OGH 9ObA95/94

OGH9ObA95/948.6.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Peter Scheuch und Helmut Stöcklmayer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Shimon G*****, Tischler, *****vertreten durch Dr.Robert Krepp, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Brigitte G*****, Inhaberin einer Altwarenhandlung, ***** vertreten durch Dr.Wenzel Drögsler, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 164.613,76 brutto abzüglich S 12.950 netto sA (im Revisionsverfahren S 164.613,76 brutto abzüglich S 42.950 netto sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24.Jänner 1994, GZ 34 Ra 123/93-49, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 13.Juli 1993, GZ 6 Cga 530/91-40, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.789,60 (darin S 1.131,60 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, die darin gelegen sein soll, daß die vom Erstgericht unterlassene ergänzende Vernehmung eines Zeugen ergeben hätte, daß die Beklagte mit dem Kläger bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereinbart habe, daß er seinen Urlaub während der Kündigungsfrist konsumieren werde, liegt nicht vor. Nach ständiger Rechtsprechung können allfällige Mängel des Verfahrens erster Instanz, die vom Berufungsgericht für nicht gegeben erachtet wurden, nicht neuerlich in der Revision als Mängel des Berufungsverfahrens geltend gemacht werden (SZ 27/4; SZ 60/157; SZ 62/88 mwH; ÖBl 1984, 109; RZ 1989/16; RZ 1992/57; DRdA 1991/10 ua).

Auch der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit, mit welchem die Revisionswerberin lediglich die Beweiswürdigung der Vorinstanzen bekämpft, liegt nicht vor.

Im übrigen hat das Berufungsgericht die entscheidenden Fragen, wer Arbeitgeber des Klägers war und welche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis noch unberichtigt aushaften, zutreffend gelöst. Es reicht daher aus, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionswerberin in ihrer Rechtsrüge entgegenzuhalten:

Selbst wenn man das Bestehen einer Gesellschaft nach bürgerlichem Recht zum Betrieb eines Minderhandelsgewerbes zwischen der Beklagten und Johann M***** annehmen wollte, bei der die Gesellschafter für die Verbindlichkeiten aber ohnehin solidarisch zu haften hätten (vgl Kramer in Straube HGB 721 mwH), wäre daraus noch kein Schluß auf die konkrete Arbeitgebereigenschaft beider Gesellschafter berechtigt. Eine Gesellschaft nach bürgerlichem Recht ist keine juristische Person und auch keine Gesellschaft des Handelsrechts. Sie kann daher mangels eigener Rechtspersönlichkeit von vorneherein nicht Arbeitgeber sein (Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch7, 77; Schwarz-Löschnigg, ArbR4 129 ua). Arbeitgeber ist grundsätzlich derjenige, der den Arbeitnehmer zur Verfügung stellt, um ihn zum gemeinsamen Nutzen einzusetzen. Es ist dabei gemäß der für Verträge geltenden Vertrauenstheorie (Rummel in Rummel ABGB2 § 863 Rz 1 ff) zu prüfen, ob der Arbeitnehmer aus der Sicht eines redlichen Erklärungsempfängers objektiv gesehen darauf vertrauen durfte, daß der Erklärende im eigenen Namen als Arbeitgeber aufgetreten ist. Nehmen mehrere Personen Arbeitgeberfunktionen wahr, ist aus der Wahrnehmung von Einzelpflichten nach den Grundsätzen eines beweglichen Systems auf die mögliche Arbeitgeberstellung im Sinne des Arbeitsvertragsrechts zu schließen (vgl Kocevar, Wer ist der Dienstgeber? ZAS 1959, 140 ff; R.Resch zu DRdA 1993/25, 232; 9 ObA 180/93 ua).

Die Beklagte hat im ersten Rechtsgang ihre Arbeitgebereigenschaft nie bestritten. Sie brachte vielmehr vor, daß der Kläger bei ihr als Restaurator beschäftigt gewesen sei und ihr Unternehmen nur aus "einer Person" bestehe. Sie gestand auch zu, daß das Arbeitsverhältnis zwischen ihr und dem Kläger mit September 1990 beendet worden sei (S 14 f). Informativ befragt gab sie an, daß sie dem Kläger wöchentlich S 2.000 netto bezahlt habe (S 29). Nach ihrer eigenen Aussage hat sie den Kläger zum 30.9.1990 gekündigt (S 42). Strittig war sohin lediglich der noch offene Entgeltanspruch und die Frage, ob der Kläger den Urlaub während der Kündigungsfrist vereinbarungsgemäß hätte verbrauchen müssen.

Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichts im ersten Rechtsgang lediglich deshalb auf, da keine ausreichenden Feststellungen über die Höhe des vereinbarten Entgelts und die darauf geleisteten Zahlungen getroffen worden seien. Erst im zweiten Rechtsgang brachte die Beklagte nunmehr neu vor, daß auch Johann M***** kraft schlüssiger Vereinbarung Arbeitgeber des Klägers gewesen sei und das Arbeitsverhältnis durch vorzeitigen Austritt geendet habe. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen wurde das "Geschäft" zwar von beiden betrieben, der Kläger war aber Arbeitnehmer der Beklagten (S 64). Die Beklagte war Gewerbeinhaberin und meldete den Kläger jeweils bei der Gebietskrankenkasse an und ab; sie beantragte auch die Erteilung der Arbeitsbewilligung. Sie kündigte sein Dienstverhältnis zum 30.9.1990 schriftlich auf, stellte die Berücksichtigung eines von ihr geleisteten Gehaltsvorschusses von S 30.000 bei der Endabrechnung in Aussicht und forderte den Kläger auf, den restlichen Urlaub während der Kündigungsfrist zu verbrauchen. Sie trat dem Kläger gegenüber als Arbeitgeberin auf, so daß dieser darauf vertrauen durfte, daß er bei ihr beschäftigt sei. Demgegenüber fällt die festgestellte Anwesenheit des Johann M***** beim Einstellungsgespräch nicht entscheidend ins Gewicht. Ebenso ist aus der Zusage des Johann M*****, er "garantiere" dem Kläger bei mangelnder Zahlungsfähigkeit der Beklagten das Entgelt und der Kläger könne bei ihm weiterarbeiten, wenn die Beklagte aufhöre (S 178), nichts für den Standpunkt der Beklagten zu gewinnen.

Anhaltspunkte für einen vorzeitigen Austritt des Klägers während der Kündigungsfrist liegen nach den Feststellungen der Vorinstanzen nicht vor. Wie das Berufungsgericht richtig erkannte, wäre es an der Beklagten gelegen, den Kläger nach dem Verlust des Geschäftslokales für die Dauer der Kündigungsfrist anderweitig zu beschäftigen. Soweit sie dem Kläger einen "groben Vertrauensbruch" anlastet, weil er sich auf die "Seite des M***** geschlagen" habe, hätte sie darauf allenfalls mit der Entlassung des Klägers vorgehen können. Mangels eines solchen Vorgehens ist keine "Verwirkung" der Entgeltansprüche eingetreten. Eine Urlaubsvereinbarung im Sinne des § 4 Abs 1 UrlG konnte die Beklagte nicht beweisen.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 Abs. 1 ZPO begründet.

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