OGH 4Nd507/94

OGH4Nd507/9415.6.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek und Dr.Niederreiter als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Oranja-Moos K*****, geboren am 28.April 1982, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die mit Beschluß des Bezirksgerichtes Klosterneuburg vom 5.April 1994, P 98/89-18, gemäß § 111 Abs 1 JN verfügte Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache der mj. Oranja-Moos K***** an das Bezirksgericht Linz wird gemäß § 111 Abs 2 JN genehmigt.

Text

Begründung

Die Eltern der Minderjährigen einigten sich in ihrem Scheidungsvergleich vom 10.August 1982 zunächst dahin, daß die Obsorge für das Kind der Mutter zustehe. Das Bezirksgericht Linz genehmigte mit Beschluß vom 11.Februar 1983, ON 4, diese vergleichsweise Regelung. Mit Beschluß vom 24.August 1983 genehmigte das Bezirksgericht Linz sodann pflegschaftsbehördlich die später von den Eltern getroffene Vereinbarung, wonach die elterlichen Rechte und Pflichten über die Minderjährige dem Vater übertragen wurden (ON 7).

Auf Mitteilung des Vaters vom 24.Oktober 1989, daß sich die Minderjährige nunmehr bei der Mutter in Klosterneuburg aufhalte (ON 8), übertrug das Bezirksgericht Linz mit Beschluß vom 24.Oktober 1989 (ON 9) seine Zuständigkeit an das Bezirksgericht Klosterneuburg. Dieses traf keine Entscheidung über eine Änderung der Obsorgezuteilung. Es hörte zwar die Mutter zur Frage des Unterhalts; diese stellte aber im Hinblick auf die freiwillige Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbeitrages von S 700 durch den Vater keine Anträge (ON 14).

Am 23.März 1994 teilte der Vater dem Bezirksgericht Linz mit, daß die Minderjährige auf Wunsch ihrer Mutter - die schon nach Wien verzogen war - zu ihm nach Linz übersiedelt sei. Dabei sei vereinbart worden, daß nun er weiterhin für die Erziehung der Tochter Obsorge tragen solle. Er beantrage daher eine Verhandlung zur Festsetzung des Unterhalts. Davon unabhängig wäre eventuell die Zuerkennung der gesetzlichen Obsorge an ihn "durch ein erweitertes Zusatzverfahren zu regeln" (ON 17). Das hievon in Kenntnis gesetzte Bezirksgericht Klosterneuburg übertrug hierauf seine Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache der Minderjährigen an das Bezirksgericht Linz (ON 18). Es erhob nachher, daß die Mutter seit 24.Juli 1990 von Klosterneuburg nach Wien abgemeldet war (ON 21).

Das Bezirksgericht Linz stellte den Akt dem Bezirksgericht Klosterneuburg mit dem Hinweis zurück, daß gegen eine Übernahme des Aktes nach Erledigung der offenen Anträge nichts spreche (ON 24).

Rechtliche Beurteilung

Die vom Bezirksgericht Klosterneuburg verfügte Übertragung der Zuständigkeit ist gerechtfertigt:

Nach § 111 Abs 1 JN kann das Pflegschaftsgericht seine Zuständigkeit einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse des Pflegebefohlenen gelegen erscheint, insbesondere, wenn dadurch die wirksame Handhabung des dem Pflegebefohlenen zugedachten Schutzes voraussichtlich befördert wird. Diese Voraussetzungen liegen in der Regel vor, wenn die Pflegschaftssache dem Gericht übertragen wird, in dessen Sprengel der Mittelpunkt der Lebensführung des Kindes liegt (EFSlg 46.620; 57.691; 60.723; 66.880 uva). Auch offene Anträge sind kein grundsätzliches Übertragungshindernis (EFSlg 43.978; 57.698;

66.885 uva); es hängt von den Umständen des einzelnen Falles ab, ob die Entscheidung über einen solchen Antrag durch das bisherige Gericht zweckmäßiger ist (EFSlg 41.628; 54.970; 66.886 uva).

Ist über den Antrag eines Elternteils, ihm allein die Obsorge über das Kind zuzuweisen, noch nicht entschieden, dann ist zwar die Übertragung der Zuständigkeit an ein anderes Gericht in aller Regel unzweckmäßig (4 Nd 501/94; OLG Wien EFSlg 43.982; 57.703; 60.739 ua). Im vorliegenden Fall ist aber die Frage der Obsorge gerichtlich ohnehin schon so geregelt, wie es der Vater nun neuerlich festgesetzt wissen will. Über Unterhaltsleistungen der Mutter wird freilich erst zu entscheiden sein. Da aber die Minderjährige und ihr Vater im Sprengel des Bezirksgerichtes Linz leben und auch die Mutter nicht im Sprengel des Bezirksgerichtes Klosterneuburg, sondern in Wien wohnt, sprechen alle Überlegungen der Zweckmäßigkeit dafür, die Führung der Pflegschaftssache sogleich an das Bezirksgericht Linz zu übertragen.

Der entsprechende Beschluß des Bezirksgerichtes Klosterneuburg war daher zu genehmigen.

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