbarer Herabsetzung seines Lebensstandards, bezogen auf einen Zeitraum von ca drei Monaten - 13.500 S pro Monat abschöpfbar, wie schon das Erstgericht zutreffend ausgeführt hat. Daraus errechnet sich allerdings die Höhe des einzelnen Tagessatzes mit 450 S, wie das Erstgericht ohnedies in den Entscheidungsgründen richtig festgehalten hat. Die vom Erstgericht aber laut Urteilsspruch - vgl auch S 152/II - mit 500 S festgesetzte Höhe des Tagessatzes war daher auf dieses Ausmaß herabzusetzen. Nur insofern kommt der Berufung des Angeklagten Berechtigung zu.

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