OGH 1Ob552/94

OGH1Ob552/9430.5.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser, Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker und Dr.Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der wiederaufnahmsklagenden Partei Annemarie P*****, Postbeamtin,*****vertreten durch Dr.Klaus Messiner und Dr.Ute Messiner, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wider die wiederaufnahmsbeklagte Partei Dr.Paul M*****, *****vertreten durch Dr.Johann Quendler und Dr.Gerhard Kucher, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen Wiederaufnahme (Streitwert S 500.000), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 18.Februar 1994, GZ 4b R 4/94-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 23.November 1993, GZ 26 Cg 77/93-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die wiederaufnahmsklagende Partei ist schuldig, der wiederaufnahmsbeklagten Partei die mit S 19.069,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 3.178,20 Umsatzsteuer) binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit am 14.4.1987 zu 26 Cg 171/87 des Landesgerichtes Klagenfurt eingebrachter Klage begehrte die Klägerin mit der Behauptung, der Beklagte habe als ihr Rechtsvertreter die Jahresfrist zur Einleitung des nachehelichen Aufteilungsverfahrens schuldhaft versäumt, dessen Verurteilung zum Ersatz ihres mit S 500.000 bezifferten Schadens. Dieses Begehren wurde vom Landesgericht Klagenfurt mit Urteil vom 28.1.1988 abgewiesen.

Mit der am 28.3.1988 erhobenen, auf § 530 Abs. 1 Z 7 ZPO gestützten Klage begehrte die Klägerin die Wiederaufnahme des Verfahrens 26 Cg 171/87.

In der über Berufung gegen das Urteil im Vorprozeß anberaumten mündlichen Berufungsverhandlung vom 2.5.1988 vereinbarten die Streitteile Ruhen des Berufungs- sowie des Wiederaufnahmeverfahrens. Außerdem erklärte der Beklagte, er verzichte bei Fortsetzung des Berufungs- bzw des Wiederaufnahmeverfahrens auf die Einrede der Verjährung.

Mit Schriftsatz vom 31.3.1993 beantragte der Beklagte die Fortsetzung des Wiederaufnahmeverfahrens und wendete in der Verhandlungstagsatzung vom 23.11.1993 Verjährung des Klagsanspruchs ein. Er brachte hiezu vor, die bei der Berufungsverhandlung vom 2.5.1988 getroffene Ruhensvereinbarung und der dort abgegebene Verjährungsverzicht seien mit der Erledigung der Auseinandersetzung der Klägerin mit deren früheren Ehegatten befristet gewesen; die Klägerin habe nach deren Abschluß das Verfahren nicht gehörig fortgesetzt.

Das Erstgericht wies das Wiederaufnahmebegehren ab.

Es stellte fest, die Klagevertreterin habe in ihrem Schreiben an den Beklagtenvertreter vom 5.12.1988 ausdrücklich festgehalten, daß bei der Berufungsverhandlung im Hauptprozeß vereinbart worden sei, die Klägerin werde vorerst versuchen, ihre Ansprüche gegen ihren früheren Ehegatten durchzusetzen. Der Ausgang dieses Verfahrens werde entscheiden, ob die Ersatzansprüche gegen den Beklagten weiter verfolgt werden. Bis dahin sollten beide Verfahren gegen den Beklagten ruhen. Sie habe in diesem Schreiben dem Beklagten bekanntgegeben, daß sie den früheren Ehegatten der Klägerin klageweise in Anspruch genommen habe und den Beklagtenvertreter über den Verfahrensausgang informieren werde. Die Forderung des Beklagten nach Ersatz der Verfahrenskosten durch die Klägerin widerspreche daher der getroffenen Vereinbarung. Mit Schreiben vom 10.4.1990 habe sie dem Beklagtenvertreter mitgeteilt, sie habe im Verfahren gegen den früheren Ehegatten der Klägerin einen Fortsetzungsantrag gestellt, weil mit diesem keine Einigung habe erzielt werden können. Auch in diesem Schreiben habe sie darauf hingewiesen, bei der Berufungsverhandlung sei ausdrücklich vereinbart worden, daß der Ausgang des Verfahrens gegen den früheren Ehegatten der Klägerin abzuwarten sei. Das Verfahren gegen diesen sei im Jahre 1991 abgeschlossen worden. Der Beklagtenvertreter habe mit Schreiben vom 3.10.1991 und 24.2.1992 um Auskunft über den Verfahrensausgang ersucht, beide Schreiben seien indes unbeantwortet geblieben. Darauf habe der Beklagte am 31.3.1993 die Fortsetzung des Wiederaufnahmeverfahrens beantragt.

Rechtlich meinte das Erstgericht, die von der Klägerin im Sinne des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO geltend gemachten neuen Tatsachen und Beweismittel seien nicht geeignet, eine für sie günstigere Entscheidung in der Hauptsache herbeizuführen, weil die Klägerin das Wiederaufnahmeverfahren nicht gehörig fortgesetzt habe und der Klagsanspruch somit verjährt sei.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es übernahm die erstinstanzlichen Feststellungen und führte in Erledigung der Rechtsrüge aus, nach § 1497 ABGB unterbreche die rechtzeitige Klageerhebung die Verjährung nur bei gehöriger Fortsetzung des Verfahrens. Die Rechtsprechung wende diese Vorschrift auch auf materiellrechtliche Ausschlußfristen an. Diese zumeist kürzeren Fristen dienten in erhöhtem Maße der Sicherheit des Geschäftsverkehrs bzw der Klärung von Ansprüchen, was nicht nur die Wahrung der Klagefristen, sondern auch die gehörige Fortsetzung der Klage fordere. Diese am Normzweck orientierten Erwägungen müßten auch für prozessuale Ausschlußfristen, wie etwa nach § 534 ZPO, gelten. Die Wiederaufnahmsklage sei letztlich ein nur unter strengen zeitlichen und sachlichen Beschränkungen zulässiger Eingriff in die Rechtssicherheit; der Wiederaufnahmsanspruch sei der Parteidisposition weitgehend entzogen. Daher sei auch für die Wiederaufnahmsklage im Interesse der Rechtssicherheit nicht nur die rechtzeitige Erhebung, sondern auch deren gehörige Fortsetzung zu fordern. Zwar könne gemäß Art XLVI EGZPO eine während des Vorprozesses oder erst nach dessen Beendigung eingetretene Verjährung nicht zum Nachteil dessen geltend gemacht werden, dem nachträglich die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligt wird, im wiederaufgenommenen Prozeß gelte jedoch das Gebot der gehörigen Fortsetzung gemäß § 1497 ABGB wiederum uneingeschränkt. Bei der Auslegung der Verzichtserklärung des Beklagten sei nicht bloß der Wortlaut, sondern es seien auch jene Umstände zu berücksichtigen, unter welchen sie abgegeben wurde. Die Tatsache, daß eine solche Erklärung im Zusammenhang mit Vergleichsverhandlungen abgegeben worden sei, lege es nach der Rechtsprechung nahe, daß sich der Verzicht lediglich auf deren Zeitraum erstrecken sollte und daher nicht als unbefristeter Verzicht verstanden werden dürfe. Der Beklagtenvertreter habe die Klagevertreterin 1991 und 1992 schriftlich um Auskunft über den Stand bzw Ausgang der Vermögensauseinandersetzung der Klägerin mit deren früheren Ehegatten ersucht. Im Zusammenhang mit der Feststellung, die Ruhensvereinbarung sei nur für die Dauer der Vermögensauseinandersetzung getroffen worden, und mit Rücksicht auf die herrschende Auffassung, daß Verzichtserklärungen eher einschränkend auszulegen seien, dürfe nicht davon ausgegangen werden, daß der Beklagte die Schaffung eines Schwebezustandes auf unabsehbare Zeit beabsichtigt habe. Vielmehr sei zu unterstellen, die Streitteile seien sich bei der Ruhensvereinbarung darüber einig gewesen, daß das anhängige Verfahren bei Scheitern der Vermögensauseinandersetzung zügig fortzusetzen sei. Die Klägerin habe daher nach ihrem 1991 erfolgten Abschluß der Vermögensauseinandersetzung nicht mehr darauf vertrauen können, sie brauche bei verspäteter Verfahrensfortsetzung mit der Verjährungseinrede nicht rechnen. Der Zeitraum zwischen dem Abschluß der Auseinandersetzung und den erst 1993 erfolgten weiteren Verfahrenshandlungen der Klägerin im Wiederaufnahmsverfahren sei für die Annahme einer gehörigen Fortsetzung zu lange gewesen. Die Klägerin habe auch keine beachtlichen Gründe für ihre Untätigkeit ins Treffen geführt; von Amts wegen seien solche Gründe nicht zu erheben. Der vom Beklagten erhobene Verjährungseinwand sei daher berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

In der höchstgerichtlichen Rechtsprechung wurde bisher noch nicht geklärt, ob der in dem nach eingetretenem Ruhen des Verfahrens fortgesetzten Wiederaufnahmsverfahren auf dessen nicht gehörige Fortsetzung gestützte Verjährungseinwand des Beklagten schon in diesem Verfahren zu prüfen ist und bei dessen Berechtigung zur Abweisung des Wiederaufnahmsbegehrens führt, weil das neue Vorbringen im Vorprozeß deshalb keine dem Wiederaufnahmskläger günstigere Entscheidung herbeiführen könnte.

Die Revision ist jedoch im Ergebnis nicht berechtigt.

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt, wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat, nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Nach wie vor beharrt die Klägerin auf ihrem Standpunkt, aus dem Protokoll über die mündliche Berufungsverhandlung im Vorprozeß gehe nicht hervor, daß der Beklagte auf die Einwendung der Verjährung nur für die Dauer der Auseinandersetzung der Klägerin mit deren früheren Ehegatten verzichtet habe; dem Beklagten sei daher die Verjährungseinrede nach wie vor verwehrt.

Es ist zwar richtig, daß dem Protokoll über die Berufungsverhandlung eine Befristung des Verzichts auf die Verjährungseinrede unmittelbar nicht entnommen werden kann, die Klagevertreterin hat aber in ihrem Schreiben an den Beklagtenvertreter vom 5.12.1988 unwidersprochen festgehalten, anläßlich der Berufungsverhandlung sei zwischen den Streitteilen die Vereinbarung getroffen worden, daß das Vor- und das Wiederaufnahmsverfahren für die Dauer des gegen den früheren Ehegatten der Klägerin einzuleitenden Verfahrens ruhen sollten. Der von den Vorinstanzen aus diesem Sachzusammenhang gefolgerte Schluß, der Verzicht des Beklagten auf die Verjährungseinrede erstrecke sich auf die Dauer der Auseinandersetzung der Klägerin mit deren früheren Ehegatten, für die die beiden gegen den Beklagten anhängigen Verfahren auch ruhen sollten, erscheint durchaus berechtigt, weil nicht angenommen werden kann, daß sich der Beklagte des Rechts, die nicht gehörige Fortsetzung des ruhenden Verfahrens (nach § 1497 ABGB) geltend zu machen, auf unbegrenzte Zeit habe begeben wollen. Es ist nicht bloß der Wortlaut der Verzichtserklärung, sondern es sind auch die Umstände, unter welchen diese Erklärung abgegeben wird, zu berücksichtigen; allein die Tatsache, daß der Verzicht im Zusammenhang mit der Ruhensvereinbarung erklärt wurde, spricht für die von den Vorinstanzen angenommene Befristung (vgl nur SZ 62/64). War daher das Ruhen (beider Verfahren) nur für die Dauer der geplanten Auseinandersetzung mit dem früheren Ehegatten der Klägerin vorgesehen, so konnte diese berechtigterweise nur darauf vertrauen, daß der Beklagte auf das - an sich im voraus unverzichtbare (§ 1502 ABGB) - Recht, Verjährung einzuwenden, nur soweit zu verzichten bereit war, als das Verfahren nach Beendigung der Auseinandersetzung, deretwegen das Ruhen vereinbart wurde, ohne unnötigen Aufschub fortgesetzt würde.

Zu Recht haben die Vorinstanzen daher die Befristung des Verzichts bejaht.

Fraglich könnte freilich sein, ob die Verjährungseinrede schon den Ausgang des Wiederaufnahmsverfahrens beeinflussen kann; dieses Verfahren dient an sich nur der Prüfung der geltend gemachten Wiederaufnahmsgründe auf ihre Eignung, dem Hauptprozeß eine andere Wendung geben zu können (vgl nur Fasching in JBl 1956, 250). Diese Frage ist indessen zu bejahen:

Die Klägerin führt neue Beweismittel ins Treffen, macht also den Wiederaufnahmsgrund gemäß § 530 Abs 1 Z 7 ZPO geltend. Die neuen Tatsachen bzw erst nun aufgefundenen oder benützbar gewordenen Beweismittel sind daher nur dann tauglicher Wiederaufnahmsgrund, wenn deren (Vorbringen oder) Benützen im früheren Verfahren eine dem Wiederaufnahmskläger günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde. Nun steht außer Streit, daß das von der Klägerin gegen deren früheren Ehegatten angestrengte Verfahren bereits 1991 beendet wurde. Sie hat aber nicht bloß darauf gerichtete Anfragen des Beklagten unbeantwortet gelassen, sondern ihrerseits auch danach in keinem der beiden Verfahren einen Fortsetzungsantrag gestellt. Das Wiederaufnahmsverfahren wurde erst in Gang gesetzt, nachdem der Beklagte am 31.3.1993 einen solchen Antrag gestellt hatte. Daß die Klägerin das vor Ablauf der Verjährung eingeleitete Vorverfahren, nachdem (vereinbartes) Ruhen eingetreten war, bei dieser Sachlage gemäß § 1497 ABGB nicht gehörig fortgesetzt hat, kann nicht zweifelhaft sein (vgl nur die Nachweise bei Schubert in Rummel, ABGB2 § 1497 Rz 10).

Die vom Beklagten erhobene Verjährungseinrede ist sachlich an sich im Vorprozeß zu prüfen, kann dort aber, da sich dieser bereits im Stadium des Rechtsmittelverfahrens befindet, wegen des Neuerungsverbots nicht geltend gemacht werden. Im Wiederaufnahmsverfahren, in dem die Eignung der neuen Tatsachen bzw Beweismittel zu einer Änderung der Entscheidung im Vorprozeß zu prüfen ist, ist die Verjährungseinrede auch deshalb nicht ohne Bedeutung, weil sie - würde die Wiederaufnahme bewilligt werden - im wiederaufgenommenen Verfahren auf ihre Berechtigung zu prüfen wäre:

Da der Vorprozeß durch die Aufhebung der dort gefällten Entscheidung in den Stand des erstinstanzlichen Verfahrens vor Schluß der Verhandlung zurücktritt, ist nun ergänzendes Vorbringen - und damit auch die Einrede der erst während des anhängigen Wiederaufnahmsverfahrens eingetretenen Verjährung des Klagsanspruchs - möglich (SZ 24/192 uva; Fasching, LB2 Rz 2090). Nach Bewilligung der Wiederaufnahme sind alle auch schon davor erhobenen Einwendungen zu berücksichtigen, nicht zuletzt deshalb, weil das Wiederaufnahmsverfahren zwar ein formell selbständiges, seiner Funktion nach aber ein völlig auf den Vorprozeß bezogenes Verfahren ist (vgl EvBl 1985/173).

Da die vom Beklagten erhobene Verjährungseinrede - wie schon dargelegt - berechtigt erscheint, müßte das Klagebegehren im wiederaufgenommenen Verfahren jedenfalls abgewiesen werden, selbst wenn die mit der Wiederaufnahmsklage geltend gemachten Beweismittel - was hier gar nicht mehr geprüft werden muß - sonst eine der Klägerin günstigere Entscheidung herbeigeführt hätten. Den als Wiederaufnahmsgrund geltend gemachten Beweismitteln muß die Eignung auch dann abgesprochen werden, wenn das Klagebegehren im Vorprozeß wegen einer anderen, erst während oder aus Anlaß des Wiederaufnahmsverfahrens entstandenen rechtsvernichtenden Tatsache - wie hier, der inzwischen eingetretenen Verjährung des Klagsanspruches im Vorprozeß - abgewiesen werden müßte.

Mit Rücksicht auf den berechtigten Verjährungseinwand des Beklagten muß deshalb dem geltend gemachten Wiederaufnahmsgrund die Eignung zu einer der Klägerin günstigeren Entscheidung im Vorprozeß abgesprochen werden, weshalb die Vorinstanzen das Wiederaufnahmebegehren zu Recht abgewiesen haben.

Diesem Ergebnis steht auch die Bestimmung des Art XLVI EGZPO nicht entgegen, weil sie nur die durch die Unrichtigkeit der Entscheidung im Vorprozeß fortgesetzte Verjährung zum Nachteil der davon betroffenen Prozeßpartei ausschließt (Fasching Komm II 100).

Der Revision ist deshalb ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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