OGH 4Ob33/94

OGH4Ob33/9431.5.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei R***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Harald Schmidt, Rechtsanwalt in Wien, wider die Gegnerin der gefährdeten Partei S***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Gerhard Engin-Deniz und Mag.Dr.Christian Reimitz, Rechtsanwälte in Wien, wegen Einschränkung einer einstweiligen Verfügung (Streitwert: 250.000 S), infolge Revisionsrekurses der gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 3. Februar 1994, GZ 2 R 27/94-18, womit der Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 9.Dezember 1992, GZ 41 Cg 294/93s-14, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Aus Anlaß des Revisionsrekurses werden die Entscheidungen der Vorinstanzen als nichtig aufgehoben.

Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung über den Antrag auf teilweise Aufhebung (Einschränkung) der einstweiligen Verfügung nach vorausgegangener mündlicher Verhandlung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Kosten des Verfahrens über den Einschränkungsantrag.

Text

Begründung

Mit einstweiliger Verfügung vom 7.Oktober 1993 verbot das Erstgericht der Antragsgegnerin (ua), einen Energiedrink laut Dauerbeilage B, insbesondere mit verbotenen gesundheitsbezogenen Angaben wie "bei erhöhtem Energiebedarf/Leistungsbedarf für Körper und Geist" in Österreich in Verkehr zu bringen, und trug der Antragsgegnerin auf, jeden diesem Verbot widerstreitenden Zustand zu beseitigen, soweit ihr noch die Verfügung darüber oder ein sie ermöglichender Einfluß auf den unmittelbar Verfügungsberechtigten zusteht.

Am 29.November 1993 stellte die Antragsgegnerin - ungeachtet des von ihr auch insoweit erhobenen Rekurses - den Antrag, die einstweilige Verfügung im Umfang des oben erwähnten Verbotes aufzuheben, weil in der Zwischenzeit die beanstandeten und verbotenen gesundheitsbezogenen Angaben mit Bescheid des Bundesministers für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz vom 12.November 1993 zugelassen worden seien.

Mit Beschluß vom 3.Dezember 1993 forderte das Erstgericht die Antragstellerin auf, sich binnen einer Woche zum Einschränkungsantrag der Antragsgegnerin zu äußern, widrigenfalls angenommen werde, daß dagegen keine Einwände bestehen. In der fristgerecht eingelangten Äußerung trat die Antragstellerin der begehrten Einschränkung insoweit nicht entgegen, als davon die "konkrete Verletzungsform" (das Verbot der Angabe "bei erhöhtem Energie-/Leistungsbedarf für Körper und Geist") betroffen sei, sprach sich aber gegen eine Aufhebung auch des darüber hinausgehenden allgemeinen Verbotes gesundheitsbezogener Angaben aus.

Mit Beschluß vom 9.Dezember 1993 schränkte das Erstgericht die einstweilige Verfügung im beantragten Umfang zur Gänze ein.

Das Rekursgericht bestätigte den erstgerichtlichen Beschluß im Umfang der infolge beschränkter Anfechtung der Antragstellerin nur noch strittigen Einschränkung in bezug auf das generelle Verbot gesundheitsbezogener Angaben und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlaß des Revisionsrekurses der Antragstellerin ist von Amts wegen eine schon der Entscheidung des Erstgerichtes anhaftende Nichtigkeit wahrzunehmen, welche auch die angefochtene Entscheidung selbst umfaßt, wurde diese Nichtigkeit doch vom Rekursgericht völlig übergangen, also gar nicht erkannt:

§ 399 Abs 2, letzter Satz, EO schreibt zwingend vor, daß der Entscheidung über einen Antrag auf Aufhebung oder Einschränkung einer einstweiligen Verfügung eine mündliche Vehandlung vorauszugehen hat. Erfolgte die Entscheidung über den Antrag - wie im gegenständlichen Fall - ohne vorausgehende mündliche Verhandlung, so ist sie nach herrschende Lehre und Rechtsprechung nichtig im Sinne des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO (Heller-Berger-Stix 2890; EvBl 1962/218; MietSlg 30.887 = EFSlg 32.379; EFSlg 37.097, 52.466). An dieser Nichtigkeit ändert es auch nichts, daß hier der Klägerin immerhin eine Gelegenheit zur schriftlichen Äußerung eingeräumt wurde (vgl EvBl 1962/218), schreibt das Gesetz doch ausnahmslos eine der Entscheidung vorausgehende mündliche Verhandlung über den Antrag auf Aufhebung oder Einschränkung einer einstweiligen Verfügung vor.

Der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO ist von Amts wegen wahrzunehmen (Fasching, Zivilprozeßrecht2 Rz 1753 und 1755); auch das Rekursgericht wäre daher verpflichtet gewesen, die Nichtigkeit des erstgerichtlichen Beschlusses auch ohne diesbezügliche Parteienrüge von Amts wegen wahrzunehmen und diesen aus Anlaß des Rekurses der Klägerin als nichtig aufzuheben (EvBl 1962/218).

Die der erstgerichtlichen Entscheidung anhaftende Nichtigkeit führt demnach nicht nur zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses des Rekursgerichtes, sondern auch zur Aufhebung des erstgerichtlichen Beschlusses; hiebei war dem Erstgericht aufzutragen, über den Antrag der Antragsgegnerin nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Sinne des § 399 Abs 2 EO neuerlich zu entscheiden. Da das Verbot und das Gebot der einstweiligen Verfügung schon nach ihrem gemeinsamen Obersatz auf das Inverkehrbringen eines Energiedrinks laut Dauerbeilage B beschränkt sind, beziehen sich die nachfolgenden Einzelverbote ("insbesondere") von vornherein nur auf solche "verbotene gesundheitsbezogene Angaben", die auf dem Energiedrink laut Dauerbeilage B aufscheinen, also auf die Angaben "Bei erhöhtem Energiebedarf für Körper und Geist" und "Bei erhöhtem Leistungsbedarf für Körper und Geist", welche im Einzelverbots(gebots)tenor nach dem Wort "wie" auch noch ausdrücklich angeführt sind. Entgegen der Meinung des Rekursgerichtes lag daher trotz gegenteiliger Rekurserklärung der Antragstellerin keine beschränkte Anfechtung des erstgerichtlichen Einschränkungsbeschlusses vor, weshalb dieser auch nicht in Teilrechtskraft erwachsen ist.

Der Ausspruch über den Vorbehalt der Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf §§ 402 Abs 4, 78 EO und § 52 Abs 1 ZPO.

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