Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Verfahrens über seine Rechtsmittel zur Last.
Text
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
Der Gerichtsbeamte Ernst K***** wurde mit dem bekämpften Urteil - abweichend von der wegen Mißbrauchs der Amtsgewalt erhobenen Anklage - des Vergehens der Urkundenunterdrückung "unter Ausnützung einer Amtsstellung" nach "§§ 229 Abs. 1, 313 StGB" (wobei die Beifügung der Worte "unter Ausnützung einer Amtsstellung" sowie die Zitierung des § 313 StGB in der Subsumtion der Tat im Urteilstenor überflüssig ist, weil § 313 StGB nach herrschender Rechtsprechung eine fakultative Strafbemessungsvorschrift ist [vgl. Leukauf-Steininger Komm.3 § 313 RN 16, 18], von welcher vorliegend tatsächlich nicht Gebrauch gemacht wurde) schuldig erkannt.
Darnach hat er am 18.September 1990 in Linz als Leiter der den Gerichtsabteilungen 26, 28 und 38 des Landesgerichtes Linz zugewiesenen Geschäftsabteilungen, somit (abermals überflüssig beigefügt:) als Beamter unter Ausnützung der ihm durch seine Amtstätigkeit gebotenen Gelegenheit, nachstehende Urkunden, über die er nicht allein verfügen durfte, mit dem Vorsatz vernichtet, zu verhindern, daß sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden, und zwar:
1. die Verständigung des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht mit Verfügung des Richters (zu ergänzen: erster Instanz) vom 7.September 1990 "1. ges. 2. Prius", betreffend die Strafsache (Haftsache) gegen Regina Johanna L*****, 28 Vr 2099/89, 28 Hv 6/90 des Landesgerichtes Linz, eingelangt am 6.September 1990;
2. das Ersuchen der Verwahrstelle des Landesgerichtes Linz um Verfügung über Beweisgegenstände in der Strafache gegen Israel M*****, 28 E Hv 76/88 des Landesgerichtes Linz (Standblatt Nr. 458/88), eingelangt am 6.September 1990;
3. die Mitteilung des landesgerichtlichen Gefangenenhauses Linz vom 7. September 1990 an das Landesgericht Linz zu 26 E Vr 219/90 über die Verhängung einer Ordnungsstrafe, eingelangt am 7.September 1990;
4. die Verständigung des Bundesministeriums für Inneres, EDV-Zentrale, vom 6.September 1990, gemäß "§ 7 StGB" (gemeint ist ersichtlich: § 7 StRegG) zu 26 E Vr 1096/89, 26 E Hv 111/89, eingelangt am 10.September 1990;
5. ein an die Staatsanwaltschaft Linz gerichtetes und von dieser an das Landesgericht Linz weitergeleitetes Ersuchen der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 4.September 1990 um Mitteilung des Ausganges des Verfahrens gegen Dietmar R***** (26 E Hv 106/90), eingelangt am 10.September 1990;
6. ein Ersuchen der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt, Landesstelle Linz, vom 10.September 1990, um Übersendung des Aktes 26
E Vr 1984/89, 26 E Hv 116/90, eingelangt am 11.September 1990;
7. ein Ersuchen der Bundespolizeidirektion Linz vom 11.September 1990 um Übergabe des Aktes 28 a E Vr 729/90, 28 a E Hv 29/90, an den Boten der Bundespolizeidirektion Linz und ein Schreiben vom 10.September 1990 über die Zurückstellung des Aktes, beide eingelangt am 12. September 1990;
8. ein Ersuchen des Univ.Prof.Dr.Klaus Jarosch vom 11.September 1990 um Einsichtnahme in den Akt 26 E Vr 219/90, 26 E Hv 88/90, eingelangt am 13.September 1990;
9. einen Bericht der Bewährungshilfe, Geschäftsstelle Linz, betreffend Dietmar M*****, zu 28 E Vr 164/89, 28 E Hv 9/89, eingelangt am 13.September 1990;
10. den Bericht des landesgerichtlichen Gefangenenhauses Linz vom 12. September 1990 über den Nichtantritt einer Freiheitsstrafe durch Wilfried H***** zu 28 E Vr 1764/87, eingelangt am 13.September 1990;
11. den Bericht der Bewährungshilfe, Geschäftsstelle Linz, vom 4. September 1990 über Anna Maria H***** zu 26 E Vr 1771/88, 26 E Hv 141/88, eingelangt am 13.September 1990;
12. die Mitteilung der Bundespolizeidirektion Linz vom 11.September 1990 zu 26 E Vr 219/90, 26 E Hv 88/90, über den Wohnort des Chavit K***** samt Ersuchen des Landesgerichtes Linz um Ausforschung, eingelangt am 14.September 1990;
13. die Mitteilung des Gendarmeriepostens Losenstein vom 12.September 1990 zu 26 E Vr 567/88, 26 E Hv 44/88, betreffend die Aufenthaltsermittlung hinsichtlich des Zeugen Gerhard Alfred G*****, eingelangt am 14.September 1990;
14. die Mitteilung der Bundespolizeidirektion Linz vom 4.September 1990 zu 26 E Hv 97/89, betreffend die Aufenthaltsermittlung hinsichtlich des Bela H***** mit EKIS-Formblatt 4, eingelangt am 14. September 1990;
15. das Schreiben der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 13. September 1990 zu 26 E Vr 2495/87, 26 E Hv 42/88, betreffend die Aufenthaltsermittlung hinsichtlich des Peter K*****, eingelangt am 17. September 1990;
16. das Ersuchen der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 13. September 1990 um Übersendung des Aktes betreffend die Strafsache gegen Constantin M***** nach rechtskräftigem Abschluß des Strafverfahrens, eingelangt am 17.September 1990;
17. den Bericht der Bundespolizeidirektion Linz vom 11.September 1990 zu 28 E Vr 3195/85, 28 E Hv 286/85, betreffend den Aufenthalt des Manfred Hermann B***** samt Fernschreiben des Bundesministeriums für Inneres, EDV-Zentrale, vom 7.September 1990, eingelangt am 17. September 1990;
18. das Antwortschreiben der Elda M*****, Kopenhagen, vom 10. September 1990 zum Schreiben des Landesgerichtes Linz vom 30.Juli 1990, betreffend die Durchführung der Hauptverhandlung in ihrer Abwesenheit, eingelangt am 17.September 1990;
19. das Ersuchen der Staatsanwaltschaft Linz vom 6.September 1990, 1 St 734/90, um Übersendung des Aktes 26 E Hv 5/90, eingelangt am 7. September 1990;
20. das Ersuchen des Bezirksgerichtes Linz vom 8.September 1990, 16 U 767/90, in zweifacher Ausfertigung, um Übermittlung des Aktes 28 E Vr 43/88, 28 E Hv 16/88, eingelangt am 10.September 1990;
21. das Ersuchen des Landesgerichtes für Strafachen Wien vom 4. September 1990, 22 b Vr 9029/90, in zweifacher Ausfertigung, um Übersendung von Akten betreffend Ion M*****, insbesondere des Aktes 28 a E Vr 1247/90, 28 a E Hv 71/90, eingelangt am 10.September 1990;
22. das Ersuchen des Bezirksgerichtes Linz vom 10.September 1990, 12
E 447/90, um Übersendung des zu 24 Vr 896/90, 24 Ur 137/90, übersandten Aktes 12 E 447/90, eingelangt am 11.September 1990;
23. das Ersuchen des Landesgerichtes St. Pölten vom 7.September 1990, 13 Vr 910/90, um Übersendung der Akten 26 Vr 1938/88, 26 Hv 2/89, und 26 Vr 1378/89, 26 Hv 25/89, eingelangt am 12.September 1990;
24. das Ersuchen der Staatsanwaltschaft Linz vom 13.September 1990, 2 St 1878/90, um Übersendung des Aktes 28 a E Hv 14/90, eingelangt am 13. September 1990;
25. das Ersuchen der Staatsanwaltschaft Linz vom 12.September 1990, 3 St 743/90, um Übersendung des Aktes 26 Hv 14/90, eingelangt am 13. September 1990;
26. das Ersuchen des Bezirksgerichtes Enns mit dem Vermerk "HV 3. Oktober 1990" vom 12.September 1990 um Übersendung des Aktes 26 E Vr 227/89, 26 E Hv 27/89, eingelangt am 17.September 1990;
27. das Ersuchen an das Aktenlager vom 30.Mai 1990 um Übersendung des Aktes 30 E Vr 883/87, 30 E Hv 69/87;
28. das Ersuchen an das Aktenlager vom 29.August 1990 um Übersendung des Aktes 26 E Vr 1001/86, 26 E Hv 13/87, auf dem mit roter Farbe vermerkt ist: "Wird derzeit noch benötigt. VB K***** - Dr.J*****";
29. das Ersuchen an das Aktenlager um Übersendung des Aktes 28 E Vr 434/86, 28 E Hv 31/86, zu 28 a E Hv 91/90 mit dem Vermerk "Hs 269/89 Akt befindet sich seit 14.Juli 1989 beim Kreisgericht Wels zu 18 Ur 107/89";
30. den Bericht des Rechnungsführers vom 12.September 1990 zu 26 E Hv 113/90 über die Auszahlung von Zeugengebühren in der Höhe von 256 S zu ARPost 26.570/90;
31. den Bericht des Rechnungsführers vom 11.September 1990 zu 28 Hv 8/90 über die Auszahlung von Schöffengebühren in der Höhe von 167 S zu ARPost 26.400/90;
32. den Bericht des Rechnungsführers vom 11.September 1990 zu 28 Hv 10/90 über die Auszahlung von Zeugengebühren in der Höhe von 1.086 S zu ARPost 26.431/90;
33. den Bericht des Rechnungsführers vom 11.September 1990 über die Auszahlung von Zeugengebühren in der Höhe von 116 S zu ARPost 26.402/90;
34. ein nach Hinterlegung beim Postamt nicht behobener weißer Rückscheinbrief, eingelangt am 21.August 1990.
Ferner erging der Sache nach ein - unter formalem Verstoß gegen die Vorschrift des § 259 StPO in den Urteilsspruch nicht aufgenommener, sondern lediglich den Entscheidungsgründen (siehe insbesondere US 10, 12 und 15) zu entnehmender - Teilfreispruch (vgl. hiezu Mayerhofer-Rieder StPO3 § 281 Z 7 E 8 und 9), der folgende Schriftstücke betraf:
1. die Durchschrift des Strafantrages der Staatsanwaltschaft Linz vom 4. Juli 1990, 9 St 4.326/90, mit handschriftlichen Ausbesserungen und Ergänzungen, betreffend die Strafsache gegen Thomas H*****, eingelangt am 26.Juli 1990 (Punkt 1 der Anklageschrift);
2. die Durchschrift des Strafantrages der Staatsanwaltschaft Linz vom 19. Juli 1990, 9 St 4.435/90, betreffend die Strafsache gegen Reinhard H*****, eingelangt am 26.Juli 1990 (Punkt 2 der Anklageschrift);
3. den Beschluß bzw. die Verfügung des Richters des Landesgerichtes Linz Dr.B***** vom 5.September 1990 über die Abberaumung von Hauptverhandlungen mit dem Abfertigungsvermerk vom 5.Juli 1990 (Punkt 3 der Anklageschrift);
4. ein vom Kreisgericht Steyr an das Landesgericht Linz gefaxtes Schreiben des Oberlandesgerichtes Linz vom 28.Juli 1990, 8 Bs 192/90, adressiert an das Landesgericht Linz im Wege des Präsidenten des Landesgerichtes Linz mit dem Vermerk "Akt wird nachgereicht" und dem vom Angeklagten angebrachten Vermerk vom 7.September 1990 "Erledigt (seit 10.1.1990 nicht mehr in Haft)", wobei dieser Vermerk vom Angeklagten unter Abdruck der Ausfertigungsstampiglie des Richters des Landesgerichtes Linz Dr.Peter N***** unterfertigt wurde (Punkt 6 der Anklageschrift - in US 12 versehentlich als Punkt 8 bezeichnet).
Dieses Urteil wird von der Staatsanwaltschaft und vom Angeklagten jeweils mit Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft, und zwar von der Staatsanwaltschaft sowohl in seinem schuldigsprechenden als auch in seinem freisprechenden Teil. Die Anklagebehörde macht die Nichtigkeitsgründe der Z 4, 5, 9 lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO, der Angeklagte jene der Z 5, 5 a, 9 lit. b und 10 dieser Gesetzesstelle geltend.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:
Als Verfahrensmangel (Z 4) rügt die Staatsanwaltschaft die Abweisung des vom Sitzungsvertreter in der Hauptverhandlung vom 4.Dezember 1991 gestellten Beweisantrages auf "Beischaffung aller Aktenstücke im Original, deren Zerreißung dem Angeklagten zur Last gelegt wird, sowie der bezughabenden Akten", womit dargetan werden sollte, daß die betreffenden (zerrissen aufgefundenen und wieder zusammengefügten) Aktenstücke noch einer Erledigung bedurften und daher keinesfalls ausgeschieden werden durften, und daß es sich "dabei um Urkunden im Sinne des strafrechtlichen Urkundenbegriffs" handelte (S 151).
Der behauptete Verfahrensmangel liegt nicht vor.
Daß das Schöffengericht den Urkundencharakter (iS § 74 Z 7 StGB) der den Gegenstand des Schuldspruchs bildenden Aktenstücke (ohnedies) bejaht hat, räumt die Anklagebehörde in ihrer Beschwerde selbst ein; insoweit kann demnach (schon deshalb) von einer Beeinträchtigung ihrer Verfolgungsrechte durch Unterbleiben der begehrten Beweisaufnahme keine Rede sein (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO3 § 281 Z 4 E 63a). Nichts anderes gilt aber auch in bezug auf jene Geschäftsstücke, auf welche sich der (in den Urteilsgründen enthaltene) Teilfreispruch bezieht: Das Erstgericht hat auch in Ansehung dieser Geschäftsstücke den Urkundencharakter bejaht (US 15), die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Angeklagten aber deshalb verneint, weil er diese Geschäftsstücke für beschädigt "bzw."
überzählig hielt und daher insoweit nicht mit Gebrauchsverhinderungsvorsatz (iS § 229 Abs. 1 StGB) handelte (US 10, 12).
Dazu kommt: Ob ein Aktenstück eine Urkunde im strafrechtlichen Sinn (§ 74 Z 7 StGB) ist, ist eine vom Gericht zu beurteilende Rechtsfrage und nicht eine Tatfrage. Über Rechtsfragen sind aber keine Beweise aufzunehmen und es scheidet diesbezüglich eine "vorgreifende Beweiswürdigung", wie sie die Anklagebehörde in ihrer Beschwerde ins Treffen führt, begrifflich aus, ebensowenig wie die Lösung einer Rechtsfrage etwas mit der Notorietät einer Tatsache zu tun hat. Für die Dartuung jener tatsächlichen Merkmale aber, die vorliegen müssen, damit es sich rechtlich um eine Urkunde im strafrechtlichen Sinn handelt - und nur so verstanden liegt überhaupt ein prozeßordnungsgemäß gestellter Beweisantrag vor -, bedurfte es der angestrebten Beweisaufnahme nicht. Denn diese tatsächlichen Merkmale (Schrift; Erkennbarkeit des Ausstellers; Vorliegen einer Erklärung zu Beweiszwecken im Rechtsverkehr) konnten die Tatrichter bereits der Beschreibung der verfahrensgegenständlichen Aktenstücke nach ihrem wesentlichen Inhalt der in der Hauptverhandlung erörterten (S 150) Aufstellung des Vorstehers der Geschäftsstelle des Landesgerichtes Linz (S 7 ff) entnehmen; aus welchen besonderen Gründen diesbezüglich zusätzliche Erkenntnisses aus einer unmittelbaren Besichtigung der Aktenstücke und/oder der Einsichtnahme in die bezughabenden Akten zu gewinnen wären, wurde im Beweisantrag nicht dargetan.
Die Abweisung des in Rede stehenden Beweisantrages begründet aber auch unter dem Gesichtspunkt der von der Anklagebehörde angestrebten Beurteilung des sowohl dem Schuldspruch als auch dem Teilfreispruch zugrundeliegenden Tatverhaltens des Angeklagten als Mißbrauch der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB keinen Verfahrensmangel. Die Tatrichter kamen nämlich auf Grund des als Beurteilungsgrundlage verwerteten psychiatrischen Sachverständigengutachtens und demnach mit denkmöglicher Begründung zur Überzeugung, daß der Angeklagte lediglich infolge seines damaligen, mit einer verminderten Leistungsfähigkeit verbundenen psychischen Ausnahmezustands die ihm obliegenden Amtsverrichtungen unterlassen hat, und verneinten deshalb nicht nur einen auf Schädigung eines (konkreten) Rechtes eines anderen gerichteten Vorsatz des Angeklagten, sondern der Sache nach auch (schon) die rechtliche Gleichwertigkeit dieser (pflichtwidrigen) Unterlassung des Angeklagten mit einem entsprechenden aktiven Tun (US 15). Davon ausgehend kommt aber der Frage, ob die verfahrensgegenständlichen Aktenstücke noch einer weiteren geschäftsordnungsgemäßen Behandlung bedurft hätten, keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu. Wenngleich das bekämpfte Zwischenerkenntnis auf dieses Beweisthema nicht eingegangen ist, kann sich die Beschwerdeführerin jedenfalls durch die Ablehnung des Beweisbegehrens auch unter diesem Aspekt nicht beschwert erachten. Zur Aufklärung der "einzelnen intellektuellen Vorgänge" und damit der subjektiven Vorstellungen des Angeklagten, worauf die Beschwerde abstellt, war die angestrebte Beweisaufnahme von vornherein nicht geeignet.
Zudem verkennt die Beschwerdeführerin auch den Begriff des Schadens iS des § 302 Abs. 1 StGB, der nur auf eine vom Täter (zumindest bedingt) vorsätzlich angestrebte Beeinträchtigung eines konkreten - öffentlichen oder privaten - Rechtes abstellt (Leukauf-Steininger, Komm.3 § 302 RN 37). Diesem Schadensbegriff entspricht aber der in der Anklage und in der Rechtsmittelschrift der Staatsanwaltschaft angeführte Anspruch auf "inhaltliche Richtigkeit, Vollständigkeit, Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit der Behördenakte" bzw. auf "ordnungsgemäße und rechtskonforme Aktenbearbeitung" (S 67, 76 und 183) nicht, handelt es sich doch hiebei bloß um allgemeine staatliche Aufsichtsrechte oder interne Dienstvorschriften, die durch das Tatverhalten des Angeklagten beeinträchtigt werden konnten, deren Verletzung zwar allenfalls einen tatbildmäßigen Mißbrauch der dem Angeklagten zukommenden Amtsbefugnis darzustellen vermag, der aber der zur Tatbestandsverwirklichung überdies erforderlichen Schädigung an konkreten Rechten anderer, auf welche sich der Tätervorsatz beziehen muß, nicht gleichgesetzt werden darf (Leukauf-Steininger aaO). Eine Beeinträchtigung konkreter Rechte durch das Tatverhalten des Angeklagten behauptete die Staatsanwaltschaft in ihrem Beweisantrag gar nicht; eine solche Schädigungsmöglichkeit ist nach dem Inhalt der hier in Rede stehenden Aktenstücke auch nicht erkennbar, war doch zum Teil deren Inhalt durch den zuständigen Richter bloß zur Kenntnis zu nehmen; soweit diese Aktenstücke eine weitere Verfügung des Richters erfordert hätten, bewirkte deren Nichtbehandlung ersichtlich bloß eine Verfahrensverzögerung.
Entgegen dem Beschwerdevorbringen in der Mängelrüge (Z 5) verneinte das Erstgericht ein Handeln des Angeklagten mit Schädigungsvorsatz iS des § 302 StGB nicht nur mit dem Hinweis auf dessen streßbedingten psychischen Ausnahmezustand zur Tatzeit, sondern begründete dies auch mit der insoweit als Feststellungsgrundlage herangezogenen Verantwortung des Angeklagten, lediglich auf die Beseitigung minder wichtiger Urkunden abgezielt zu haben (US 11 f), wobei es ohnedies auch das "Begleitwissen" des Angeklagten um die damit bewirkte Unvollständigkeit der jeweiligen Akten und die Verhinderung eines "Gebrauches" - somit vorerst der Bearbeitung der betreffenden Geschäftsstücke durch den jeweils zuständigen Richter - in den Kreis seiner Erwägungen miteinbezog (US 13 f). Von einem "denklogischen" Widerspruch kann in diesem Zusammenhang keine Rede sein. Steht doch die Verneinung eines Schädigungsvorsatzes iS des § 302 Abs. 1 StGB der Annahme eines (bloßen) Gebrauchsverhinderungsvorsatzes iS des § 229 Abs. 1 StGB nicht entgegen.
Unberechtigt ist schließlich auch die gegen den freisprechenden Teil des Urteils gerichtete Rechts- und Subsumtionsrüge (Z 9 lit. a und 10) der Staatsanwaltschaft, womit die Unterstellung (auch) des vom Schuldspruch des Angeklagten wegen § 229 Abs. 1 StGB erfaßten Sachverhaltes unter den Tatbetand des § 302 Abs. 1 StGB angestrebt wird.
Nach den Urteilsfeststellungen befand sich der Angeklagte zur Tatzeit in einem auf Streß zurückzuführenden psychischen Ausnahmezustand, der eine erhebliche Verminderung seiner Einsichts- und Leistungsfähgikeit zur Folge hatte und ihn mit seiner damaligen Arbeitsüberlastung nicht fertig werden ließ. In dieser Situation versuchte er sich dadurch Erleichterung vom Arbeitsdruck zu verschaffen, daß er die von ihm als minder wichtig beurteilten Einlaufstücke nicht durch Vorlage an den Richter geschäftsordnungsgemäß behandelte, sondern sie zerriß und in den Papierkorb warf.
Auf dieser Feststellungsgrundlage verneinte das Erstgericht das Vorliegen eines iS des § 302 Abs. 1 StGB tatbestandsmäßigen wissentlichen Befugnismißbrauchs und eines Schädigungsvorsatzes des Angeklagten.
Bereits auf Grund dieser durch die - insoweit unbekämpft gebliebenen - Urteilsfeststellungen gedeckten rechtlichen Beurteilung erweisen sich aber die von der Staatsanwaltschaft vermißten weiteren Konstatierungen zur objektiven Tatseite des Deliktes nach § 302 Abs. 1 StGB und die hieraus resultierenden Tatfolgen als entbehrlich.
Soweit die Beschwerdeführerin darüber hinaus noch Feststellungsmängel zur subjektiven Tatseite des § 302 Abs. 1 StGB behauptet, setzt sie sich über die einen Schädigungsvorsatz des Angeklagten verneinenden Urteilsfeststellungen hinweg und bringt damit ihre Rechtsrüge insoweit nicht zur gesetzmäßigen Darstellung.
Die rechtliche Beurteilung des vom Erstgericht als erwiesen angenommenen Sachverhaltes als Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB hinwieder ist zutreffend. Darnach hat der Angeklagte die vom Schuldspruch erfaßten Aktenstücke ohne ein ihm darüber zustehendes Alleinverfügungsrecht durch Zerreißen vernichtet, woraus sich nicht nur die Erfüllung des objektiven Tatbestandes einer Urkundenunterdrückung durch ein substanzzerstörendes Vorgehen, sondern auch das zur Verwirklichung der inneren Tatseite hinreichende (vom Erstgericht denkrichtig aus Ausbildung und beruflicher Erfahrung des Angeklagten abgeleitete) Begleitwissen ergibt.
Daß es sich bei den Tatobjekten in allen Fällen um Urkunden im Sinne des § 74 Z 7 StGB gehandelt hat, kann nach dem Inhalt dieser im Urteilsspruch näher aufgelisteten Schriftstücke nicht zweifelhaft sein, genügt doch für die Annahme der Urkundeneigenschaft schon die bloße Erheblichkeit zum Beweis irgendeiner Tatsache von rechtlicher Bedeutung (vgl. § 74 Z 7 StGB sowie EvBl. 1981/185 und Leukauf-Steininger aaO § 223 RN 14 a).
Soweit sich die Staatsanwaltschaft schließlich noch gegen den (sinngemäßen) Freispruch des Angeklagten in Ansehung der vier bereits angeführten (weiteren) Schriftstücke wendet, genügt es, sie auf die insoweit der Sache nach einen Gebrauchsverhinderungsvorsatz (auch in Form bloßen Begleitwissens) negierenden - und von der Beschwerde unbekämpft gelassenen - Urteilsfeststellungen zu verweisen, denenzufolge der Angeklagte diese Unterlagen entweder wegen ihrer "Überzähligkeit" (dies gilt für die Durchschriften von Strafanträgen: Punkt 1 und 2 der Anklageschrift) oder wegen des Wegfalls ihrer Aktualität für die weitere Aktenerledigung (hievon sind die bereits abgefertigten Verfügungen auf Abberaumung von Hauptverhandlungen:
Punkt 3 der Anklageschrift, und die Verständigung zu einer nicht mehr aktuellen Haftsache: Punkt 6 der Anklageschrift, betroffen) nicht mehr zu den Akten gab, sondern sie (durch Zerreißen) vernichtete.
Dem Beschwerdevorbringen zuwider ist dem Erstgericht auch insoweit beizupflichten, als es zumindest der Sache nach auch bei der Vernichtung der "überzähligen" Durchschriften zweier Strafanträge einen Gebrauchsverhinderungsvorsatz des Angeklagten verneinte; denn der durch § 229 Abs. 1 StGB geschützte Bestand der Beweisfunktion dieser Strafanträge ist jeweils bereits durch das Original im Akt und die an die Verfahrensbeteiligten zugestellten Ausfertigungen gewährleistet.
Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war daher als zur Gänze unbegründet zu verwerfen.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten:
In seiner Mängelrüge (Z 5) hält der Angeklagte die Urteilsfeststellungen zur subjektiven Tatseite für widersprüchlich, weil einerseits das Vorliegen eines Schädigungsvorsatzes iS des § 302 Abs. 1 StGB verneint, ihm andererseits aber ein Handeln mit Gebrauchsverhinderungsvorsatz nach § 229 Abs. 1 StGB beim Zerreißen und Wegwerfen der Urkunden angelastet werde; nach Auffassung des Angeklagten ergebe sich aus dem Fehlen eines Schädigungsvorsatzes aber zwangsläufig auch der Ausschluß einer gewollten Beeinträchtigung der Beweisfunktion der vernichteten Urkunden.
Zu der somit behaupteten Unvereinbarkeit der Feststellungen zur subjektiven Tatseite genügt es, auf das zu den inhaltsgleichen Beschwerdeeinwendungen der Staatsanwaltschaft Gesagte zu verweisen.
Mit der Behauptung, auf Grund des ihm eine eingeschränkte Handlungsfähigkeit (S 149) attestierenden psychiatrischen Sachverständigengutachtens wäre ein Handeln mit Gebrauchsverhinderungsvorsatz zu verneinen gewesen, vermag der Beschwerdeführer sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Urteilsfeststellungen zur subjektiven Tatseite nicht darzutun (Z 5 a); kritisiert er doch damit in diesem Belang der Sache nach lediglich in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung des Erstgerichtes nach Art einer im Rechtsmittelverfahren gegen kollegialgerichtliche Urteile unzulässigen Schuldberufung.
Entgegen der Beschwerdebehauptung (nominell Z 5, sachlich Z 9 lit. a) nahm das Erstgericht als erwiesen an, daß der Angeklagte die von ihm als zwangsläufige Folge der Urkundsvernichtigung sowohl erkannte als auch gewollte Verhinderung des Gebrauchs der Urkunden nicht nur in Kauf genommen, sondern sich damit auch abgefunden hat (US 11); nach dieser das Vorliegen der Wissens- und Willenskomponente des Gebrauchsverhinderungsvorsatzes unmißverständlich umschreibenden Konstatierung erschöpft sich der vom Erstgericht als erwiesen angenommene Vorsatz des Angeklagten bei Vernichtung der Urkunden keineswegs bloß in einem In-Kauf-Nehmen einer Gebrauchsverhinderung.
Dem Beschwerdeführer kann auch insoweit nicht gefolgt werden, als er sich auf die mangelnde Strafwürdigkeit der Tat iS des § 42 StGB beruft (Z 9 lit. b). Diese Bestimmung erfordert nämlich das kumulative Vorliegen aller dort genannten Voraussetzungen. Im Hinblick auf die durch die große Anzahl der vernichteten Schriftstücke manifestierte besondere Intensität des Täterwillens kann keine Rede davon sein, daß die Schuld des Angeklagten absolut und im Vergleich zu den typischen Fällen einer Deliktsverwirklichung nach § 229 Abs. 1 StGB (bloß) gering ist. Daran vermag auch der auf Grund der psychischen Beeinträchtigung des Angeklagten zur Tatzeit geringere Gesinnungsunwert nichts zu ändern, weil diese Komponente durch den höheren Handlungsunwert der Tat kompensiert wird und somit deren Unwertgehalt insgesamt nicht mehr als gering anzusehen ist.
Schließlich versagt auch der Beschwerdeeinwand, daß dem Angeklagten lediglich der Versuch einer Urkundenunterdrückung zur Last liege (Z 10), weil die Teile der zerrissenen und weggeworfenen Urkunden nachträglich wieder zusammengefügt werden konnten.
Die Vernichtung einer Urkunde nach § 229 Abs. 1 StGB liegt vor, wenn die Urkunde aufgehört hat, als Beweismittel zu existieren (Kienapfel WK § 229 StGB Rz 14). Dies ist der Fall, wenn der Gedankeninhalt der Urkunde entweder durch substanzvernichtende oder durch - hier nicht aktuelle - erklärungsvernichtende Eingriffe beseitigt wird (neuerlich Kienapfel, aaO; Leukauf-Steininger Komm.3 § 229 RN 3). Eine solche substanzbezogene Vernichtung des Urkundenkörpers liegt aber schon in dem dem Angeklagten angelasteten Zerreißen und Wegwerfen der Urkunden (neuerlich Leukauf-Steininger und Kienapfel, jeweils aaO). Daß hingegen Urkunden - hier zudem nur unter großem Arbeitsaufwand - nachträglich wieder zusammengefügt werden konnten, ist bedeutungslos, weil dies an der Tatsache, daß die Urkunden bereits vernichtet waren und somit schon Deliktsvollendung eingetreten ist, nichts zu ändern vermag.
Sofern dem Beschwerdeführer bei seinen Ausführungen allenfalls die Bestimmung des § 229 Abs. 2 StGB vor Augen gestanden sein sollte, ist er darauf zu verweisen, daß tätige Reue iS dieser Gesetzesstelle schon deshalb nicht vorliegt, weil nicht er, sondern andere Personen die Urkunden wieder zusammensetzten.
Aus den angeführten Gründen war somit auch die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten zu verwerfen.
Zur Berufung des Angeklagten:
Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach § 229 Abs. 1 StGB unter Anwendung des § 37 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen, im Fall der Uneinbringlichkeit zu 90 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, und bestimmte die Höhe des Tagessatzes mit 100 S; gemäß § 43 Abs. 1 StGB sah es die Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nach.
Bei der Strafbemessung wertete es die Vernichtung einer Vielzahl von Urkunden als erschwerend, dagegen den bisherigen untadeligen Wandel des Angeklagten, sein Geständnis, die Begehung der Tat in einem psychischen Ausnahmezustand und eine objektive Schadensgutmachung durch Rekonstruktion der Urkunden als mildernd.
Der eine Herabsetzung der Anzahl der Tagessätze anstrebenden Berufung des Angeklagten (die Höhe des Tagessatzes wird nach dem Inhalt der Berufungsausführungen nicht bekämpft) kommt keine Berechtigung zu.
Von einem erheblichen Zurückbleiben hinter dem deliktstypischen Unrechts- und Schuldgehalt kann - wie schon zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ausgeführt - nicht gesprochen werden. Auch unter dem Blickwinkel der Strafzumessung vermag der Oberste Gerichtshof angesichts der Vielzahl der vernichteten Urkunden die Tat des Angeklagten nicht als "Sonderfall im Grenzbereich des § 42 StGB" zu beurteilen.
Ein Wohlverhalten seit der Tat fällt nicht mildernd ins Gewicht. Der Milderungsgrund des § 34 Z 18 StGB kann nämlich erst dann angenommen werden, wenn der Zeitraum des Wohlverhaltens etwa der Rückfallsverjährungsfrist entspricht (Leukauf-Steininger Komm.3 § 34 RN 27).
Soweit der Angeklagte letztlich für sich als Milderungsgrund reklamiert, daß die Tat beim Versuch geblieben sei, geht er nicht vom Inhalt des Schuldspruches aus, an den er sich bei Ausführung der Berufungsgründe zu halten hätte (§ 295 Abs. 1 erster Satz StPO).
Der Berufungswerber vermag somit insgesamt keine weiteren, ihm zugutezuhaltenden mildernden Umstände aufzuzeigen.
Die vom Erstgericht festgesetzte Anzahl der Tagessätze entspricht durchaus der personalen Täterschuld und dem Unwert der verschuldeten Tat.
Auch der Berufung des Angeklagten war somit ein Erfolg zu versagen.
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